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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Eine neue Geschichte Bismarcks

amerikanischen Gesellschaften besteht in solchen Werten. Hätten die deutschen
Gesellschaften in der Unterbringung ihrer Fonds seither eine ähnliche Praxis
befolgt, dann wäre ihre finanzielle Situation in der wirtschaftlichen Krisis der
letzten zwei Jahre nicht so vorzüglich geblieben, wie es in der That der Fall
ist. Die Grundsätze, die das neue mit dein laufenden Jahre in Kraft getretne
Reichsversichernngsgesetz für die Vermögensanlegung vorschreibt, waren in der
Hauptsache für unsre guten deutschen Anstalten schon seither maßgebend. Das
Gesetz bereitet ihnen in dieser Beziehung darum keine Schwierigkeiten. Eine
Reihe ausländischer Gesellschaften freilich hat -- nicht zuletzt gerade wegen
dieser im Interesse der Versicherten getroffnen Bestimmungen des Gesetzes --
schon vor dem Beginn seiner Wirkung ihre Thätigkeit in Deutschland auf¬
gegeben.

Ans unsern Darlegungen dürfte zweierlei hervorgehn, einmal die im all¬
gemeinen günstige, teilweise vorzügliche Lage und die Vertrauenswürdigkeit
unsrer deutschen Lebensversicherungsgesellschaften, besonders auch gegenüber den
ausländischen Anstalten, andrerseits die Bedeutung und der wirtschaftliche
Wert der Lebensversicherung überhaupt. Leider ist die Kenntnis und das Ver¬
ständnis für diese Wohlfahrtseinrichtung in unserm Volke noch lange nicht so
verbreitet und ihre Benutzung bei weiten: noch nicht so allgemein, wie mau
es im Interesse des wirtschaftlichen Fortschritts und der Hebung des nationalen
Wohlstandes wünschen und erstreben müßte.




Line neue Geschichte Bismarcks

>aß die Flut der Bismarcklitteratur, die bald nach den denkwür¬
digen Märztagen des Jahres 1890 begonnen hatte, nach dem
Tode des Gewaltigen noch stärker anschwellen würde, konnte man
! voraussehen; gleichwohl hat die Menge der Veröffentlichungen,
die sich seither mit Bismarcks Person und Thaten befaßt haben,
alle Voraussicht übertroffen. So manche Quelle, die sich bis
dahin aus privaten oder politischen Rücksichten verborgen gehalten hatte, drängte
nunmehr ans Licht, neben vielem Wertvollen andres von zweifelhafter Glaub¬
würdigkeit und Bedeutung. Bleibt der Strom in der bisherigen Stärke, so
wird das Studium der Bismarcklitteratur immer mehr eine Arbeit für sich,
und so sehr diese, zumal wenn eine kundige Hand sie angreift, die Forschung
fördert, so kaun man doch von dem NichtHistoriker nicht verlangen, daß er sich
durch das Labyrinth der Zweifel, die mit jeder wirklichen oder angebliche"
Enthüllung und mit jedem Fortschritt der Kritik vermehrt werden, einen Weg
suche. Ihm erregt vielmehr die ^erstaunliche Fruchtbarkeit dieser Bibliographie
eine gewisse Unlust, eine ans Übersättigung und Mißtrauen gemischte Em¬
pfindung. Muß man das im Interesse der politischen Erziehung unsers
Volkes, für das der erste Kanzler noch auf Jahrzehnte hinaus der erste Lehr¬
meister bleiben wird, bedauern, so darf sich die Wissenschaft schon aus diesem
Grunde nicht der Aufgabe entzieh", in kurzen Abständen die Ergebnisse ihrer


Eine neue Geschichte Bismarcks

amerikanischen Gesellschaften besteht in solchen Werten. Hätten die deutschen
Gesellschaften in der Unterbringung ihrer Fonds seither eine ähnliche Praxis
befolgt, dann wäre ihre finanzielle Situation in der wirtschaftlichen Krisis der
letzten zwei Jahre nicht so vorzüglich geblieben, wie es in der That der Fall
ist. Die Grundsätze, die das neue mit dein laufenden Jahre in Kraft getretne
Reichsversichernngsgesetz für die Vermögensanlegung vorschreibt, waren in der
Hauptsache für unsre guten deutschen Anstalten schon seither maßgebend. Das
Gesetz bereitet ihnen in dieser Beziehung darum keine Schwierigkeiten. Eine
Reihe ausländischer Gesellschaften freilich hat — nicht zuletzt gerade wegen
dieser im Interesse der Versicherten getroffnen Bestimmungen des Gesetzes —
schon vor dem Beginn seiner Wirkung ihre Thätigkeit in Deutschland auf¬
gegeben.

Ans unsern Darlegungen dürfte zweierlei hervorgehn, einmal die im all¬
gemeinen günstige, teilweise vorzügliche Lage und die Vertrauenswürdigkeit
unsrer deutschen Lebensversicherungsgesellschaften, besonders auch gegenüber den
ausländischen Anstalten, andrerseits die Bedeutung und der wirtschaftliche
Wert der Lebensversicherung überhaupt. Leider ist die Kenntnis und das Ver¬
ständnis für diese Wohlfahrtseinrichtung in unserm Volke noch lange nicht so
verbreitet und ihre Benutzung bei weiten: noch nicht so allgemein, wie mau
es im Interesse des wirtschaftlichen Fortschritts und der Hebung des nationalen
Wohlstandes wünschen und erstreben müßte.




