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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Heimkehr

Nun blieb der junge Murr zurück, machte aus seinen Händen ein Sprachrohr
und schmetterte jauchzend hinterdrein: Grüße -- e -- nu die schönen Mädchen in
Thüringen!

Der Großvater drehte sich um und winkte mit dem Arm. Wollen wir aus¬
richten! Eine Weile blieb er zurück gewandt sitzen, die Augen still auf den Enkel-
svhn gerichtet. Dann aber vergrößerte sich die Entfernung zu sehr, er setzte sich
wieder zurecht und sagte beredsam zum Schwiegersohn: Der ist dir wie aus deu
Auge" geschnitten, der Fritze. Das ist eine Freude, den Jungen zu sehen. Der
hat Gemüt. Ja, das hat der. Und Knochen hat der auch -- he! -- Das ist
wirklich eine große Freude, daß wir den Burschen haben.

Ja ja! antwortete der Schwiegersohn und nahm die Leinen kürzer. Aber er
wird ja wohl auch Fehler habe".

Na -- wo sind denn die? ich weiß keine, führ der Alte auf. Na -- ja --
du bist der Vater -- du darfst deine .Kinder nicht rausstreichen -- von dir stammen
die Kinder her. -- Aber ich bin der Großvater, ich darf sie rausstreichen. --- Er
brach ab. Kucke da, hub er von neuem an, was der Frost für Schaden angericht
hat, machten, das ganze Feld sieht weiß. S' is ja freilich an der Zeit -- aber
dennoch. -- Krake da, wiederholte er, das ist ein Jammer mit den Bäumen, das
giebt einen Obstschaden -- ja. Das ist wirklich ein Jammer.

Der Herbst war zuerst sommerlich mild gewesen, danach flau mit Regen oder
bedecktem Himmel; in der vergangnen Nacht aber war unvermutet Frost gekommen.
Die Bäume standen noch im vollen Schmuck ihrer grünen, regentriefenden Blätter,
als der Frost über sie herfiel. Das Doppelgewicht, das die Äste zu tragen be¬
kamen, war so schwer, daß viele herunterbrachen. Die andern hingen weit zur
Erde, mau hörte gelegentlich ein leises Ächzen, und es wurde noch manche Wunde
gerissen, bis am hohen Mittag die Sonne soweit zu .Kräften kam, daß sie ein wenig
von der Last heruutertnute. Jetzt, im Morgenwind, der den beiden Männern um
die Köpfe pfiff, klapperten die Blätter, als wären sie von Glas, und das bereiste
Erdreich mit Gras und Kräutern sah aus wie mit Zucker bestäubt.

Die Bahnstation war erreicht, das Fuhrwerk hielt, der alte Adam Jahr turnte
eilfertig herunter, rückte die breite Ledertasche zurecht, die er am Riemen über der
Achsel trug, faßte den Stock und lief los, als wolle er ohne Aufenthalt in sein
geliebtes Thüringer Land, das er vor fünfzig Jahren als ein junger Mensch ver¬
lassen hatte, hineinmarschieren. Doch ging die Reise vorerst nur bis auf den Bahn¬
steig, wo sich auch bald der Schwiegersohn zu ihm gesellte. Bald lief dann auch
der Zug ein, der Alte stieg in sein Coupee, und sein hagerer Kopf tauchte am
Fenster auf.

Und da am Fenster blieb der Mann und sah Landschaft um Landschaft vorüberziehn.

Vorläufig interessierte ihn der Frostbruch. Die Fahrt brachte ihn an Baum¬
gärten vorüber, die aussahen, als hätten die Baummannen einander eine Schlacht
geliefert, Äste und Wipfel hingen zerbrochen herab. Aber bald wurde der Ausblick
freundlicher, und um die Mittagszeit, als Halle erreicht war, da war nichts von
Frost und Reif mehr zu spüren, da regten die Bäume im schönsten Sonnenschein
ihre vollbelaubten Wipfel.

Adam Jahr war immer ein wortkarger Mensch gewesen und hatte auch da¬
mals, als er, ein stattlicher Bursch von fünfundzwanzig Jahren, in das gesegnete
Oderbruch hinüberheiratete, nicht viel Worte gemacht; heute jedoch floß er über
von Beredsamkeit; sein fahles, faltiges, scharf geschnittenes Gesicht belebte sich, seine
sonst ruhigen Augen blitzten beinahe übermütig. Und dann fuhr er, während er
sprach, gelegentlich einmal mit der Hand um Kinn und Wangen, und weil da seine
tastenden Finger keinem Bartstoppel begegneten, sondern glatt über die sauber
rasierte Fläche liefen, so war ihm das eine angenehme Erinnerung, daß heute
Feiertag sei, ein auserlesener Tag, den er doch wohl als einen Merktng sonder¬
gleichen betrachten mußte.


Heimkehr

Nun blieb der junge Murr zurück, machte aus seinen Händen ein Sprachrohr
und schmetterte jauchzend hinterdrein: Grüße — e — nu die schönen Mädchen in
Thüringen!

Der Großvater drehte sich um und winkte mit dem Arm. Wollen wir aus¬
richten! Eine Weile blieb er zurück gewandt sitzen, die Augen still auf den Enkel-
svhn gerichtet. Dann aber vergrößerte sich die Entfernung zu sehr, er setzte sich
wieder zurecht und sagte beredsam zum Schwiegersohn: Der ist dir wie aus deu
Auge» geschnitten, der Fritze. Das ist eine Freude, den Jungen zu sehen. Der
hat Gemüt. Ja, das hat der. Und Knochen hat der auch — he! — Das ist
wirklich eine große Freude, daß wir den Burschen haben.

