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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Der Professor, Vnkel Zinnober, Rosamunde und Ärmchen

sammelte; überirdisch schön das feine Antlitz, das sich zu ihm wandte und ihn aus
dunkeln Augen ansah.

Sprach sie zu ihm? War es ihre Stimme, die ihn mit himmlischem Wohl¬
laut umfing?

Er sank in die Kniee und breitete die Arme nach ihr aus. Ja, du bist es,
rief er mit bebenden Lippen, du bist es, die Poesie, mein Ideal! Nimm mich
mit dir! Ich weiß es, es war Thorheit, daß ich dich in dem irdischen Weibe sah.
Nur dir gehöre ich. Nun folge ich dir in deine himmlischen Gefilde.

Sie schüttelte leise das Götterhaupt, und ein mildes Lächeln verklärte ihren
Mund. Ihr leuchtender Arm erhob sich und winkte nach dem Walde. Und zu¬
gleich wurde das schöne Bild blaß und blässer, nur noch wie ein Hauch, in silbernem
Nebel zog es an ihm vorbei. Die Musik verhallte leis in der Ferne -- alles
war verschwunden. Silen und die Nymphen, Faune und Putten, Hirsche und
Hunde -- vou fern her tönten wieder leise verhallend die Klänge des Schnbertschcn
Liedes, und dann rauschten nur noch die Bäume über ihm, und drüben hinter den
fernen Hügeln tauchte die Scheibe des Mondes hinab.

Aber während er noch ganz vergessen vor sich hinschaute und langsam auf¬
stand, hub es wieder an zu klingen. Mein Gott, dachte er, ist denn alles nnr
Musik? Das ist doch wieder die Durmclodie aus der Rosamunde! Ja! Und
ste bringt Tageslicht und Sonne! Sieh, wie die Morgenröte über den Himmel
fährt! Wie es leuchtet nud blitzt im Grase. Wie es auf den Blättern funkelt,
und die Ferne sich aufthut -- ach, diese balsamische Morgenluft, und diese Flut
von Sonnengold.

Es ist merkwürdig, dachte der Professor, wie wunderbar es berührt, wenn
Schubert so geheimnisvoll mitten aus seinem sonnigsten Dur in das Moll hinüber¬
gleitet -- er legte einen Augenblick die Hand über die Augen, als wollte er ein
^vrbeigeglittenes Bild festhalten -->, und wie er dann plötzlich wieder ganz in dem
belebenden Sonnenlicht des Durs schwebt. Ja, das ist Dur! Er sah um sich,
^a, Onkel Zinnober, du verstehst es auch! Da ist ja die ganze Wonne des Sommer-
r°gs, wie du ihn gemalt hattest. Aber still, was kommt dort?

Aus den Büschen trat eine schlanke Mädchengestalt. Goldnes Haar quoll unter
ven leichten Sommerhut hervor, der auf dem feinen Köpfchen über dem hinten
"ufgebundnen dicken Zopfe saß. Der schlanke Nacken war geneigt, denn die Angen
des entzückend geschulteren Gesichts suchten auf dem Boden, und hin und wieder
beugte sich die Gestalt -- Anmut in allen Bewegungen -- nieder, um eine Blume
Pflücken. Richtete sie sich dann wieder aus und fügte das Blümlein stillstehend
Zu dem Strauße, den sie in der Hand trug, so war die ganze Gestalt Rhythmus
und Musik. Die halb geöffneten süßen Lippen, um die es wie ein horniges Lächeln floß,
>"ngen halblaut vor sich hin -- su, daher kam das süße Klingen, das den Professor
U'nwob. Wo hatte er doch dieses feiugeschnittne edle Gesicht gesehen, eben erst? Er
l^h mit atemloser Staunen auf die liebliche Gestalt. Auf einmal kam es ihm!

Ann-- rief er mit der größten Überraschung. Annchen!

Ein leiser Schrei antwortete ihm. Aber zugleich fuhr Finsternis um ihn. Es
nnr ihm wie einem, der im Traum aus einer schwindelnden Höhe herabstürzt und
n/h mit pochendem Herzen in seinem Bette wiederfindet. Wie so einer saß er da in
niet Zinnobers Sorgenstuhl, klammerte sich mit den Händen an die Armlehnen und
arrte wild aus seinen Augen. Sonnenschein und Waldesweben warm verschwunden,
' e vom Sturm verweht, die Klänge waren verstummt; es rauschte nur noch in
keinen Ohren, wie ein verschwimmender mächtiger Akkord -- nnr eins blieb hell¬
euchtend vor ihm in dem Dunkel, das war das liebliche Antlitz, das ihn mit großen
dunkeln Augen ansah.

Annchen! wiederholte er.

