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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ligen dänischen Bundestagsgesandter von Bülow als "einen der gescheitesten und
der fähigsten" der Frankfurter Kollegen. Bismarck selbst, der ihn schon in einem
Bericht vom 23. September "einen gewandten Kopf" genannt hatte, schreibt in
einem Promemoria an den Ministerpräsidenten von Manteuffel am 30. Mai 1853:

"Herr von Bülow, der Vertreter Dänemarks, ist einer der gescheitesten Köpfe
in der Versammlung, und ich bedaure, daß die Stellung des Staates, den er ver¬
tritt, ihm nicht gestattet, erheblichen Anteil an den laufenden Geschäften zu
nehmen . . . Die Verhandlungen sowohl am Bunde als in der Augustenbnrger
Angelegenheit haben mir Gelegenheit gegeben, Herrn von Bülow als einen ge¬
wandten und einsichtsvollen Geschäftsmann kennen zu lernen, dem sowohl im offi¬
ziellen wie im Privatverkehr ein angemessenes und gefälliges Benehmen eigen ist."

Im Jahre 1862 war Bülow als Staatsminister in Mecklenburg-Strelitzische
Dienste getreten; als solcher nahm er an den Verhandlungen über die norddeutsche
Bundesverfassung eifrig Anteil, später wurde er von beiden Mecklenburg zum Ge¬
sandten in Berlin und zum Vertreter im Bundesrat ernannt. In Berlin lebten
alsbald die alten freundschaftlichen Frankfurter Beziehungen zum Bismarckischen Hause
wieder auf, und im Frühling 1873 wandte sich Bismarck an Bülow mit der An¬
frage, ob er das Staatssekretariat des Auswärtigen übernehmen wolle. Am
29. Juni sagte Bülow nach Überwindung mancher Bedenken endgiltig im Hin¬
blick auf das Vertrauen Bismnrcks zu. Ursprünglich war Herr von Bakar, der
fast ein Jahr die Geschäfte des Auswärtigen Amts geführt hatte, für diesen Posten
i"s Auge gefaßt worden, jedoch der Kaiser versagte die Zustimmung, und Bismarck
wandte sich darauf an Bülow. Bismarcks Antwortschreiben vom 7. Juli 1873
atmet den warmen Ton alter Freundschaft, ebenso Bülows vom 10. Oktober
datierte Meldung des erfolgten Dienstantritts. Bezeichnend ist ein Schreiben
Bülows vom 6. Juli 1874, acht Tage vor dem Kissinger Attentat, an den Grafen
Herbert Bismarck, worin er wegen des in Franken künstlich genährten Fanatismus
Mitteilungen macht über den von bayrischer Seite angeregten und von ihm accep-
tierten polizeilichen Schutz für den Reichskanzler. "Ich weiß genug von geheimer
Polizei und den Stimmungen der katholischen Pfaffen, um Kissingen nicht für ab¬
solut ungefährlich zu halten, vous s,v<zi'eg,t, und segne die Kur/" Sieben Tage
später begeht Kullmann den Mordversuch auf den Reichskanzler. Wer den ver¬
ewigten Minister von Bülow in jenen Tagen gesehen hat, wird die Erinnerung
an seine tiefe Bewegung und Entrüstung bewahrt haben. Wegen der Drohungen,
ja direkter Todesdrohungen, die damals in der ultramontanen Presse, namentlich
der belgischen, erschienen, hatte er schon seit längerer Zeit eine Sammlung solcher
Preßstiminen angelegt, deren Häufigkeit ihn in seinen Befürchtungen bestärkt hatte.
"Derartige Hetzereien mußten unvermeidlich eines Tages wirken." Mit Worten
innigster Freude bringt Bülow dann am 14. Juli in einem Schreiben an Bismarck
den eignen und den Glückwunsch des Auswärtigen Amts zum Ausdruck. Für eine
entsprechende Würdigung des traurigen Vorgangs in der Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung hatte er sofort Sorge getragen. Er selbst schreibt: "Daß sich ein Deutscher
Zu dem Attentat verleiten ließ, ist ein Schandfleck in unsrer Geschichte; daß Gott
^ so lenkte, wird schließlich auch ein politisches Glück sein." Auch die spätern,
im Bismarckischen Briefwechsel (Anlage zu den "Gedanken und Erinnerungen") mit¬
geteilten Briefe Bülows zeugen ebenso von einer tiefen und aufrichtigen evange¬
lischen Gesinnung wie von einer treuen und warmen Verehrung für Bismarck. Er
h"t dessen Anschauungen keineswegs in allen Fällen zu teilen vermocht, aber immer
wieder pflegte er hinterher zu sagen: "Der Fürst hat doch wieder Recht gehabt."
As Bismarck in den letzten Jahren seines Lebens gelegentlich davon sprach, daß
-Lukow unter der Last seines Amtes zusammengebrochen sei, fügte er nach ernstem
Finnen hinzu: Er war mir ein sehr brauchbarer, zuverlässiger und schwer zu er¬
bender Mitarbeiter.

