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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Marokko

der Sitz der Diplomatie; ein Drittel der Bevölkerung besteht aus Mauren, ein
Drittel aus Juden und ein Drittel aus Europäern. Rabat ist wiederum eine
hervorragende Araberstadt und hat eine gebildete und wohlhabende Bevölkerung.
In Casabianca, Mazagcm und Saffi haben die Europäer die Führung, während
die Hauptmenge der Bevölkerung ans Marokkanern niedrer Klassen besteht.
Asimur ist eine heilige Araberstadt ohne Verkehr. Mogador kann man die Hoch¬
burg des marokkanischen Judentums nennen; dieses hat hier früher unbedingt
vorgeherrscht, auch heute hat es uoch deu Innenhandel ganz in den Händen,
während es im Handel mit Europa durch die europäischen Firmen in den
Hintergrund gedrängt worden ist. Die Juden macheu hier die Hälfte der Be¬
völkerung aus, aber gegen frühere Zeiten ist ihr Besitz stark zurückgegangen.
Auch Fes, die Hauptstadt des Nordens, und Marrakesch, die Hauptstadt
der Mitte, treten mehr und mehr in Beziehungen zu Europa. Fes (mit
100000 Einwohnern, davon etwa 20000 Jude") wurde gegründet von Mulai
Idris dem Zweiten um 800 n. Chr., es ist der Vorort der herrschenden Kaste und
der Mittelpunkt des Geisteslebens; es ist gut gebaut und hat eine wohlhabende
Bevölkerung. Marrakesch (mit 100000 Einwohnern, davon etwa 20000 Juden)
wurde gegründet um 1060 n. Chr. von Jussef ben Taschfin, einem Usurpator
ans der Sahara. Es ist die größte Stadt der wirtschaftlich bedeutenden Mitte;
aus seinem riesigen Umfang von zwanzig Kilometern kann man auf eine
frühere Bevölkerung von einer halben Million schließe,?. Es beherrschte in
früherer Zeit den Karawanenhandel bis Timbuktu.

Die Europäer wohnen nahezu sämtlich an der Küste, wo sie sich mehr
oder weniger die Bedingungen eiues zivilisierten Lebens geschaffen haben.
Vor allem sind sie Kaufleute, die dem Einfuhr- und dem Ausfuhrhandel und
den? kaufmännischen Betriebe der Landwirtschaft obliegen. Ferner finden wir
hier Missionare, die fast ganz ohne Erfolg bemüht sind, dem Christentum unter
den Eingebornen Boden zu bereiten; mit um so größerm Erfolge betreiben
sie die Krankenpflege und die Verbreitung einer vernünftigen Lebensweise. Als
weitere Bestandteile der europäischen Kolonien sind zu nennen die Ärzte und,
an Zahl gering, aber an Bedeutung groß, die diplomatischen, die konsularischen
und die Postbeamten. In Tanger, Casabianca und Mogador gibt es auch einen
spanischen Handwerkerstand. Die Ansiedlungen der Europäer steh?? in der Ver-
waltung und der Gerichtsbarkeit unter ihre?? Konsuln und ihren Gesandten.

An der marokkanischen Küste finden sich alle Nationen vertreten, in der
Hauptsache Deutsche, Engländer, Franzose,? und Spanier. Die Deutschen
W ?rü88, d. i. Preuße,?, während sich M ^Ismail nur allmählich einbürgert)
sind zwar an Zahl uoch nicht bedeutender als eine der übrigen Nationen, sie
sind jedoch am intensivsten tütig, und ihre Bedeutung steigt beständig. An
den an? weitesten vorgeschobne,? Vorposten, in Fes und in Marrakesch, kommen
neben ihnen andre europäische Kaufleute kaum in Betracht. Die Deutschen
sind es, die in Marokko die größte Zukunft haben, sofern fie mit den übrigen
Nationen mindestens gleichberechtigt bleiben. Der große Fehler der Liebe¬
dienerei Ausländer?? gegenüber ist ihnen fremd, und nur vereinzelt findet man
eine ungehörige Bevorzugung fremder Sprachen. In dem babylonischen


