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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Feuer!

zum Fenerwehrdepot zu gelangen, das in unserm Stadtteil in der Nähe der
Brücke war.

Dort gab es lauter Hast und Getümmel. Pferde stampften. Menschen
"vetterten und fluchten. Fackeln beleuchteten blutigrot das belebte Bild und spiegelten
sich in den blanken Messiughelmen der Steigermanuschaft. Eine Spritze fuhr eben
donnernd aus der Pforte des Depots zur Brücke. Vor ihr her jagten zwei reitende
Leute mit Fackeln in den Händen. Hinter ihr rasselten die zu ihr gehörigen Tonnen.
Kaum hatte ich deu Hof betreten, als ich mich an die Wand drücken mußte, denn
eben setzte sich noch eine Spritze in Bewegung, wieder gefolgt von zwei Tonnen.

Euer Wohlgeboren, sagte ein Schutzmann, indem er mit der Hand an der
Mütze auf mich zutrat, belieben Sie nie sich an diese Wand zu stellen. Hier sind
schon früher Leute zerquetscht worden. Gut, daß es nicht die Spritze Nummer eins
war, mit der der Brandmeister selbst fährt. Die rast hinaus wie der Teufel, sodaß
sie manchmal ein Stück Mauer mitreißt.

Wieviele Spritzen haben wir?

Vier sind schon fort. Die fünfte bleibt bespannt als Reserve zurück. Jetzt
kommen nur noch die Leiterwagen mit den Steigern.

Zwei lange Gefährte mit je drei Pferden bespannt erschienen in diesem Augen¬
blick zugleich aus zwei geöffneten Toren eines großen Schuppens. Auf ihnen stund
je ein Dutzend behelmter Leute, nnter deren Füßen längere und kürzere Leitern
und Haken zu sehen waren. Beide Dreigespanne setzten sich sofort in Galopp und
suchten einander den Weg abzulaufen und zuerst die Pforte zu erreichen. Ich sprang
entsetzt zur Seite, denn der mir nähere Wagen bog plötzlich auf mich zu. Der die
Pferde lenkende Mann machte eine ungeheure Anstrengung und brachte die Tiere
dicht um der Wand zum Stehen, während der andre Wagen unter jubelnden Hurra
seiner Bemannung mit unglaublichem Gepolter und Geklirr durch die Pforte flog.

Teufel! sagte auf dem zurückgebliebnen Wagen zu dem Pferdelenker ein junger
Mann mit einem vollen roten Gesicht, das lachend unter einer Polizeimütze hervor¬
guckte, dn hast uns blamiert. Wir sind richtig die letzten.

Tut nichts, Euer Wohlgeboren, antwortete der Maun, indem er die Pferde
zurückriß, um sie zur Pforte zu wenden. Das folgende mal wollen wir die Sache
einholen.

Springen Sie auf, Kollege, rief der mit der Polizeimütze mir zu, als er mich
bei dem Fackelschein erblickte.

Ich sah ihn an. Das war jedenfalls der meiner Kollegen, der trank, und den
der Aufseher ganz zur Feuerwehr kommandiert hatte.

Sie sind doch der neue Gehilfe? rief er wieder, als ich nicht sogleich Folge
leistete. Springen Sie auf. Der Polizeimeister ist wild wie ein Satan, wenn er
bemerkt, daß jemand zu spät ankommt.

Da waren die Pferde aber schon in Schuß geraten und jagten durch die
Pforte, daß die Enden der Leitern und Haken hinter dem Gefährt wie Rohrhalme
schwankten.

Schade, daß Sie nicht beliebt haben aufzusteigen, Euer Wohlgeboren, sagte der
Schutzmann, indem er sich wieder an mich wandte. Sie werden jetzt schwerlich
einen Fuhrmann finden, und bis Sie zu Fuß hinkommen, ist der Polizeimeister
schon lange da.

Müssen denn alle bet jedem Feuer sein?

Das steht außer Zweifel, Euer Wohlgeboren. So verlangt es der Polizei-
Meister.

Auf der Straße blieb ich zweifelvoll stehn. Wie dumm, daß ich deu Auf¬
seher nicht um genaue Verhaltungsregeln gebeten hatte! Diese unangenehme Un¬
gewißheit war aber wieder nur die Folge davon, daß ich den Nachmittag bei Burin
zugebracht hatte, statt in das Stadtteilhans zu gehn, wo ich von Jemeljan Afcmas-
jewitsch über alles aufgeklärt worden wäre. Ich mußte jetzt gute Miene zum


Feuer!

zum Fenerwehrdepot zu gelangen, das in unserm Stadtteil in der Nähe der
Brücke war.

