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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der Braut von Messina

das Stück, das, wie er gehört habe, schon ausgangs Januar in Weimar auf¬
geführt sei, zur Aufführung zu überlassen, am 12. Februar sehr zustimmend
antwortete, freute sich Körner, dieser Aufgabe enthoben zu sein.

Inzwischen aber hatte man sich in Weimar entschlossen, das Stück als
Novität auch in Lauchstädt aufzuführen, und Schiller wurde gebeten, die Auf¬
führung in Leipzig -- der Konkurrenz wegen -- noch zurückzuhalten. Schiller
ging umso lieber darauf ein, als er der Überzeugung war, daß "es doch ohnehin
von Opitz schlecht exekutiert werden würde," und er entschloß sich, nun das Stück
gar uicht nach Leipzig zu schicken. Deshalb schrieb Opitz am 6. März dem
Dichter einen Mahnbrief, der am 10. Mürz bei Schiller eintraf; an demselben
Tage teilte dieser seinen Entschluß Körner mit, das Stück in Leipzig nicht auf¬
führen zu lassen. Nachdem Körner das Opitz mitgeteilt hatte, machte dieser
weiter keine Anstrengung, das Drama zu bekommen, bedauerte mir in seinem
Briefe vom 17. Juni, worin er den Empfang der beiden von Schiller aus
dem Französischen übersetzten Lustspiele (Neffe als Onkel, Der Parasit) an¬
zeigte, daß ihm die Braut von Messina vorenthalten sei. Das Publikum
durte ihm die Schuld davon auf, und er müsse "sie leider unverdienterweise,
unt mancherlei Unannehmlichkeiten verknüpft, geduldig und standhaft tragen."
Dabei erwähnte er auch eines Mißbrauchs, der mit dem Drama "von Dresden
aus" getrieben werde. Damit verhielt es sich folgendermaßen. Schiller hatte
am 14. Februar das Manuskript an Körner gesandt. Auf unerklärliche Weise
(Schiller vermutet später, "vielleicht durch einen Bedienten") war das Stück
in Dresden bekannt geworden, und Opitz war sehr ungehalten, daß das hatte
geschehn können, ehe er selbst als Regisseur vou dem Stück, das ihm doch von
Schiller versprochen war, Kenntnis erhalten Hütte, und wälzt jede Verantwortung
für einen etwaigen Mißbrauch vou sich ab. Ein solcher war nnn tatsächlich
damit getrieben worden; denn, wie Opitz am 17. Juni schrieb, ist ihm das
Drama für zwei Friedrichsdor von Dresden aus angeboten und ein dazu in
Dresden neu komponierter Trauermarsch überschickt worden. Natürlich habe
er beide Anträge abgelehnt. Daß wirklich ein solcher Mißbrauch mit Manuskripten
nicht selten war, geht auch aus einem Briefe Schillers an Goethe hervor,
worin er Goethe vorsichtshalber bittet, sich das Theaterexemplar der Braut
vou Messina ausliefern zu lassen. "Ich weiß, daß hier Jagd darauf gemacht
wird, und die Anzeigemacher könnten desselben benötigt sein."

An eine Aufführung in Dresden wurde vorläufig uicht gedacht. Das
geschah erst, als -- wohl mit dem Jahre 1803 -- ein Wechsel in der Ober¬
leitung des Dresdner und des Leipziger Theaters stattgefunden hatte i an
Stelle des Freiherrn von Racknitz war Graf Vitzthum "Direktor der Ver¬
gnügungen" geworden. Ob Schiller diesem nun das Versprechen gegeben hat,
ihm die Braut vou Messina doch noch zur Aufführung in Dresden zu über¬
lassen, oder ob dieser an das einst Opitz gegebne Versprechen anknüpfte, wenn
er Körner bat, Schiller daran zu erinnern, kann man nicht feststellen, da kein
Brief Schillers um Vitzthum vorhanden und ebensowenig in seinem Kalender
eine Notiz dazu zu finden ist. Körner entledigte sich seines Auftrags am
l>, Oktober, redet Schiller zu, nnn die Braut von Messina den Dresdnern


Grenzboten I 1908 ?.K
Zur Geschichte der Braut von Messina

das Stück, das, wie er gehört habe, schon ausgangs Januar in Weimar auf¬
geführt sei, zur Aufführung zu überlassen, am 12. Februar sehr zustimmend
antwortete, freute sich Körner, dieser Aufgabe enthoben zu sein.

