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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Feuer!

Ah, sagte er und schüttelte mir die Hand, ein neuer Kollege. Ich heiße Guido,
Peter Arkadijewitsch Guido. Sehr erfreut, sehr erfreut. Aber ich bednure Sie auch.
Es ist ein Huudedieust hier. Sie find, hoffe ich, nicht auf Ihren eignen Wunsch
hierher gekommen.

Ich bin abkommandiert. Wird der Aufseher bald kommen?

Jemeljan Afanasjewitsch? I ja, er wird fich schon einfinden. Bestimmte
Stunden lassen sich hier gar nicht einhalten. Heute Feuer, morgen Feuer, zum
Frühstück Feuer, am Abend Feuer. Wir sind gehetzt wie Hunde. Jemeljcm
Afanasjewitsch ist stets auf den Beinen oder in der Fuhrmaunsdroschke. Die beiden
andern Gehilfen sind immer mit der Feuerwehr aus und zeigen sich hier fast gar
nicht. So bin ich allein wie ein Kettenhund Tag und Nacht hier angebunden.
Man kann den Verstand verlieren. Mit Ihnen sind wir nun vier Gehilfen in
diesem Stadtteile. Jetzt wird es doch hoffentlich möglich werden, manchmal ans
Augenblicke Menschen zu sehen und zu besuchen. Haben Sie Bekannte hier in
der Stadt?

Keine Seele. Ich bin selbst zum ersten Mal in meinem Leben hier.

Ah, also ein ganz Fremder, sozusagen, ein Neuling! Na, warten Sie, ich
will Sie bekannt machen, will Sie unter meinen Flügel nehmen. Es gibt hier
nette Leute. Und Mädchen! Sie werden sehen, werden die Finger kecken.

Er hob dabei die Hand zum Munde und tat, als ob er die Fingerspitzen
absöge.

Ich war nicht gerade sehr entzückt vou dem freundlichen Anerbieten. Die
Aussicht, unter die Flügel des mir gar nicht ansprechend und achtungswert aus¬
sehenden Peter Arkadijewitsch Guido zu geraten, lockte mich durchaus uicht.

Wenn Jemeljau Afanasjewitsch nur bald käme! sagte ich. Die Zeit vergeht,
und ich habe mich noch nirgends gemeldet.

Lassen Sie das, warf Guido leicht hiu, indem er mich in die Fensternische
zog. Zum Dienst kommen Sie immer noch zeitig genug und werden über und über
zu tun kriegen. Ich will Ihnen lieber einige Ratschläge geben, wie Sie sich am
besten einrichten, um das Hundeleben hier so gut wie möglich zu genießen. Vielleicht
ist es am besten -- Sie sind doch nicht gar verheiratet? Nein. Nun, Gott sei
Dank. Da ist es vielleicht am besten, Sie werden Kostgänger in einer Familie.
Ich kenne zum Beispiel eine Witwe, die sich möglicherweise dazu entschlösse. Sie
ist selbst noch ganz passabel und hat zwei Töchter, ich sage Ihnen, Mairöscheu,
eine hübscher als die andre, zum Verlieben!

Er küßte seine Fingerspitzen.

Herr Gehilfe, sagte eines der wartenden Weiber und trat an die Fensternische,
seien Sie barmherzig, entlassen Sie uns. Wir stehn hier schon seit dem frühen
Morgen.

Warten! sagte Guido kurz und wollte fortfahren, mir seine Vorschläge zu
machen.

Mehrere Leute folgten dem Weibe und näherten sich der Nische.

Wollen Sie die Leute nicht lieber erst abfertigen, Peter Arkadijewitsch, warf ich ein.

Mögen sie warten, sagte er flüchtig und drehte mich am Ärmel ganz zum
Feuster. Da ist dann ferner ein pensionierter Hauptmann, bei dem Sie es anch
ganz gut hätten. Er selbst ist wohl nicht viel wert, aber er hat eine Nichte, die
ihm die Wirtschaft führt. Man spricht allerlei, aber wissen Sie, die Menschen reden
oft unnützes Zeug, und zudem -- was geht das uns an! Aber hübsch ist die
Nichte, das ist die Hauptsache; und wenn das Gerede begründet sein sollte, ist das
vielleicht noch besser. Nicht wahr, Alexander Andrejewitsch?

Herr Gehilfe, machen Sie uns glücklich und entlassen Sie uns, sagte das Weib
dringend und setzte den Fuß in die Fensternische.

Warten! schrie Guido und sah sich drohend um.

Mein Gott, mein Gott! seufzte das Weib. Mehrere Stimmen murrten.