Dort gab es lauter Hast und Getümmel. Pferde stampften. Menschen
»vetterten und fluchten. Fackeln beleuchteten blutigrot das belebte Bild und spiegelten
sich in den blanken Messiughelmen der Steigermanuschaft. Eine Spritze fuhr eben
donnernd aus der Pforte des Depots zur Brücke. Vor ihr her jagten zwei reitende
Leute mit Fackeln in den Händen. Hinter ihr rasselten die zu ihr gehörigen Tonnen.
Kaum hatte ich deu Hof betreten, als ich mich an die Wand drücken mußte, denn
eben setzte sich noch eine Spritze in Bewegung, wieder gefolgt von zwei Tonnen.

Euer Wohlgeboren, sagte ein Schutzmann, indem er mit der Hand an der
Mütze auf mich zutrat, belieben Sie nie sich an diese Wand zu stellen. Hier sind
schon früher Leute zerquetscht worden. Gut, daß es nicht die Spritze Nummer eins
war, mit der der Brandmeister selbst fährt. Die rast hinaus wie der Teufel, sodaß
sie manchmal ein Stück Mauer mitreißt.

Wieviele Spritzen haben wir?

Vier sind schon fort. Die fünfte bleibt bespannt als Reserve zurück. Jetzt
kommen nur noch die Leiterwagen mit den Steigern.

Zwei lange Gefährte mit je drei Pferden bespannt erschienen in diesem Augen¬
blick zugleich aus zwei geöffneten Toren eines großen Schuppens. Auf ihnen stund
je ein Dutzend behelmter Leute, nnter deren Füßen längere und kürzere Leitern
und Haken zu sehen waren. Beide Dreigespanne setzten sich sofort in Galopp und
suchten einander den Weg abzulaufen und zuerst die Pforte zu erreichen. Ich sprang
entsetzt zur Seite, denn der mir nähere Wagen bog plötzlich auf mich zu. Der die
Pferde lenkende Mann machte eine ungeheure Anstrengung und brachte die Tiere
dicht um der Wand zum Stehen, während der andre Wagen unter jubelnden Hurra
seiner Bemannung mit unglaublichem Gepolter und Geklirr durch die Pforte flog.

Teufel! sagte auf dem zurückgebliebnen Wagen zu dem Pferdelenker ein junger
Mann mit einem vollen roten Gesicht, das lachend unter einer Polizeimütze hervor¬
guckte, dn hast uns blamiert. Wir sind richtig die letzten.

Tut nichts, Euer Wohlgeboren, antwortete der Maun, indem er die Pferde
zurückriß, um sie zur Pforte zu wenden. Das folgende mal wollen wir die Sache
einholen.

Springen Sie auf, Kollege, rief der mit der Polizeimütze mir zu, als er mich
bei dem Fackelschein erblickte.

Ich sah ihn an. Das war jedenfalls der meiner Kollegen, der trank, und den
der Aufseher ganz zur Feuerwehr kommandiert hatte.

Sie sind doch der neue Gehilfe? rief er wieder, als ich nicht sogleich Folge
leistete. Springen Sie auf. Der Polizeimeister ist wild wie ein Satan, wenn er
bemerkt, daß jemand zu spät ankommt.

Da waren die Pferde aber schon in Schuß geraten und jagten durch die
Pforte, daß die Enden der Leitern und Haken hinter dem Gefährt wie Rohrhalme
schwankten.

Schade, daß Sie nicht beliebt haben aufzusteigen, Euer Wohlgeboren, sagte der
Schutzmann, indem er sich wieder an mich wandte. Sie werden jetzt schwerlich
einen Fuhrmann finden, und bis Sie zu Fuß hinkommen, ist der Polizeimeister
schon lange da.

Müssen denn alle bet jedem Feuer sein?

Das steht außer Zweifel, Euer Wohlgeboren. So verlangt es der Polizei-
Meister.