Marokko

der Sitz der Diplomatie; ein Drittel der Bevölkerung besteht aus Mauren, ein
Drittel aus Juden und ein Drittel aus Europäern. Rabat ist wiederum eine
hervorragende Araberstadt und hat eine gebildete und wohlhabende Bevölkerung.
In Casabianca, Mazagcm und Saffi haben die Europäer die Führung, während
die Hauptmenge der Bevölkerung ans Marokkanern niedrer Klassen besteht.
Asimur ist eine heilige Araberstadt ohne Verkehr. Mogador kann man die Hoch¬
burg des marokkanischen Judentums nennen; dieses hat hier früher unbedingt
vorgeherrscht, auch heute hat es uoch deu Innenhandel ganz in den Händen,
während es im Handel mit Europa durch die europäischen Firmen in den
Hintergrund gedrängt worden ist. Die Juden macheu hier die Hälfte der Be¬
völkerung aus, aber gegen frühere Zeiten ist ihr Besitz stark zurückgegangen.
Auch Fes, die Hauptstadt des Nordens, und Marrakesch, die Hauptstadt
der Mitte, treten mehr und mehr in Beziehungen zu Europa. Fes (mit
100000 Einwohnern, davon etwa 20000 Jude») wurde gegründet von Mulai
Idris dem Zweiten um 800 n. Chr., es ist der Vorort der herrschenden Kaste und
der Mittelpunkt des Geisteslebens; es ist gut gebaut und hat eine wohlhabende
Bevölkerung. Marrakesch (mit 100000 Einwohnern, davon etwa 20000 Juden)
wurde gegründet um 1060 n. Chr. von Jussef ben Taschfin, einem Usurpator
ans der Sahara. Es ist die größte Stadt der wirtschaftlich bedeutenden Mitte;
aus seinem riesigen Umfang von zwanzig Kilometern kann man auf eine
frühere Bevölkerung von einer halben Million schließe,?. Es beherrschte in
früherer Zeit den Karawanenhandel bis Timbuktu.

Die Europäer wohnen nahezu sämtlich an der Küste, wo sie sich mehr
oder weniger die Bedingungen eiues zivilisierten Lebens geschaffen haben.
Vor allem sind sie Kaufleute, die dem Einfuhr- und dem Ausfuhrhandel und
den? kaufmännischen Betriebe der Landwirtschaft obliegen. Ferner finden wir
hier Missionare, die fast ganz ohne Erfolg bemüht sind, dem Christentum unter
den Eingebornen Boden zu bereiten; mit um so größerm Erfolge betreiben
sie die Krankenpflege und die Verbreitung einer vernünftigen Lebensweise. Als
weitere Bestandteile der europäischen Kolonien sind zu nennen die Ärzte und,
an Zahl gering, aber an Bedeutung groß, die diplomatischen, die konsularischen
und die Postbeamten. In Tanger, Casabianca und Mogador gibt es auch einen
spanischen Handwerkerstand. Die Ansiedlungen der Europäer steh?? in der Ver-
waltung und der Gerichtsbarkeit unter ihre?? Konsuln und ihren Gesandten.

An der marokkanischen Küste finden sich alle Nationen vertreten, in der
Hauptsache Deutsche, Engländer, Franzose,? und Spanier. Die Deutschen
W ?rü88, d. i. Preuße,?, während sich M ^Ismail nur allmählich einbürgert)
sind zwar an Zahl uoch nicht bedeutender als eine der übrigen Nationen, sie
sind jedoch am intensivsten tütig, und ihre Bedeutung steigt beständig. An
den an? weitesten vorgeschobne,? Vorposten, in Fes und in Marrakesch, kommen
neben ihnen andre europäische Kaufleute kaum in Betracht. Die Deutschen
sind es, die in Marokko die größte Zukunft haben, sofern fie mit den übrigen
Nationen mindestens gleichberechtigt bleiben. Der große Fehler der Liebe¬
dienerei Ausländer?? gegenüber ist ihnen fremd, und nur vereinzelt findet man
eine ungehörige Bevorzugung fremder Sprachen. In dem babylonischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/206>, abgerufen am 24.11.2024.