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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Die Ausbildung der höher" verwaltnngsbeamten in Preußen und andres

Osten selbst gut, sogar sehr gut ging. Und diese gute Zeit dauerte Jahr¬
zehnte. Weshalb hat man diese Zeit nicht benutzt, z. B. das Chausseenetz aus¬
zubauen? Weshalb hat man vielmehr mit den Chausseebauten im Osten in
größerm Umfang erst begonnen, nachdem in den Dotationsgesetzen der siebziger
Jahre von oben herab der Anstoß gegeben worden war, d. h. nachdem die
gute Zeit der Landwirtschaft angefangen hatte, zur Neige zu gehn? Weil die
Führer, die Landräte, versagten. Und daraus kann man den Herren auch
gar keinen Vorwurf macheu. Wer nichts andres kennt als seine Heimat, dem
fehlt eben die Möglichkeit, Vergleiche zu ziehn und von andern zu lernen.

Die Landräte nach den: Vorschlage des Herrn von Zedlitz würden nun
freilich nicht alle angesessen sondern Berufsbeamte sein, die schon etwas andres
gesehen haben. Aber ich fürchte doch sehr, daß sie bei der Aussicht, ihr Leben
in ihrem Kreise verbringen zu müssen, schließlich und zwar vielleicht recht bald
mit ihrem Kreise eben zu sehr verwachsen würden. Ich halte das für gefähr¬
licher als eiuen etwas raschem Wechsel in der Besetzung der Landratsämter,
zumal da so einer größer" Anzahl Beamten der höhern Behörden Gelegenheit
gegeben wird, in der praktischen Verwaltung selbständig tätig zu sein. Die
Hauptsache ist, daß diese Landräte gut ausgebildet und praktische Leute sind
und genau wissen, wie die Verwaltungsmaschine auf das Publikum wirkt, und
so vor der Versuchung geschützt sind, sich vor allem als "schneidige" Beamte zu
zeigen. Alle diese Voraussetzungen werden die nach meinen Vorschlägen aus¬
gebildeten Verwaltungsbeamten erfüllen. --

Ich bin zu Ende. Es ist mir nicht leicht geworden, diese Zeilen hinauf¬
zusenden. Man muß in solchen Füllen zu viele bloße Behauptungen aus¬
sprechen, weil Beweise aus naheliegenden Gründen in der Öffentlichkeit nicht
gegeben werden können. Ich hoffe aber, daß mich die meiner Leser, für
die ich zunächst geschrieben habe, auch ohne nähere Hinweise versteh" werden.
Anderseits kann ich versichern, daß mich nur die glühende Liebe zu meinem
Beruf und nicht irgend eine Nebenabsicht geleitet hat. Namentlich bemerke
ich ausdrücklich, daß ich persönlich keinen Grund habe, xrc> ckoino zu sprechen.
Die Herren Juristen unter meinen Lesern bitte ich, sich einmal, wenn auch nur
im stillen Kämmerlein, ehrlich und offen die Frage zu beantworten, was sie
tun würden, wenn es sich darum handelte, ihrem Minister die Ermächtigung
zu erteilen, Negierungsassessoren ohne weiteres die Befähigung zum Richter¬
amte zu verleihen, also fast drei Jahre Arbeit durch ein Stück Papier mit
Tinte darauf zu ersetzen. Ich glaube, sie werden dann den Stein, den sie
vielleicht im Begriffe waren, auf mich zu werfen, wieder fallen lassen. Die
sachliche Berechtigung, meine Stimme in dieser Angelegenheit zu erheben, gründe
ich darauf, daß ich die Vorzüge und die Mängel der jetzigen Ausbildung und
des Verwaltungsdienstes in den verschiedensten Stellungen habe beobachten
können, was nicht von allen Verwaltungsbeamten gilt, die sich bisher haben
hören lassen.




Die Ausbildung der höher» verwaltnngsbeamten in Preußen und andres

Osten selbst gut, sogar sehr gut ging. Und diese gute Zeit dauerte Jahr¬
zehnte. Weshalb hat man diese Zeit nicht benutzt, z. B. das Chausseenetz aus¬
zubauen? Weshalb hat man vielmehr mit den Chausseebauten im Osten in
größerm Umfang erst begonnen, nachdem in den Dotationsgesetzen der siebziger
Jahre von oben herab der Anstoß gegeben worden war, d. h. nachdem die
gute Zeit der Landwirtschaft angefangen hatte, zur Neige zu gehn? Weil die
Führer, die Landräte, versagten. Und daraus kann man den Herren auch
gar keinen Vorwurf macheu. Wer nichts andres kennt als seine Heimat, dem
fehlt eben die Möglichkeit, Vergleiche zu ziehn und von andern zu lernen.

Die Landräte nach den: Vorschlage des Herrn von Zedlitz würden nun
freilich nicht alle angesessen sondern Berufsbeamte sein, die schon etwas andres
gesehen haben. Aber ich fürchte doch sehr, daß sie bei der Aussicht, ihr Leben
in ihrem Kreise verbringen zu müssen, schließlich und zwar vielleicht recht bald
mit ihrem Kreise eben zu sehr verwachsen würden. Ich halte das für gefähr¬
licher als eiuen etwas raschem Wechsel in der Besetzung der Landratsämter,
zumal da so einer größer» Anzahl Beamten der höhern Behörden Gelegenheit
gegeben wird, in der praktischen Verwaltung selbständig tätig zu sein. Die
Hauptsache ist, daß diese Landräte gut ausgebildet und praktische Leute sind
und genau wissen, wie die Verwaltungsmaschine auf das Publikum wirkt, und
so vor der Versuchung geschützt sind, sich vor allem als „schneidige" Beamte zu
zeigen. Alle diese Voraussetzungen werden die nach meinen Vorschlägen aus¬
gebildeten Verwaltungsbeamten erfüllen. —

Ich bin zu Ende. Es ist mir nicht leicht geworden, diese Zeilen hinauf¬
zusenden. Man muß in solchen Füllen zu viele bloße Behauptungen aus¬
sprechen, weil Beweise aus naheliegenden Gründen in der Öffentlichkeit nicht
gegeben werden können. Ich hoffe aber, daß mich die meiner Leser, für
die ich zunächst geschrieben habe, auch ohne nähere Hinweise versteh« werden.
Anderseits kann ich versichern, daß mich nur die glühende Liebe zu meinem
Beruf und nicht irgend eine Nebenabsicht geleitet hat. Namentlich bemerke
ich ausdrücklich, daß ich persönlich keinen Grund habe, xrc> ckoino zu sprechen.
Die Herren Juristen unter meinen Lesern bitte ich, sich einmal, wenn auch nur
im stillen Kämmerlein, ehrlich und offen die Frage zu beantworten, was sie
tun würden, wenn es sich darum handelte, ihrem Minister die Ermächtigung
zu erteilen, Negierungsassessoren ohne weiteres die Befähigung zum Richter¬
amte zu verleihen, also fast drei Jahre Arbeit durch ein Stück Papier mit
Tinte darauf zu ersetzen. Ich glaube, sie werden dann den Stein, den sie
vielleicht im Begriffe waren, auf mich zu werfen, wieder fallen lassen. Die
sachliche Berechtigung, meine Stimme in dieser Angelegenheit zu erheben, gründe
ich darauf, daß ich die Vorzüge und die Mängel der jetzigen Ausbildung und
des Verwaltungsdienstes in den verschiedensten Stellungen habe beobachten
können, was nicht von allen Verwaltungsbeamten gilt, die sich bisher haben
hören lassen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/280>, abgerufen am 01.09.2024.