Sie stand wie unentschlossen in der Thür. Jetzt sah er, daß sie ein Licht in
^er einen Hand trug, das sie mit der andern beim Eintreten schützend beschattet


Der Professor, Vnkel Zinnober, Rosamunde und Ärmchen

sammelte; überirdisch schön das feine Antlitz, das sich zu ihm wandte und ihn aus
dunkeln Augen ansah.

Sprach sie zu ihm? War es ihre Stimme, die ihn mit himmlischem Wohl¬
laut umfing?

Er sank in die Kniee und breitete die Arme nach ihr aus. Ja, du bist es,
rief er mit bebenden Lippen, du bist es, die Poesie, mein Ideal! Nimm mich
mit dir! Ich weiß es, es war Thorheit, daß ich dich in dem irdischen Weibe sah.
Nur dir gehöre ich. Nun folge ich dir in deine himmlischen Gefilde.

Sie schüttelte leise das Götterhaupt, und ein mildes Lächeln verklärte ihren
Mund. Ihr leuchtender Arm erhob sich und winkte nach dem Walde. Und zu¬
gleich wurde das schöne Bild blaß und blässer, nur noch wie ein Hauch, in silbernem
Nebel zog es an ihm vorbei. Die Musik verhallte leis in der Ferne — alles
war verschwunden. Silen und die Nymphen, Faune und Putten, Hirsche und
Hunde — vou fern her tönten wieder leise verhallend die Klänge des Schnbertschcn
Liedes, und dann rauschten nur noch die Bäume über ihm, und drüben hinter den
fernen Hügeln tauchte die Scheibe des Mondes hinab.

Aber während er noch ganz vergessen vor sich hinschaute und langsam auf¬
stand, hub es wieder an zu klingen. Mein Gott, dachte er, ist denn alles nnr
Musik? Das ist doch wieder die Durmclodie aus der Rosamunde! Ja! Und
ste bringt Tageslicht und Sonne! Sieh, wie die Morgenröte über den Himmel
fährt! Wie es leuchtet nud blitzt im Grase. Wie es auf den Blättern funkelt,
und die Ferne sich aufthut — ach, diese balsamische Morgenluft, und diese Flut
von Sonnengold.

Es ist merkwürdig, dachte der Professor, wie wunderbar es berührt, wenn
Schubert so geheimnisvoll mitten aus seinem sonnigsten Dur in das Moll hinüber¬
gleitet — er legte einen Augenblick die Hand über die Augen, als wollte er ein
^vrbeigeglittenes Bild festhalten —>, und wie er dann plötzlich wieder ganz in dem
belebenden Sonnenlicht des Durs schwebt. Ja, das ist Dur! Er sah um sich,
^a, Onkel Zinnober, du verstehst es auch! Da ist ja die ganze Wonne des Sommer-
r°gs, wie du ihn gemalt hattest. Aber still, was kommt dort?

Aus den Büschen trat eine schlanke Mädchengestalt. Goldnes Haar quoll unter
ven leichten Sommerhut hervor, der auf dem feinen Köpfchen über dem hinten
"ufgebundnen dicken Zopfe saß. Der schlanke Nacken war geneigt, denn die Angen
des entzückend geschulteren Gesichts suchten auf dem Boden, und hin und wieder
beugte sich die Gestalt — Anmut in allen Bewegungen — nieder, um eine Blume
Pflücken. Richtete sie sich dann wieder aus und fügte das Blümlein stillstehend
Zu dem Strauße, den sie in der Hand trug, so war die ganze Gestalt Rhythmus
und Musik. Die halb geöffneten süßen Lippen, um die es wie ein horniges Lächeln floß,
>"ngen halblaut vor sich hin — su, daher kam das süße Klingen, das den Professor
U'nwob. Wo hatte er doch dieses feiugeschnittne edle Gesicht gesehen, eben erst? Er
l^h mit atemloser Staunen auf die liebliche Gestalt. Auf einmal kam es ihm!

Ann— rief er mit der größten Überraschung. Annchen!

Ein leiser Schrei antwortete ihm. Aber zugleich fuhr Finsternis um ihn. Es
nnr ihm wie einem, der im Traum aus einer schwindelnden Höhe herabstürzt und
n/h mit pochendem Herzen in seinem Bette wiederfindet. Wie so einer saß er da in
niet Zinnobers Sorgenstuhl, klammerte sich mit den Händen an die Armlehnen und
arrte wild aus seinen Augen. Sonnenschein und Waldesweben warm verschwunden,
' e vom Sturm verweht, die Klänge waren verstummt; es rauschte nur noch in
keinen Ohren, wie ein verschwimmender mächtiger Akkord — nnr eins blieb hell¬
euchtend vor ihm in dem Dunkel, das war das liebliche Antlitz, das ihn mit großen
dunkeln Augen ansah.

Annchen! wiederholte er.