Inzwischen aber hatte man sich in Weimar entschlossen, das Stück als
Novität auch in Lauchstädt aufzuführen, und Schiller wurde gebeten, die Auf¬
führung in Leipzig — der Konkurrenz wegen — noch zurückzuhalten. Schiller
ging umso lieber darauf ein, als er der Überzeugung war, daß „es doch ohnehin
von Opitz schlecht exekutiert werden würde," und er entschloß sich, nun das Stück
gar uicht nach Leipzig zu schicken. Deshalb schrieb Opitz am 6. März dem
Dichter einen Mahnbrief, der am 10. Mürz bei Schiller eintraf; an demselben
Tage teilte dieser seinen Entschluß Körner mit, das Stück in Leipzig nicht auf¬
führen zu lassen. Nachdem Körner das Opitz mitgeteilt hatte, machte dieser
weiter keine Anstrengung, das Drama zu bekommen, bedauerte mir in seinem
Briefe vom 17. Juni, worin er den Empfang der beiden von Schiller aus
dem Französischen übersetzten Lustspiele (Neffe als Onkel, Der Parasit) an¬
zeigte, daß ihm die Braut von Messina vorenthalten sei. Das Publikum
durte ihm die Schuld davon auf, und er müsse „sie leider unverdienterweise,
unt mancherlei Unannehmlichkeiten verknüpft, geduldig und standhaft tragen."
Dabei erwähnte er auch eines Mißbrauchs, der mit dem Drama „von Dresden
aus" getrieben werde. Damit verhielt es sich folgendermaßen. Schiller hatte
am 14. Februar das Manuskript an Körner gesandt. Auf unerklärliche Weise
(Schiller vermutet später, „vielleicht durch einen Bedienten") war das Stück
in Dresden bekannt geworden, und Opitz war sehr ungehalten, daß das hatte
geschehn können, ehe er selbst als Regisseur vou dem Stück, das ihm doch von
Schiller versprochen war, Kenntnis erhalten Hütte, und wälzt jede Verantwortung
für einen etwaigen Mißbrauch vou sich ab. Ein solcher war nnn tatsächlich
damit getrieben worden; denn, wie Opitz am 17. Juni schrieb, ist ihm das
Drama für zwei Friedrichsdor von Dresden aus angeboten und ein dazu in
Dresden neu komponierter Trauermarsch überschickt worden. Natürlich habe
er beide Anträge abgelehnt. Daß wirklich ein solcher Mißbrauch mit Manuskripten
nicht selten war, geht auch aus einem Briefe Schillers an Goethe hervor,
worin er Goethe vorsichtshalber bittet, sich das Theaterexemplar der Braut
vou Messina ausliefern zu lassen. „Ich weiß, daß hier Jagd darauf gemacht
wird, und die Anzeigemacher könnten desselben benötigt sein."

An eine Aufführung in Dresden wurde vorläufig uicht gedacht. Das
geschah erst, als — wohl mit dem Jahre 1803 — ein Wechsel in der Ober¬
leitung des Dresdner und des Leipziger Theaters stattgefunden hatte i an
Stelle des Freiherrn von Racknitz war Graf Vitzthum „Direktor der Ver¬
gnügungen" geworden. Ob Schiller diesem nun das Versprechen gegeben hat,
ihm die Braut vou Messina doch noch zur Aufführung in Dresden zu über¬
lassen, oder ob dieser an das einst Opitz gegebne Versprechen anknüpfte, wenn
er Körner bat, Schiller daran zu erinnern, kann man nicht feststellen, da kein
Brief Schillers um Vitzthum vorhanden und ebensowenig in seinem Kalender
eine Notiz dazu zu finden ist. Körner entledigte sich seines Auftrags am
l>, Oktober, redet Schiller zu, nnn die Braut von Messina den Dresdnern


Grenzboten I 1908 ?.K
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/285>, abgerufen am 24.11.2024.