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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Griechische Kultur in der modernen

Vielleicht seinerzeit ganz verdienstlichen, aber doch jetzt ganz und gar über¬
lebten Erscheinung hinwegzuspüleu. Hier aber fand er Widerstand; es regten
sich viele scharfe Federn, als der neue Kulturkampf das ganze Gebäude unsrer
bisherigen geistigen Bildung niederlegen wollte. Der Kampf wurde wesentlich
auf' dem Boden unsers Vaterlandes geführt, denn die Engländer und die
Amerikaner, deren klassische Bildung doch an äußerlichen Drill alles übertraf,
was die Gegner unsern klassischen Abrichtuugskünsteu nachsagten, sie dachten
gar nicht daran, ihre Schulen zu reformieren, dieselben Nationen, deren nrattsr
öl tagt-Wesen man jetzt so gern nach Deutschland übertragen hätte. Nur in
Skandinavien, im Vaterlande Ibsens und Kjellands, dessen Litteratur solchen
Einfluß auf Deutschlands Deuten und Dichten gewann, empfand man teilweise
ähnlich wie bei uns, zum deutlichen Zeichen, wie sehr diese Bewegung Teil
einer größern. elementaren gewesen ist.

<<..^^.
Diese Sturzwelle, die neben trübem Schlamm auch belebende Fluten
brachte, hat sich noch nicht ganz verlaufen. Aber die Gewässer haben sich
geklärt. Man will keine klassizistischen Dichtungen mehr, man null keine
akademischen Bilder, aber man will dein Neuen in der Litteratur und in der
Kunst Raum geben, ohne dem Alten Lebewohl zu sagen, man null das Ori¬
ginale, Gute ganz abgesehen von seiner Zeit genießen. Das ist em gesunder
Standpunkt, er wird von unzähligen geteilt; unzählige freuen sich am Modernen,
wenn es gut ist, und vertiefen sich doch in Goethe "ut lassen sich von kündigen
Interpreten in die klassische Zeit deutscher Litteratur einfuhren.

Mail redet heute so viel von bildender Kunst, man ereifert sich für und wider
mit solcher Leidenschaft, daß man bei der allgemeinen Teilnahme an die Heftigkeit
der alten Kirchenstreitigkeiten erinnert wird. Aber viel zu wenig erinnert man sich
bei dein Schlagwörterwechsel daran, daß es auch eine litterarische Kunst giebt.
Mau urteilt über Dichtungen hinweg, ohne sich der feinen Kunstgesetze. der
Kunstmittel ihres Schöpfers bewußt zu werden. Gewiß ist der Beifall eines
naiven Gemüts für deu Autor die beste Belohnung, aber die Kunst verlangt
allerwärts Studium, was der Meister unter Herzklopfen und Nachdenken er¬
schaffen hat, das sollen wir nachschaffend genießen lernen. Wir Deutschen
sind ja das Volk der edelsten Kunstkritik der Welt, Goethe und Schiller,
Lessing und Neroer sind schlagende Namen, in neuerer Zeit setzen Männer
wie V. Hehl/und E. Schmidt'unsern alten Ruhm fort. Aber woher kommt
uns diese Kunst Sie ist erwachsen aus der gründlichem Beschüftiguug mit
den antiken Poeten; als es außer Klopstock, Ramler, Gellert noch keine
eigentliche deutsche Litteratur gab, sann Lessing, geschult an seinen antiken
Klassikern, über den Aufbau, über die Grundbedingungen poetischer Erzeugnisse
"ach; er erkannte ein Kunstgeheimnis Homers, er prüfte an dieser Norm die
Neuern, und voll des Gelernten schuf der große Knnstdenker Dramen, die sich
bis heute erhalten haben. Aber man versteht sie bis ins einzelne nur, wenn
"wu auch die Muster Lessings kennt. Lessing hat sich, tapfer wie er jeder¬
zeit war. bemüht, die Kunstregeln des Aristoteles zu ergründen- Es ist ihm
'"ehe geglückt, aber geglückt ist ihm der Beweis, wie oberflächlich die Franzosen
den Aristoteles deuteten und befolgten. Gewiß, wir sind über die technologischen
"ut etwas pedantischen Anschauungen des Aristoteles von der Poesie hinaus-
gediehen, aber wir dürfen nicht vergessen, welche ungeheure Bedeutung seine
Lehre für unsre Litteratur gehabt hat.

. Wenn sich Goethe einen Nomeriden nannte, so wissen wir, wen er als
semen Meister bezeichnete. Ein wirklich künstlerisches Verständnis von
"Hermann und Dorothea" ist ohne Römer völlig unmöglich. Es soll hier
natürlich nicht geleugnet werden, daß die Frage, ob sich Goethe und besonders
Schiller in der Nachahmung der Antike nicht zuletzt doch verirrt haben, offen
bleibt; Goethe ist es ja mich schon bei seinen Lebzeiten vorgeworfen worden.