Neben den vielen Kränzen, die Delbrücks frisches Grab berechtigterweise zieren,


Grenzboten I 1903 64
Maßgebliches und Unmaßgebliches

ligen dänischen Bundestagsgesandter von Bülow als „einen der gescheitesten und
der fähigsten" der Frankfurter Kollegen. Bismarck selbst, der ihn schon in einem
Bericht vom 23. September „einen gewandten Kopf" genannt hatte, schreibt in
einem Promemoria an den Ministerpräsidenten von Manteuffel am 30. Mai 1853:

„Herr von Bülow, der Vertreter Dänemarks, ist einer der gescheitesten Köpfe
in der Versammlung, und ich bedaure, daß die Stellung des Staates, den er ver¬
tritt, ihm nicht gestattet, erheblichen Anteil an den laufenden Geschäften zu
nehmen . . . Die Verhandlungen sowohl am Bunde als in der Augustenbnrger
Angelegenheit haben mir Gelegenheit gegeben, Herrn von Bülow als einen ge¬
wandten und einsichtsvollen Geschäftsmann kennen zu lernen, dem sowohl im offi¬
ziellen wie im Privatverkehr ein angemessenes und gefälliges Benehmen eigen ist."

Im Jahre 1862 war Bülow als Staatsminister in Mecklenburg-Strelitzische
Dienste getreten; als solcher nahm er an den Verhandlungen über die norddeutsche
Bundesverfassung eifrig Anteil, später wurde er von beiden Mecklenburg zum Ge¬
sandten in Berlin und zum Vertreter im Bundesrat ernannt. In Berlin lebten
alsbald die alten freundschaftlichen Frankfurter Beziehungen zum Bismarckischen Hause
wieder auf, und im Frühling 1873 wandte sich Bismarck an Bülow mit der An¬
frage, ob er das Staatssekretariat des Auswärtigen übernehmen wolle. Am
29. Juni sagte Bülow nach Überwindung mancher Bedenken endgiltig im Hin¬
blick auf das Vertrauen Bismnrcks zu. Ursprünglich war Herr von Bakar, der
fast ein Jahr die Geschäfte des Auswärtigen Amts geführt hatte, für diesen Posten
i»s Auge gefaßt worden, jedoch der Kaiser versagte die Zustimmung, und Bismarck
wandte sich darauf an Bülow. Bismarcks Antwortschreiben vom 7. Juli 1873
atmet den warmen Ton alter Freundschaft, ebenso Bülows vom 10. Oktober
datierte Meldung des erfolgten Dienstantritts. Bezeichnend ist ein Schreiben
Bülows vom 6. Juli 1874, acht Tage vor dem Kissinger Attentat, an den Grafen
Herbert Bismarck, worin er wegen des in Franken künstlich genährten Fanatismus
Mitteilungen macht über den von bayrischer Seite angeregten und von ihm accep-
tierten polizeilichen Schutz für den Reichskanzler. „Ich weiß genug von geheimer
Polizei und den Stimmungen der katholischen Pfaffen, um Kissingen nicht für ab¬
solut ungefährlich zu halten, vous s,v<zi'eg,t, und segne die Kur/" Sieben Tage
später begeht Kullmann den Mordversuch auf den Reichskanzler. Wer den ver¬
ewigten Minister von Bülow in jenen Tagen gesehen hat, wird die Erinnerung
an seine tiefe Bewegung und Entrüstung bewahrt haben. Wegen der Drohungen,
ja direkter Todesdrohungen, die damals in der ultramontanen Presse, namentlich
der belgischen, erschienen, hatte er schon seit längerer Zeit eine Sammlung solcher
Preßstiminen angelegt, deren Häufigkeit ihn in seinen Befürchtungen bestärkt hatte.
»Derartige Hetzereien mußten unvermeidlich eines Tages wirken." Mit Worten
innigster Freude bringt Bülow dann am 14. Juli in einem Schreiben an Bismarck
den eignen und den Glückwunsch des Auswärtigen Amts zum Ausdruck. Für eine
entsprechende Würdigung des traurigen Vorgangs in der Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung hatte er sofort Sorge getragen. Er selbst schreibt: „Daß sich ein Deutscher
Zu dem Attentat verleiten ließ, ist ein Schandfleck in unsrer Geschichte; daß Gott
^ so lenkte, wird schließlich auch ein politisches Glück sein." Auch die spätern,
im Bismarckischen Briefwechsel (Anlage zu den „Gedanken und Erinnerungen") mit¬
geteilten Briefe Bülows zeugen ebenso von einer tiefen und aufrichtigen evange¬
lischen Gesinnung wie von einer treuen und warmen Verehrung für Bismarck. Er
h"t dessen Anschauungen keineswegs in allen Fällen zu teilen vermocht, aber immer
wieder pflegte er hinterher zu sagen: „Der Fürst hat doch wieder Recht gehabt."
As Bismarck in den letzten Jahren seines Lebens gelegentlich davon sprach, daß
-Lukow unter der Last seines Amtes zusammengebrochen sei, fügte er nach ernstem
Finnen hinzu: Er war mir ein sehr brauchbarer, zuverlässiger und schwer zu er¬
bender Mitarbeiter.

