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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Zur Reform der preußischen Verwaltung

begreiflich finden, daß ich der Schaffung einer neuen Behörde etwas mißtrauisch
gegenüberstehe. Für das Studium der Gesetzgebung andrer Länder wird man
in den Ministerien Zeit haben, wenn die Dezentralisation durchgeführt ist,
anderseits könnte die neue Behörde vielleicht das Bedürfnis fühlen, auch ihrer
seits etwas für die Vermehrung des Schreibwerks zu tun. Und doch hat der
Gedanke etwas Bestechendes, weil es gerade die Aufsicht des Monarchen ist,
die der Verwaltung fehlt. Aber es wäre wohl unnötig, eine besondre Behörde
neu zu organisieren. Wenn überhaupt der gute Wille besteht, die Beziehungen
zwischen dem König und der Verwaltung, die früher so eng waren, neu her-
zustellen, so würde es wohl genügen, dem Geheimen Zivilkabinett einige tüchtige
Beamte zuzuleiten, mit der Aufgabe, sich überall persönlich zu informieren, und
mit dem Recht, unmittelbar an den König zu berichten. Wenn die Personalien
ebenso wie beim Militär vom Zivilkabinett aus bearbeitet werden würden, so
könnte das anch nur nützlich sein, denn die jetzt übliche Protektion würde dann
eine wesentliche Einschränkung erfahren, auch würde man im Kabinett über
Personenfragen jedenfalls besser informiert sein, als es Minister sein können,
die aller zwei Jahre wechseln.

Hiernach würden für die Reform der Verwaltung folgende Vorschläge zu
machen sein:

1. Dezentralisation der Verwaltung durch Entlastung der Ministerien
und Verlegung des Schwerpunkts der Verwaltungstätigkeit in die Regierungen
und in die Landratsümter. Prüfung der Kompetenz aller Behörden mit der aus
gesprochnen Absicht, das Schreibwerk zu vermindern. Änderung der Gesetz
gcbnng, soweit durch sie unnützes Schreibwerk verursacht wird.

2. Beseitigung der gesonderten Vorbildung für Verwaltungsbeamte. Über¬
nahme von Gerichtsassessoren, nachdem diese einige Zeit bei Verwaltungsbehörden
gearbeitet haben.

3. Feststellung der Zahl von Beamten, die für jede Verwaltungsbehörde
nötig sind. Beseitigung überflüssiger Behörden, besonders der Kirchen- und
Schulabteilungen.

4. Vereinfachung des Geschäftsganges bei den Regierungen.

5. Weitgehende Benutzung der Schreibmaschine, des Telephons und der
Stenographie im Verwaltungsdienst und besouders bei den Regierungen.
Forderung der Kenntnis der Stenographie von allen Beamten.

6. Zweckmäßige Einrichtung der Regierungsgcbünde, damit jeder Beamte
sein Bureau in der Nähe hat.

7. Gleichstellung der Vortragenden Räte, der Oberpräsidialrüte und der
Oberregierungsräte (Vizepräsidenten) in Rang und Gehalt, damit ein Austausch
der höhern Beamten zwischen den Zentral- und den Provinzialbehörden statt¬
finden kann.

8. Einführung von Revisionen der Behörden aller Instanzen zur Kontrolle
der Verwaltung und zur Information der vorgesetzten Behörden.

9. Wenn möglich Herstellung engerer Beziehungen zwischen dein Monarchen
und der Verwaltung.

Es ließe sich natürlich noch vieles sagen, noch an manchen Einrichtungen


Zur Reform der preußischen Verwaltung

begreiflich finden, daß ich der Schaffung einer neuen Behörde etwas mißtrauisch
gegenüberstehe. Für das Studium der Gesetzgebung andrer Länder wird man
in den Ministerien Zeit haben, wenn die Dezentralisation durchgeführt ist,
anderseits könnte die neue Behörde vielleicht das Bedürfnis fühlen, auch ihrer
seits etwas für die Vermehrung des Schreibwerks zu tun. Und doch hat der
Gedanke etwas Bestechendes, weil es gerade die Aufsicht des Monarchen ist,
die der Verwaltung fehlt. Aber es wäre wohl unnötig, eine besondre Behörde
neu zu organisieren. Wenn überhaupt der gute Wille besteht, die Beziehungen
zwischen dem König und der Verwaltung, die früher so eng waren, neu her-
zustellen, so würde es wohl genügen, dem Geheimen Zivilkabinett einige tüchtige
Beamte zuzuleiten, mit der Aufgabe, sich überall persönlich zu informieren, und
mit dem Recht, unmittelbar an den König zu berichten. Wenn die Personalien
ebenso wie beim Militär vom Zivilkabinett aus bearbeitet werden würden, so
könnte das anch nur nützlich sein, denn die jetzt übliche Protektion würde dann
eine wesentliche Einschränkung erfahren, auch würde man im Kabinett über
Personenfragen jedenfalls besser informiert sein, als es Minister sein können,
die aller zwei Jahre wechseln.