Griechische Kultur in der modernen

Vielleicht seinerzeit ganz verdienstlichen, aber doch jetzt ganz und gar über¬
lebten Erscheinung hinwegzuspüleu. Hier aber fand er Widerstand; es regten
sich viele scharfe Federn, als der neue Kulturkampf das ganze Gebäude unsrer
bisherigen geistigen Bildung niederlegen wollte. Der Kampf wurde wesentlich
auf' dem Boden unsers Vaterlandes geführt, denn die Engländer und die
Amerikaner, deren klassische Bildung doch an äußerlichen Drill alles übertraf,
was die Gegner unsern klassischen Abrichtuugskünsteu nachsagten, sie dachten
gar nicht daran, ihre Schulen zu reformieren, dieselben Nationen, deren nrattsr
öl tagt-Wesen man jetzt so gern nach Deutschland übertragen hätte. Nur in
Skandinavien, im Vaterlande Ibsens und Kjellands, dessen Litteratur solchen
Einfluß auf Deutschlands Deuten und Dichten gewann, empfand man teilweise
ähnlich wie bei uns, zum deutlichen Zeichen, wie sehr diese Bewegung Teil
einer größern. elementaren gewesen ist.

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Diese Sturzwelle, die neben trübem Schlamm auch belebende Fluten
brachte, hat sich noch nicht ganz verlaufen. Aber die Gewässer haben sich
geklärt. Man will keine klassizistischen Dichtungen mehr, man null keine
akademischen Bilder, aber man will dein Neuen in der Litteratur und in der
Kunst Raum geben, ohne dem Alten Lebewohl zu sagen, man null das Ori¬
ginale, Gute ganz abgesehen von seiner Zeit genießen. Das ist em gesunder
Standpunkt, er wird von unzähligen geteilt; unzählige freuen sich am Modernen,
wenn es gut ist, und vertiefen sich doch in Goethe »ut lassen sich von kündigen
Interpreten in die klassische Zeit deutscher Litteratur einfuhren.

Mail redet heute so viel von bildender Kunst, man ereifert sich für und wider
mit solcher Leidenschaft, daß man bei der allgemeinen Teilnahme an die Heftigkeit
der alten Kirchenstreitigkeiten erinnert wird. Aber viel zu wenig erinnert man sich
bei dein Schlagwörterwechsel daran, daß es auch eine litterarische Kunst giebt.
Mau urteilt über Dichtungen hinweg, ohne sich der feinen Kunstgesetze. der
Kunstmittel ihres Schöpfers bewußt zu werden. Gewiß ist der Beifall eines
naiven Gemüts für deu Autor die beste Belohnung, aber die Kunst verlangt
allerwärts Studium, was der Meister unter Herzklopfen und Nachdenken er¬
schaffen hat, das sollen wir nachschaffend genießen lernen. Wir Deutschen
sind ja das Volk der edelsten Kunstkritik der Welt, Goethe und Schiller,
Lessing und Neroer sind schlagende Namen, in neuerer Zeit setzen Männer
wie V. Hehl/und E. Schmidt'unsern alten Ruhm fort. Aber woher kommt
uns diese Kunst Sie ist erwachsen aus der gründlichem Beschüftiguug mit
den antiken Poeten; als es außer Klopstock, Ramler, Gellert noch keine
eigentliche deutsche Litteratur gab, sann Lessing, geschult an seinen antiken
Klassikern, über den Aufbau, über die Grundbedingungen poetischer Erzeugnisse
«ach; er erkannte ein Kunstgeheimnis Homers, er prüfte an dieser Norm die
Neuern, und voll des Gelernten schuf der große Knnstdenker Dramen, die sich
bis heute erhalten haben. Aber man versteht sie bis ins einzelne nur, wenn
"wu auch die Muster Lessings kennt. Lessing hat sich, tapfer wie er jeder¬
zeit war. bemüht, die Kunstregeln des Aristoteles zu ergründen- Es ist ihm
'"ehe geglückt, aber geglückt ist ihm der Beweis, wie oberflächlich die Franzosen
den Aristoteles deuteten und befolgten. Gewiß, wir sind über die technologischen
"ut etwas pedantischen Anschauungen des Aristoteles von der Poesie hinaus-
gediehen, aber wir dürfen nicht vergessen, welche ungeheure Bedeutung seine
Lehre für unsre Litteratur gehabt hat.

. Wenn sich Goethe einen Nomeriden nannte, so wissen wir, wen er als
semen Meister bezeichnete. Ein wirklich künstlerisches Verständnis von
«Hermann und Dorothea" ist ohne Römer völlig unmöglich. Es soll hier
natürlich nicht geleugnet werden, daß die Frage, ob sich Goethe und besonders
Schiller in der Nachahmung der Antike nicht zuletzt doch verirrt haben, offen
bleibt; Goethe ist es ja mich schon bei seinen Lebzeiten vorgeworfen worden.