Neben den vielen Kränzen, die Delbrücks frisches Grab berechtigterweise zieren,


Grenzboten I 1903 64
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[0509] Maßgebliches und Unmaßgebliches ligen dänischen Bundestagsgesandter von Bülow als „einen der gescheitesten und der fähigsten" der Frankfurter Kollegen. Bismarck selbst, der ihn schon in einem Bericht vom 23. September „einen gewandten Kopf" genannt hatte, schreibt in einem Promemoria an den Ministerpräsidenten von Manteuffel am 30. Mai 1853: „Herr von Bülow, der Vertreter Dänemarks, ist einer der gescheitesten Köpfe in der Versammlung, und ich bedaure, daß die Stellung des Staates, den er ver¬ tritt, ihm nicht gestattet, erheblichen Anteil an den laufenden Geschäften zu nehmen . . . Die Verhandlungen sowohl am Bunde als in der Augustenbnrger Angelegenheit haben mir Gelegenheit gegeben, Herrn von Bülow als einen ge¬ wandten und einsichtsvollen Geschäftsmann kennen zu lernen, dem sowohl im offi¬ ziellen wie im Privatverkehr ein angemessenes und gefälliges Benehmen eigen ist." Im Jahre 1862 war Bülow als Staatsminister in Mecklenburg-Strelitzische Dienste getreten; als solcher nahm er an den Verhandlungen über die norddeutsche Bundesverfassung eifrig Anteil, später wurde er von beiden Mecklenburg zum Ge¬ sandten in Berlin und zum Vertreter im Bundesrat ernannt. In Berlin lebten alsbald die alten freundschaftlichen Frankfurter Beziehungen zum Bismarckischen Hause wieder auf, und im Frühling 1873 wandte sich Bismarck an Bülow mit der An¬ frage, ob er das Staatssekretariat des Auswärtigen übernehmen wolle. Am 29. Juni sagte Bülow nach Überwindung mancher Bedenken endgiltig im Hin¬ blick auf das Vertrauen Bismnrcks zu. Ursprünglich war Herr von Bakar, der fast ein Jahr die Geschäfte des Auswärtigen Amts geführt hatte, für diesen Posten i»s Auge gefaßt worden, jedoch der Kaiser versagte die Zustimmung, und Bismarck wandte sich darauf an Bülow. Bismarcks Antwortschreiben vom 7. Juli 1873 atmet den warmen Ton alter Freundschaft, ebenso Bülows vom 10. Oktober datierte Meldung des erfolgten Dienstantritts. Bezeichnend ist ein Schreiben Bülows vom 6. Juli 1874, acht Tage vor dem Kissinger Attentat, an den Grafen Herbert Bismarck, worin er wegen des in