Feuer!

Ah, sagte er und schüttelte mir die Hand, ein neuer Kollege. Ich heiße Guido,
Peter Arkadijewitsch Guido. Sehr erfreut, sehr erfreut. Aber ich bednure Sie auch.
Es ist ein Huudedieust hier. Sie find, hoffe ich, nicht auf Ihren eignen Wunsch
hierher gekommen.

Ich bin abkommandiert. Wird der Aufseher bald kommen?

Jemeljan Afanasjewitsch? I ja, er wird fich schon einfinden. Bestimmte
Stunden lassen sich hier gar nicht einhalten. Heute Feuer, morgen Feuer, zum
Frühstück Feuer, am Abend Feuer. Wir sind gehetzt wie Hunde. Jemeljcm
Afanasjewitsch ist stets auf den Beinen oder in der Fuhrmaunsdroschke. Die beiden
andern Gehilfen sind immer mit der Feuerwehr aus und zeigen sich hier fast gar
nicht. So bin ich allein wie ein Kettenhund Tag und Nacht hier angebunden.
Man kann den Verstand verlieren. Mit Ihnen sind wir nun vier Gehilfen in
diesem Stadtteile. Jetzt wird es doch hoffentlich möglich werden, manchmal ans
Augenblicke Menschen zu sehen und zu besuchen. Haben Sie Bekannte hier in
der Stadt?

Keine Seele. Ich bin selbst zum ersten Mal in meinem Leben hier.

Ah, also ein ganz Fremder, sozusagen, ein Neuling! Na, warten Sie, ich
will Sie bekannt machen, will Sie unter meinen Flügel nehmen. Es gibt hier
nette Leute. Und Mädchen! Sie werden sehen, werden die Finger kecken.

Er hob dabei die Hand zum Munde und tat, als ob er die Fingerspitzen
absöge.

Ich war nicht gerade sehr entzückt vou dem freundlichen Anerbieten. Die
Aussicht, unter die Flügel des mir gar nicht ansprechend und achtungswert aus¬
sehenden Peter Arkadijewitsch Guido zu geraten, lockte mich durchaus uicht.

Wenn Jemeljau Afanasjewitsch nur bald käme! sagte ich. Die Zeit vergeht,
und ich habe mich noch nirgends gemeldet.

Lassen Sie das, warf Guido leicht hiu, indem er mich in die Fensternische
zog. Zum Dienst kommen Sie immer noch zeitig genug und werden über und über
zu tun kriegen. Ich will Ihnen lieber einige Ratschläge geben, wie Sie sich am
besten einrichten, um das Hundeleben hier so gut wie möglich zu genießen. Vielleicht
ist es am besten — Sie sind doch nicht gar verheiratet? Nein. Nun, Gott sei
Dank. Da ist es vielleicht am besten, Sie werden Kostgänger in einer Familie.
Ich kenne zum Beispiel eine Witwe, die sich möglicherweise dazu entschlösse. Sie
ist selbst noch ganz passabel und hat zwei Töchter, ich sage Ihnen, Mairöscheu,
eine hübscher als die andre, zum Verlieben!

Er küßte seine Fingerspitzen.

Herr Gehilfe, sagte eines der wartenden Weiber und trat an die Fensternische,
seien Sie barmherzig, entlassen Sie uns. Wir stehn hier schon seit dem frühen
Morgen.

Warten! sagte Guido kurz und wollte fortfahren, mir seine Vorschläge zu
machen.

Mehrere Leute folgten dem Weibe und näherten sich der Nische.

Wollen Sie die Leute nicht lieber erst abfertigen, Peter Arkadijewitsch, warf ich ein.

Mögen sie warten, sagte er flüchtig und drehte mich am Ärmel ganz zum
Feuster. Da ist dann ferner ein pensionierter Hauptmann, bei dem Sie es anch
ganz gut hätten. Er selbst ist wohl nicht viel wert, aber er hat eine Nichte, die
ihm die Wirtschaft führt. Man spricht allerlei, aber wissen Sie, die Menschen reden
oft unnützes Zeug, und zudem — was geht das uns an! Aber hübsch ist die
Nichte, das ist die Hauptsache; und wenn das Gerede begründet sein sollte, ist das
vielleicht noch besser. Nicht wahr, Alexander Andrejewitsch?

Herr Gehilfe, machen Sie uns glücklich und entlassen Sie uns, sagte das Weib
dringend und setzte den Fuß in die Fensternische.

Warten! schrie Guido und sah sich drohend um.