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[0733] Griechische Kultur in der modernen Vielleicht seinerzeit ganz verdienstlichen, aber doch jetzt ganz und gar über¬ lebten Erscheinung hinwegzuspüleu. Hier aber fand er Widerstand; es regten sich viele scharfe Federn, als der neue Kulturkampf das ganze Gebäude unsrer bisherigen geistigen Bildung niederlegen wollte. Der Kampf wurde wesentlich auf' dem Boden unsers Vaterlandes geführt, denn die Engländer und die Amerikaner, deren klassische Bildung doch an äußerlichen Drill alles übertraf, was die Gegner unsern klassischen Abrichtuugskünsteu nachsagten, sie dachten gar nicht daran, ihre Schulen zu reformieren, dieselben Nationen, deren nrattsr öl tagt-Wesen man jetzt so gern nach Deutschland übertragen hätte. Nur in Skandinavien, im Vaterlande Ibsens und Kjellands, dessen Litteratur solchen Einfluß auf Deutschlands Deuten und Dichten gewann, empfand man teilweise ähnlich wie bei uns, zum deutlichen Zeichen, wie sehr diese Bewegung Teil einer größern. elementaren gewesen ist. <<..^^. Diese Sturzwelle, die neben trübem Schlamm auch belebende Fluten brachte, hat sich noch nicht ganz verlaufen. Aber die Gewässer haben sich geklärt. Man will keine klassizistischen Dichtungen mehr, man null keine akademischen Bilder, aber man will dein Neuen in der Litteratur und in der Kunst Raum geben, ohne dem Alten Lebewohl zu sagen, man null das Ori¬ ginale, Gute ganz abgesehen von seiner Zeit genießen. Das ist em gesunder Standpunkt, er wird von unzähligen geteilt; unzählige freuen sich am Modernen, wenn es gut ist, und vertiefen sich doch in Goethe »ut lassen sich von kündigen Interpreten in die klassische Zeit deutscher Litteratur einfuhren. Mail redet heute so viel von bildender Kunst, man ereifert sich für und wider mit solcher Leidenschaft, daß man bei der allgemeinen Teilnahme an die Heftigkeit der alten Kirchenstreitigkeiten erinnert wird. Aber viel zu wenig erinnert man sich bei dein Schlagwörterwechsel daran, daß es auch eine litterarische Kunst giebt. Mau urteilt über Dichtungen hinweg, ohne sich der feinen Kunstgesetze. der Kunstmittel ihres Schöpfers bewußt zu werden. Gewiß ist der Beifall eines naiven Gemüts für deu Autor die beste Belohnung, aber die Kunst verlangt allerwärts Studium, was der Meister unter Herzklopfen und Nachdenken er¬ schaffen hat, das sollen wir nachschaffend genießen lernen. Wir Deutschen sind ja das Volk der edelsten Kunstkritik der Welt, Goethe und Schiller, Lessing und Neroer sind schlagende Namen, in neuerer Zeit setzen Männer wie V. Hehl/und E. Schmidt'unsern alten Ruhm fort. Aber woher kommt uns diese Kunst Sie ist erwachsen aus der gründlichem Beschüftiguug mit den antiken Poeten; als es außer Klopstock, Ramler, Gellert noch keine eigentliche deutsche Litteratur gab, sann Lessing, geschult an seinen antiken Klassikern, über den Aufbau, über die Grundbedingungen poetischer Erzeugnisse «ach; er erkannte ein Kunstgeheimnis Homers, er prüfte an dieser Norm die Neuern, und voll des Gelernten schuf der große Knnstdenker Dramen, die sich bis heute erhalten haben. Aber man versteht sie bis ins einzelne nur, wenn "wu auch die Muster Lessings kennt. Lessing hat sich, tapfer wie er jeder¬ zeit war. bemüht, die Kunstregeln des Aristoteles zu ergründen- Es ist ihm '"ehe geglückt, aber geglückt ist ihm der Beweis, wie oberflächlich die Franzosen den Aristoteles deuteten und befolgten. Gewiß, wir sind über die technologischen "ut etwas pedantischen Anschauungen des Aristoteles von der Poesie hinaus- gediehen, aber wir dürfen nicht vergessen, welche ungeheure Bedeutung seine Lehre für unsre Litteratur gehabt hat. . Wenn sich Goethe einen Nomeriden nannte, so wissen wir, wen er als semen Meister bezeichnete. Ein wirklich künstlerisches Verständnis von «Hermann und Dorothea" ist ohne Römer völlig unmöglich. Es soll hier natürlich nicht geleugnet werden, daß die Frage, ob sich Goethe und besonders Schiller in der Nachahmung der Antike nicht zuletzt doch verirrt haben, offen bleibt; Goethe ist es ja mich schon bei seinen Lebzeiten vorgeworfen worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/733>, abgerufen am 01.09.2024.