Franken künstlich genährten Fanatismus Mitteilungen macht über den von bayrischer Seite angeregten und von ihm accep- tierten polizeilichen Schutz für den Reichskanzler. „Ich weiß genug von geheimer Polizei und den Stimmungen der katholischen Pfaffen, um Kissingen nicht für ab¬ solut ungefährlich zu halten, vous s,v<zi'eg,t, und segne die Kur/" Sieben Tage später begeht Kullmann den Mordversuch auf den Reichskanzler. Wer den ver¬ ewigten Minister von Bülow in jenen Tagen gesehen hat, wird die Erinnerung an seine tiefe Bewegung und Entrüstung bewahrt haben. Wegen der Drohungen, ja direkter Todesdrohungen, die damals in der ultramontanen Presse, namentlich der belgischen, erschienen, hatte er schon seit längerer Zeit eine Sammlung solcher Preßstiminen angelegt, deren Häufigkeit ihn in seinen Befürchtungen bestärkt hatte. »Derartige Hetzereien mußten unvermeidlich eines Tages wirken." Mit Worten innigster Freude bringt Bülow dann am 14. Juli in einem Schreiben an Bismarck den eignen und den Glückwunsch des Auswärtigen Amts zum Ausdruck. Für eine entsprechende Würdigung des traurigen Vorgangs in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung hatte er sofort Sorge getragen. Er selbst schreibt: „Daß sich ein Deutscher Zu dem Attentat verleiten ließ, ist ein Schandfleck in unsrer Geschichte; daß Gott ^ so lenkte, wird schließlich auch ein politisches Glück sein." Auch die spätern, im Bismarckischen Briefwechsel (Anlage zu den „Gedanken und Erinnerungen") mit¬ geteilten Briefe Bülows zeugen ebenso von einer tiefen und aufrichtigen evange¬ lischen Gesinnung wie von einer treuen und warmen Verehrung für Bismarck. Er h"t dessen Anschauungen keineswegs in allen Fällen zu teilen vermocht, aber immer wieder pflegte er hinterher zu sagen: „Der Fürst hat doch wieder Recht gehabt." As Bismarck in den letzten Jahren seines Lebens gelegentlich davon sprach, daß -Lukow unter der Last seines Amtes zusammengebrochen sei, fügte er nach ernstem Finnen hinzu: Er war mir ein sehr brauchbarer, zuverlässiger und schwer zu er¬ bender Mitarbeiter. Neben den vielen Kränzen, die Delbrücks frisches Grab berechtigterweise zieren, Grenzboten I 1903 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/509>, abgerufen am 27.07.2024.