Auf der Straße blieb ich zweifelvoll stehn. Wie dumm, daß ich deu Auf¬
seher nicht um genaue Verhaltungsregeln gebeten hatte! Diese unangenehme Un¬
gewißheit war aber wieder nur die Folge davon, daß ich den Nachmittag bei Burin
zugebracht hatte, statt in das Stadtteilhans zu gehn, wo ich von Jemeljan Afcmas-
jewitsch über alles aufgeklärt worden wäre. Ich mußte jetzt gute Miene zum


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[0238] Feuer! zum Fenerwehrdepot zu gelangen, das in unserm Stadtteil in der Nähe der Brücke war. Dort gab es lauter Hast und Getümmel. Pferde stampften. Menschen »vetterten und fluchten. Fackeln beleuchteten blutigrot das belebte Bild und spiegelten sich in den blanken Messiughelmen der Steigermanuschaft. Eine Spritze fuhr eben donnernd aus der Pforte des Depots zur Brücke. Vor ihr her jagten zwei reitende Leute mit Fackeln in den Händen. Hinter ihr rasselten die zu ihr gehörigen Tonnen. Kaum hatte ich deu Hof betreten, als ich mich an die Wand drücken mußte, denn eben setzte sich noch eine Spritze in Bewegung, wieder gefolgt von zwei Tonnen. Euer Wohlgeboren, sagte ein Schutzmann, indem er mit der Hand an der Mütze auf mich zutrat, belieben Sie nie sich an diese Wand zu stellen. Hier sind schon früher Leute zerquetscht worden. Gut, daß es nicht die Spritze Nummer eins war, mit der der Brandmeister selbst fährt. Die rast hinaus wie der Teufel, sodaß sie manchmal ein Stück Mauer mitreißt. Wieviele Spritzen haben wir? Vier sind schon fort. Die fünfte bleibt bespannt als Reserve zurück. Jetzt kommen nur noch die Leiterwagen mit den Steigern. Zwei lange Gefährte mit je drei Pferden bespannt erschienen in diesem Augen¬ blick zugleich aus zwei geöffneten Toren eines großen Schuppens. Auf ihnen stund je ein Dutzend behelmter Leute, nnter deren Füßen längere und kürzere Leitern und Haken zu sehen waren. Beide Dreigespanne setzten sich sofort in Galopp und suchten einander den Weg abzulaufen und zuerst die Pforte zu erreichen. Ich sprang entsetzt zur Seite, denn der mir nähere Wagen bog plötzlich auf mich zu. Der die Pferde lenkende Mann machte eine ungeheure Anstrengung und brachte die Tiere dicht um der Wand zum Stehen, während der andre Wagen unter jubelnden Hurra seiner Bemannung mit unglaublichem Gepolter und Geklirr durch die Pforte flog. Teufel! sagte auf dem zurückgebliebnen Wagen zu dem Pferdelenker ein junger Mann mit einem vollen roten Gesicht, das lachend unter einer Polizeimütze hervor¬ guckte, dn hast uns blamiert. Wir sind richtig die letzten. Tut nichts, Euer Wohlgeboren, antwortete der Maun, indem er die Pferde zurückriß, um sie zur Pforte zu wenden. Das folgende mal wollen wir die Sache einholen. Springen Sie auf, Kollege, rief der mit der Polizeimütze mir zu, als er mich bei dem Fackelschein erblickte. Ich sah ihn an. Das war jedenfalls der meiner Kollegen, der trank, und den der Aufseher ganz zur Feuerwehr kommandiert hatte. Sie sind doch der neue Gehilfe? rief er wieder, als ich nicht sogleich Folge leistete. Springen Sie auf. Der Polizeimeister ist wild wie ein Satan, wenn er bemerkt, daß jemand zu spät ankommt. Da waren die Pferde aber schon in Schuß geraten und jagten durch die Pforte, daß die Enden der Leitern und Haken hinter dem Gefährt wie Rohrhalme schwankten. Schade, daß Sie nicht beliebt haben aufzusteigen, Euer Wohlgeboren, sagte der Schutzmann, indem er sich wieder an mich wandte. Sie werden jetzt schwerlich einen Fuhrmann finden, und bis Sie zu Fuß hinkommen, ist der Polizeimeister schon lange da. Müssen denn alle bet jedem Feuer sein? Das steht außer Zweifel, Euer Wohlgeboren. So verlangt es der Polizei- Meister. Auf der Straße blieb ich zweifelvoll stehn. Wie dumm, daß ich deu Auf¬ seher nicht um genaue Verhaltungsregeln gebeten hatte! Diese unangenehme Un¬ gewißheit war aber wieder nur die Folge davon, daß ich den Nachmittag bei Burin zugebracht hatte, statt in das Stadtteilhans zu gehn, wo ich von Jemeljan Afcmas- jewitsch über alles aufgeklärt worden wäre. Ich mußte jetzt gute Miene zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/238>, abgerufen am 24.11.2024.