Line neue Geschichte Bismarcks

>aß die Flut der Bismarcklitteratur, die bald nach den denkwür¬
digen Märztagen des Jahres 1890 begonnen hatte, nach dem
Tode des Gewaltigen noch stärker anschwellen würde, konnte man
! voraussehen; gleichwohl hat die Menge der Veröffentlichungen,
die sich seither mit Bismarcks Person und Thaten befaßt haben,
alle Voraussicht übertroffen. So manche Quelle, die sich bis
dahin aus privaten oder politischen Rücksichten verborgen gehalten hatte, drängte
nunmehr ans Licht, neben vielem Wertvollen andres von zweifelhafter Glaub¬
würdigkeit und Bedeutung. Bleibt der Strom in der bisherigen Stärke, so
wird das Studium der Bismarcklitteratur immer mehr eine Arbeit für sich,
und so sehr diese, zumal wenn eine kundige Hand sie angreift, die Forschung
fördert, so kaun man doch von dem NichtHistoriker nicht verlangen, daß er sich
durch das Labyrinth der Zweifel, die mit jeder wirklichen oder angebliche»
Enthüllung und mit jedem Fortschritt der Kritik vermehrt werden, einen Weg
suche. Ihm erregt vielmehr die ^erstaunliche Fruchtbarkeit dieser Bibliographie
eine gewisse Unlust, eine ans Übersättigung und Mißtrauen gemischte Em¬
pfindung. Muß man das im Interesse der politischen Erziehung unsers
Volkes, für das der erste Kanzler noch auf Jahrzehnte hinaus der erste Lehr¬
meister bleiben wird, bedauern, so darf sich die Wissenschaft schon aus diesem
Grunde nicht der Aufgabe entzieh», in kurzen Abständen die Ergebnisse ihrer


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[0538] Eine neue Geschichte Bismarcks amerikanischen Gesellschaften besteht in solchen Werten. Hätten die deutschen Gesellschaften in der Unterbringung ihrer Fonds seither eine ähnliche Praxis befolgt, dann wäre ihre finanzielle Situation in der wirtschaftlichen Krisis der letzten zwei Jahre nicht so vorzüglich geblieben, wie es in der That der Fall ist. Die Grundsätze, die das neue mit dein laufenden Jahre in Kraft getretne Reichsversichernngsgesetz für die Vermögensanlegung vorschreibt, waren in der Hauptsache für unsre guten deutschen Anstalten schon seither maßgebend. Das Gesetz bereitet ihnen in dieser Beziehung darum keine Schwierigkeiten. Eine Reihe ausländischer Gesellschaften freilich hat — nicht zuletzt gerade wegen dieser im Interesse der Versicherten getroffnen Bestimmungen des Gesetzes — schon vor dem Beginn seiner Wirkung ihre Thätigkeit in Deutschland auf¬ gegeben. Ans unsern Darlegungen dürfte zweierlei hervorgehn, einmal die im all¬ gemeinen günstige, teilweise vorzügliche Lage und die Vertrauenswürdigkeit unsrer deutschen Lebensversicherungsgesellschaften, besonders auch gegenüber den ausländischen Anstalten, andrerseits die Bedeutung und der wirtschaftliche Wert der Lebensversicherung überhaupt. Leider ist die Kenntnis und das Ver¬ ständnis für diese Wohlfahrtseinrichtung in unserm Volke noch lange nicht so verbreitet und ihre Benutzung bei weiten: noch nicht so allgemein, wie mau es im Interesse des wirtschaftlichen Fortschritts und der Hebung des nationalen Wohlstandes wünschen und erstreben müßte. Line neue Geschichte Bismarcks >aß die Flut der Bismarcklitteratur, die bald nach den denkwür¬ digen Märztagen des Jahres 1890 begonnen hatte, nach dem Tode des Gewaltigen noch stärker anschwellen würde, konnte man ! voraussehen; gleichwohl hat die Menge der Veröffentlichungen, die sich seither mit Bismarcks Person und Thaten befaßt haben, alle Voraussicht übertroffen. So manche Quelle, die sich bis dahin aus privaten oder politischen Rücksichten verborgen gehalten hatte, drängte nunmehr ans Licht, neben vielem Wertvollen andres von zweifelhafter Glaub¬ würdigkeit und Bedeutung. Bleibt der Strom in der bisherigen Stärke, so wird das Studium der Bismarcklitteratur immer mehr eine Arbeit für sich, und so sehr diese, zumal wenn eine kundige Hand sie angreift, die Forschung fördert, so kaun man doch von dem NichtHistoriker nicht verlangen, daß er sich durch das Labyrinth der Zweifel, die mit jeder wirklichen oder angebliche» Enthüllung und mit jedem Fortschritt der Kritik vermehrt werden, einen Weg suche. Ihm erregt vielmehr die ^erstaunliche Fruchtbarkeit dieser Bibliographie eine gewisse Unlust, eine ans Übersättigung und Mißtrauen gemischte Em¬ pfindung. Muß man das im Interesse der politischen Erziehung unsers Volkes, für das der erste Kanzler noch auf Jahrzehnte hinaus der erste Lehr¬ meister bleiben wird, bedauern, so darf sich die Wissenschaft schon aus diesem Grunde nicht der Aufgabe entzieh», in kurzen Abständen die Ergebnisse ihrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/538>, abgerufen am 01.09.2024.