Mein Gott, mein Gott! seufzte das Weib. Mehrere Stimmen murrten.


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[0060] Feuer! Ah, sagte er und schüttelte mir die Hand, ein neuer Kollege. Ich heiße Guido, Peter Arkadijewitsch Guido. Sehr erfreut, sehr erfreut. Aber ich bednure Sie auch. Es ist ein Huudedieust hier. Sie find, hoffe ich, nicht auf Ihren eignen Wunsch hierher gekommen. Ich bin abkommandiert. Wird der Aufseher bald kommen? Jemeljan Afanasjewitsch? I ja, er wird fich schon einfinden. Bestimmte Stunden lassen sich hier gar nicht einhalten. Heute Feuer, morgen Feuer, zum Frühstück Feuer, am Abend Feuer. Wir sind gehetzt wie Hunde. Jemeljcm Afanasjewitsch ist stets auf den Beinen oder in der Fuhrmaunsdroschke. Die beiden andern Gehilfen sind immer mit der Feuerwehr aus und zeigen sich hier fast gar nicht. So bin ich allein wie ein Kettenhund Tag und Nacht hier angebunden. Man kann den Verstand verlieren. Mit Ihnen sind wir nun vier Gehilfen in diesem Stadtteile. Jetzt wird es doch hoffentlich möglich werden, manchmal ans Augenblicke Menschen zu sehen und zu besuchen. Haben Sie Bekannte hier in der Stadt? Keine Seele. Ich bin selbst zum ersten Mal in meinem Leben hier. Ah, also ein ganz Fremder, sozusagen, ein Neuling! Na, warten Sie, ich will Sie bekannt machen, will Sie unter meinen Flügel nehmen. Es gibt hier nette Leute. Und Mädchen! Sie werden sehen, werden die Finger kecken. Er hob dabei die Hand zum Munde und tat, als ob er die Fingerspitzen absöge. Ich war nicht gerade sehr entzückt vou dem freundlichen Anerbieten. Die Aussicht, unter die Flügel des mir gar nicht ansprechend und achtungswert aus¬ sehenden Peter Arkadijewitsch Guido zu geraten, lockte mich durchaus uicht. Wenn Jemeljau Afanasjewitsch nur bald käme! sagte ich. Die Zeit vergeht, und ich habe mich noch nirgends gemeldet. Lassen Sie das, warf Guido leicht hiu, indem er mich in die Fensternische zog. Zum Dienst kommen Sie immer noch zeitig genug und werden über und über zu tun kriegen. Ich will Ihnen lieber einige Ratschläge geben, wie Sie sich am besten einrichten, um das Hundeleben hier so gut wie möglich zu genießen. Vielleicht ist es am besten — Sie sind doch nicht gar verheiratet? Nein. Nun, Gott sei Dank. Da ist es vielleicht am besten, Sie werden Kostgänger in einer Familie. Ich kenne zum Beispiel eine Witwe, die sich möglicherweise dazu entschlösse. Sie ist selbst noch ganz passabel und hat zwei Töchter, ich sage Ihnen, Mairöscheu, eine hübscher als die andre, zum Verlieben! Er küßte seine Fingerspitzen. Herr Gehilfe, sagte eines der wartenden Weiber und trat an die Fensternische, seien Sie barmherzig, entlassen Sie uns. Wir stehn hier schon seit dem frühen Morgen. Warten! sagte Guido kurz und wollte fortfahren, mir seine Vorschläge zu machen. Mehrere Leute folgten dem Weibe und näherten sich der Nische. Wollen Sie die Leute nicht lieber erst abfertigen, Peter Arkadijewitsch, warf ich ein. Mögen sie warten, sagte er flüchtig und drehte mich am Ärmel ganz zum Feuster. Da ist dann ferner ein pensionierter Hauptmann, bei dem Sie es anch ganz gut hätten. Er selbst ist wohl nicht viel wert, aber er hat eine Nichte, die ihm die Wirtschaft führt. Man spricht allerlei, aber wissen Sie, die Menschen reden oft unnützes Zeug, und zudem — was geht das uns an! Aber hübsch ist die Nichte, das ist die Hauptsache; und wenn das Gerede begründet sein sollte, ist das vielleicht noch besser. Nicht wahr, Alexander Andrejewitsch? Herr Gehilfe, machen Sie uns glücklich und entlassen Sie uns, sagte das Weib dringend und setzte den Fuß in die Fensternische. Warten! schrie Guido und sah sich drohend um. Mein Gott, mein Gott! seufzte das Weib. Mehrere Stimmen murrten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/60>, abgerufen am 24.11.2024.