Hiernach würden für die Reform der Verwaltung folgende Vorschläge zu
machen sein:

1. Dezentralisation der Verwaltung durch Entlastung der Ministerien
und Verlegung des Schwerpunkts der Verwaltungstätigkeit in die Regierungen
und in die Landratsümter. Prüfung der Kompetenz aller Behörden mit der aus
gesprochnen Absicht, das Schreibwerk zu vermindern. Änderung der Gesetz
gcbnng, soweit durch sie unnützes Schreibwerk verursacht wird.

2. Beseitigung der gesonderten Vorbildung für Verwaltungsbeamte. Über¬
nahme von Gerichtsassessoren, nachdem diese einige Zeit bei Verwaltungsbehörden
gearbeitet haben.

3. Feststellung der Zahl von Beamten, die für jede Verwaltungsbehörde
nötig sind. Beseitigung überflüssiger Behörden, besonders der Kirchen- und
Schulabteilungen.

4. Vereinfachung des Geschäftsganges bei den Regierungen.

5. Weitgehende Benutzung der Schreibmaschine, des Telephons und der
Stenographie im Verwaltungsdienst und besouders bei den Regierungen.
Forderung der Kenntnis der Stenographie von allen Beamten.

6. Zweckmäßige Einrichtung der Regierungsgcbünde, damit jeder Beamte
sein Bureau in der Nähe hat.

7. Gleichstellung der Vortragenden Räte, der Oberpräsidialrüte und der
Oberregierungsräte (Vizepräsidenten) in Rang und Gehalt, damit ein Austausch
der höhern Beamten zwischen den Zentral- und den Provinzialbehörden statt¬
finden kann.

8. Einführung von Revisionen der Behörden aller Instanzen zur Kontrolle
der Verwaltung und zur Information der vorgesetzten Behörden.

9. Wenn möglich Herstellung engerer Beziehungen zwischen dein Monarchen
und der Verwaltung.

Es ließe sich natürlich noch vieles sagen, noch an manchen Einrichtungen


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[0526] Zur Reform der preußischen Verwaltung begreiflich finden, daß ich der Schaffung einer neuen Behörde etwas mißtrauisch gegenüberstehe. Für das Studium der Gesetzgebung andrer Länder wird man in den Ministerien Zeit haben, wenn die Dezentralisation durchgeführt ist, anderseits könnte die neue Behörde vielleicht das Bedürfnis fühlen, auch ihrer seits etwas für die Vermehrung des Schreibwerks zu tun. Und doch hat der Gedanke etwas Bestechendes, weil es gerade die Aufsicht des Monarchen ist, die der Verwaltung fehlt. Aber es wäre wohl unnötig, eine besondre Behörde neu zu organisieren. Wenn überhaupt der gute Wille besteht, die Beziehungen zwischen dem König und der Verwaltung, die früher so eng waren, neu her- zustellen, so würde es wohl genügen, dem Geheimen Zivilkabinett einige tüchtige Beamte zuzuleiten, mit der Aufgabe, sich überall persönlich zu informieren, und mit dem Recht, unmittelbar an den König zu berichten. Wenn die Personalien ebenso wie beim Militär vom Zivilkabinett aus bearbeitet werden würden, so könnte das anch nur nützlich sein, denn die jetzt übliche Protektion würde dann eine wesentliche Einschränkung erfahren, auch würde man im Kabinett über Personenfragen jedenfalls besser informiert sein, als es Minister sein können, die aller zwei Jahre wechseln. Hiernach würden für die Reform der Verwaltung folgende Vorschläge zu machen sein: 1. Dezentralisation der Verwaltung durch Entlastung der Ministerien und Verlegung des Schwerpunkts der Verwaltungstätigkeit in die Regierungen und in die Landratsümter. Prüfung der Kompetenz aller Behörden mit der aus gesprochnen Absicht, das Schreibwerk zu vermindern. Änderung der Gesetz gcbnng, soweit durch sie unnützes Schreibwerk verursacht wird. 2. Beseitigung der gesonderten Vorbildung für Verwaltungsbeamte. Über¬ nahme von Gerichtsassessoren, nachdem diese einige Zeit bei Verwaltungsbehörden gearbeitet haben. 3. Feststellung der Zahl von Beamten, die für jede Verwaltungsbehörde nötig sind. Beseitigung überflüssiger Behörden, besonders der Kirchen- und Schulabteilungen. 4. Vereinfachung des Geschäftsganges bei den Regierungen. 5. Weitgehende Benutzung der Schreibmaschine, des Telephons und der Stenographie im Verwaltungsdienst und besouders bei den Regierungen. Forderung der Kenntnis der Stenographie von allen Beamten. 6. Zweckmäßige Einrichtung der Regierungsgcbünde, damit jeder Beamte sein Bureau in der Nähe hat. 7. Gleichstellung der Vortragenden Räte, der Oberpräsidialrüte und der Oberregierungsräte (Vizepräsidenten) in Rang und Gehalt, damit ein Austausch der höhern Beamten zwischen den Zentral- und den Provinzialbehörden statt¬ finden kann. 8. Einführung von Revisionen der Behörden aller Instanzen zur Kontrolle der Verwaltung und zur Information der vorgesetzten Behörden. 9. Wenn möglich Herstellung engerer Beziehungen zwischen dein Monarchen und der Verwaltung. Es ließe sich natürlich noch vieles sagen, noch an manchen Einrichtungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/526>, abgerufen am 24.11.2024.