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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der Braut von Messina

sich im Drama noch am allermeisten zutraue. Bis jetzt freilich seien seine
Kompositionen zu weitläufig und zu kühn gewesen; "aber laß mich einmal
einen simpeln Plan behandeln und darüber brüten. Einen solchen habe ich
in xstto, und damit werde ich auch debütieren. Der Menschenfeind ist mir zu
verwickelt und zu schwer, als daß ich die neue Manier sdie griechische also!s
zuerst daran versuchen könnte."

Es kann nicht geleugnet werden, daß angesichts dieser Briefsteller und nament¬
lich der letzten der Gedanke nahe liegt, daß Schiller schon damals an die Braut
von Messina gedacht habe, und es bestünde kein Zweifel, daß die Braut von
Messina gemeint sei, wenn die betreffenden Stellen nicht auch ebensogut auf
ein andres Drama paßten, mit dessen Ausarbeitung sich Schiller seit 1793
ernstlich beschäftigte: die Malteser. Auf diesen Stoff hatte ihn natürlich sein
Don Carlos gebracht; 1792 versah er die Geschichte des Malteserordens von
Vertot mit einer Vorrede, und seit 1793 wird in zahlreichen Briefen an
Körner, Goethe, Cotta n. a. immer wieder die Absicht ausgesprochen, dieses
Drama vorzunehmen. Die Malteser scheinen mir demnach gemeint zu sein,
wenn Schiller von "simpeln Plane" und "griechischer Manier" in den
erwähnten Briefen spricht. In einem Briefe an seine Frau vom 20. Sep¬
tember 1794 erklärt Schiller die Malteser für "noch einmal so leicht" als
Wallenstein, und er schreibt am 2. Oktober 1794 an Cotta, daß er bis Ostern
1795, also in sechs Monaten, mit dem Drama fertig zu sein hoffe. Ungefähr
ein Jahr später, am 5. Oktober 1795, spricht er Humboldt gegenüber sogar
die Hoffnung aus, das Drama in vier Monaten, vom Dezember bis zum
April, beenden zu können, und rühmt seinem Stoff "eine einfache heroische
Handlung und ebensolche Charaktere" nach; ja noch im November 1796 will
er die Malteser vor dem Wallenstein beenden, und Dezember 1797, wo er
mitten in der Arbeit am Wallenstein saß, hoffte er, wie er an Goethe schrieb,
im nächsten Herbste "tief in den Maltesern zu sitzen." Man sieht deutlich,
Schiller betrachtete die Malteser als einen "simpeln Plan" und eine leichte
Aufgabe; dazu wollte er sie auch in "griechischer Manier" ausführen, denn
am 5. Oktober 1795 schrieb er an Körner, daß er in der Tragödie: Die Ritter
von Malta "einen Gebrauch von dem Chor zu machen gedenke, der die Idee
des Trauerspiels erweitern könne."

Daß zwischen den ersten flüchtigen Gedanken an die Malteser und dem
Anfang der Ausarbeitung so lange Zeit verstrichen ist, liegt an veränderten
äußern und innern Verhältnissen: an häufigen Krankheitsanfällen, an den
Arbeiten für seinen neuen Beruf und dem Studium Kants, d. h. darin, daß
sich Schiller fast gänzlich von der Poesie abwendet. Die dichterischen Neigungen
beginnen erst allmählich seit dem Jahre 1793 wieder zu erwachen. Das
Äußerste, was man demnach wird sagen können, ist, daß Schiller während
seines Rudolstädter Aufenthalts, angeregt durch seine allein und mit den
Schwestern Lcngefeld gemeinsam bctriebncn griechischen Studien, den Plan
faßte, ein Drama in griechischer Manier zu schreiben oder einen schon ins
Auge gefaßten Stoff in griechischer Manier auszuführen. Vielleicht hat ihm
die Beschäftigung mit den Phönissen und die Übersetzung dieses Dramas das


Zur Geschichte der Braut von Messina

sich im Drama noch am allermeisten zutraue. Bis jetzt freilich seien seine
Kompositionen zu weitläufig und zu kühn gewesen; „aber laß mich einmal
einen simpeln Plan behandeln und darüber brüten. Einen solchen habe ich
in xstto, und damit werde ich auch debütieren. Der Menschenfeind ist mir zu
verwickelt und zu schwer, als daß ich die neue Manier sdie griechische also!s
zuerst daran versuchen könnte."