Sie stand wie unentschlossen in der Thür. Jetzt sah er, daß sie ein Licht in
^er einen Hand trug, das sie mit der andern beim Eintreten schützend beschattet


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[0693] Der Professor, Vnkel Zinnober, Rosamunde und Ärmchen sammelte; überirdisch schön das feine Antlitz, das sich zu ihm wandte und ihn aus dunkeln Augen ansah. Sprach sie zu ihm? War es ihre Stimme, die ihn mit himmlischem Wohl¬ laut umfing? Er sank in die Kniee und breitete die Arme nach ihr aus. Ja, du bist es, rief er mit bebenden Lippen, du bist es, die Poesie, mein Ideal! Nimm mich mit dir! Ich weiß es, es war Thorheit, daß ich dich in dem irdischen Weibe sah. Nur dir gehöre ich. Nun folge ich dir in deine himmlischen Gefilde. Sie schüttelte leise das Götterhaupt, und ein mildes Lächeln verklärte ihren Mund. Ihr leuchtender Arm erhob sich und winkte nach dem Walde. Und zu¬ gleich wurde das schöne Bild blaß und blässer, nur noch wie ein Hauch, in silbernem Nebel zog es an ihm vorbei. Die Musik verhallte leis in der Ferne — alles war verschwunden. Silen und die Nymphen, Faune und Putten, Hirsche und Hunde — vou fern her tönten wieder leise verhallend die Klänge des Schnbertschcn Liedes, und dann rauschten nur noch die Bäume über ihm, und drüben hinter den fernen Hügeln tauchte die Scheibe des Mondes hinab. Aber während er noch ganz vergessen vor sich hinschaute und langsam auf¬ stand, hub es wieder an zu klingen. Mein Gott, dachte er, ist denn alles nnr Musik? Das ist doch wieder die Durmclodie aus der Rosamunde! Ja! Und ste bringt Tageslicht und Sonne! Sieh, wie die Morgenröte über den Himmel fährt! Wie es leuchtet nud blitzt im Grase. Wie es auf den Blättern funkelt, und die Ferne sich aufthut — ach, diese balsamische Morgenluft, und diese Flut von Sonnengold. Es ist merkwürdig, dachte der Professor, wie wunderbar es berührt, wenn Schubert so geheimnisvoll mitten aus seinem sonnigsten Dur in das Moll hinüber¬ gleitet — er legte einen Augenblick die Hand über die Augen, als wollte er ein ^vrbeigeglittenes Bild festhalten —>, und wie er dann plötzlich wieder ganz in dem belebenden Sonnenlicht des Durs schwebt. Ja, das ist Dur! Er sah um sich, ^a, Onkel Zinnober, du verstehst es auch! Da ist ja die ganze Wonne des Sommer- r°gs, wie du ihn gemalt hattest. Aber still, was kommt dort? Aus den Büschen trat eine schlanke Mädchengestalt. Goldnes Haar quoll unter ven leichten Sommerhut hervor, der auf dem feinen Köpfchen über dem hinten "ufgebundnen dicken Zopfe saß. Der schlanke Nacken war geneigt, denn die Angen des entzückend geschulteren Gesichts suchten auf dem Boden, und hin und wieder beugte sich die Gestalt — Anmut in allen Bewegungen — nieder, um eine Blume Pflücken. Richtete sie sich dann wieder aus und fügte das Blümlein stillstehend Zu dem Strauße, den sie in der Hand trug, so war die ganze Gestalt Rhythmus und Musik. Die halb geöffneten süßen Lippen, um die es wie ein horniges Lächeln floß, >"ngen halblaut vor sich hin — su, daher kam das süße Klingen, das den Professor U'nwob. Wo hatte er doch dieses feiugeschnittne edle Gesicht gesehen, eben erst? Er l^h mit atemloser Staunen auf die liebliche Gestalt. Auf einmal kam es ihm! Ann— rief er mit der größten Überraschung. Annchen! Ein leiser Schrei antwortete ihm. Aber zugleich fuhr Finsternis um ihn. Es nnr ihm wie einem, der im Traum aus einer schwindelnden Höhe herabstürzt und n/h mit pochendem Herzen in seinem Bette wiederfindet. Wie so einer saß er da in niet Zinnobers Sorgenstuhl, klammerte sich mit den Händen an die Armlehnen und arrte wild aus seinen Augen. Sonnenschein und Waldesweben warm verschwunden, ' e vom Sturm verweht, die Klänge waren verstummt; es rauschte nur noch in keinen Ohren, wie ein verschwimmender mächtiger Akkord — nnr eins blieb hell¬ euchtend vor ihm in dem Dunkel, das war das liebliche Antlitz, das ihn mit großen dunkeln Augen ansah. Annchen! wiederholte er. Sie stand wie unentschlossen in der Thür. Jetzt sah er, daß sie ein Licht in ^er einen Hand trug, das sie mit der andern beim Eintreten schützend beschattet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/693>, abgerufen am 01.09.2024.