Es kann nicht geleugnet werden, daß angesichts dieser Briefsteller und nament¬
lich der letzten der Gedanke nahe liegt, daß Schiller schon damals an die Braut
von Messina gedacht habe, und es bestünde kein Zweifel, daß die Braut von
Messina gemeint sei, wenn die betreffenden Stellen nicht auch ebensogut auf
ein andres Drama paßten, mit dessen Ausarbeitung sich Schiller seit 1793
ernstlich beschäftigte: die Malteser. Auf diesen Stoff hatte ihn natürlich sein
Don Carlos gebracht; 1792 versah er die Geschichte des Malteserordens von
Vertot mit einer Vorrede, und seit 1793 wird in zahlreichen Briefen an
Körner, Goethe, Cotta n. a. immer wieder die Absicht ausgesprochen, dieses
Drama vorzunehmen. Die Malteser scheinen mir demnach gemeint zu sein,
wenn Schiller von „simpeln Plane" und „griechischer Manier" in den
erwähnten Briefen spricht. In einem Briefe an seine Frau vom 20. Sep¬
tember 1794 erklärt Schiller die Malteser für „noch einmal so leicht" als
Wallenstein, und er schreibt am 2. Oktober 1794 an Cotta, daß er bis Ostern
1795, also in sechs Monaten, mit dem Drama fertig zu sein hoffe. Ungefähr
ein Jahr später, am 5. Oktober 1795, spricht er Humboldt gegenüber sogar
die Hoffnung aus, das Drama in vier Monaten, vom Dezember bis zum
April, beenden zu können, und rühmt seinem Stoff „eine einfache heroische
Handlung und ebensolche Charaktere" nach; ja noch im November 1796 will
er die Malteser vor dem Wallenstein beenden, und Dezember 1797, wo er
mitten in der Arbeit am Wallenstein saß, hoffte er, wie er an Goethe schrieb,
im nächsten Herbste „tief in den Maltesern zu sitzen." Man sieht deutlich,
Schiller betrachtete die Malteser als einen „simpeln Plan" und eine leichte
Aufgabe; dazu wollte er sie auch in „griechischer Manier" ausführen, denn
am 5. Oktober 1795 schrieb er an Körner, daß er in der Tragödie: Die Ritter
von Malta „einen Gebrauch von dem Chor zu machen gedenke, der die Idee
des Trauerspiels erweitern könne."

Daß zwischen den ersten flüchtigen Gedanken an die Malteser und dem
Anfang der Ausarbeitung so lange Zeit verstrichen ist, liegt an veränderten
äußern und innern Verhältnissen: an häufigen Krankheitsanfällen, an den
Arbeiten für seinen neuen Beruf und dem Studium Kants, d. h. darin, daß
sich Schiller fast gänzlich von der Poesie abwendet. Die dichterischen Neigungen
beginnen erst allmählich seit dem Jahre 1793 wieder zu erwachen. Das
Äußerste, was man demnach wird sagen können, ist, daß Schiller während
seines Rudolstädter Aufenthalts, angeregt durch seine allein und mit den
Schwestern Lcngefeld gemeinsam bctriebncn griechischen Studien, den Plan
faßte, ein Drama in griechischer Manier zu schreiben oder einen schon ins
Auge gefaßten Stoff in griechischer Manier auszuführen. Vielleicht hat ihm
die Beschäftigung mit den Phönissen und die Übersetzung dieses Dramas das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/222>, abgerufen am 27.11.2024.