Ja ja! antwortete der Schwiegersohn und nahm die Leinen kürzer. Aber er
wird ja wohl auch Fehler habe».

Na — wo sind denn die? ich weiß keine, führ der Alte auf. Na — ja —
du bist der Vater — du darfst deine .Kinder nicht rausstreichen — von dir stammen
die Kinder her. — Aber ich bin der Großvater, ich darf sie rausstreichen. —- Er
brach ab. Kucke da, hub er von neuem an, was der Frost für Schaden angericht
hat, machten, das ganze Feld sieht weiß. S' is ja freilich an der Zeit — aber
dennoch. — Krake da, wiederholte er, das ist ein Jammer mit den Bäumen, das
giebt einen Obstschaden — ja. Das ist wirklich ein Jammer.

Der Herbst war zuerst sommerlich mild gewesen, danach flau mit Regen oder
bedecktem Himmel; in der vergangnen Nacht aber war unvermutet Frost gekommen.
Die Bäume standen noch im vollen Schmuck ihrer grünen, regentriefenden Blätter,
als der Frost über sie herfiel. Das Doppelgewicht, das die Äste zu tragen be¬
kamen, war so schwer, daß viele herunterbrachen. Die andern hingen weit zur
Erde, mau hörte gelegentlich ein leises Ächzen, und es wurde noch manche Wunde
gerissen, bis am hohen Mittag die Sonne soweit zu .Kräften kam, daß sie ein wenig
von der Last heruutertnute. Jetzt, im Morgenwind, der den beiden Männern um
die Köpfe pfiff, klapperten die Blätter, als wären sie von Glas, und das bereiste
Erdreich mit Gras und Kräutern sah aus wie mit Zucker bestäubt.

Die Bahnstation war erreicht, das Fuhrwerk hielt, der alte Adam Jahr turnte
eilfertig herunter, rückte die breite Ledertasche zurecht, die er am Riemen über der
Achsel trug, faßte den Stock und lief los, als wolle er ohne Aufenthalt in sein
geliebtes Thüringer Land, das er vor fünfzig Jahren als ein junger Mensch ver¬
lassen hatte, hineinmarschieren. Doch ging die Reise vorerst nur bis auf den Bahn¬
steig, wo sich auch bald der Schwiegersohn zu ihm gesellte. Bald lief dann auch
der Zug ein, der Alte stieg in sein Coupee, und sein hagerer Kopf tauchte am
Fenster auf.

Und da am Fenster blieb der Mann und sah Landschaft um Landschaft vorüberziehn.

Vorläufig interessierte ihn der Frostbruch. Die Fahrt brachte ihn an Baum¬
gärten vorüber, die aussahen, als hätten die Baummannen einander eine Schlacht
geliefert, Äste und Wipfel hingen zerbrochen herab. Aber bald wurde der Ausblick
freundlicher, und um die Mittagszeit, als Halle erreicht war, da war nichts von
Frost und Reif mehr zu spüren, da regten die Bäume im schönsten Sonnenschein
ihre vollbelaubten Wipfel.

Adam Jahr war immer ein wortkarger Mensch gewesen und hatte auch da¬
mals, als er, ein stattlicher Bursch von fünfundzwanzig Jahren, in das gesegnete
Oderbruch hinüberheiratete, nicht viel Worte gemacht; heute jedoch floß er über
von Beredsamkeit; sein fahles, faltiges, scharf geschnittenes Gesicht belebte sich, seine
sonst ruhigen Augen blitzten beinahe übermütig. Und dann fuhr er, während er
sprach, gelegentlich einmal mit der Hand um Kinn und Wangen, und weil da seine
tastenden Finger keinem Bartstoppel begegneten, sondern glatt über die sauber
rasierte Fläche liefen, so war ihm das eine angenehme Erinnerung, daß heute
Feiertag sei, ein auserlesener Tag, den er doch wohl als einen Merktng sonder¬
gleichen betrachten mußte.


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[0052] Heimkehr Nun blieb der junge Murr zurück, machte aus seinen Händen ein Sprachrohr und schmetterte jauchzend hinterdrein: Grüße — e — nu die schönen Mädchen in Thüringen! Der Großvater drehte sich um und winkte mit dem Arm. Wollen wir aus¬ richten! Eine Weile blieb er zurück gewandt sitzen, die Augen still auf den Enkel- svhn gerichtet. Dann aber vergrößerte sich die Entfernung zu sehr, er setzte sich wieder zurecht und sagte beredsam zum Schwiegersohn: Der ist dir wie aus deu Auge» geschnitten, der Fritze. Das ist eine Freude, den Jungen zu sehen. Der hat Gemüt. Ja, das hat der. Und Knochen hat der auch — he! — Das ist wirklich eine große Freude, daß wir den Burschen haben. Ja ja! antwortete der Schwiegersohn und nahm die Leinen kürzer. Aber er wird ja wohl auch Fehler habe». Na — wo sind denn die? ich weiß keine, führ der Alte auf. Na — ja — du bist der Vater — du darfst deine .Kinder nicht rausstreichen — von dir stammen die Kinder her. — Aber ich bin der Großvater, ich darf sie rausstreichen. —- Er brach ab. Kucke da, hub er von neuem an, was der Frost für Schaden angericht hat, machten, das ganze Feld sieht weiß. S' is ja freilich an der Zeit — aber dennoch. — Krake da, wiederholte er, das ist ein Jammer mit den Bäumen, das giebt einen Obstschaden — ja. Das ist wirklich ein Jammer. Der Herbst war zuerst sommerlich mild gewesen, danach flau mit Regen oder bedecktem Himmel; in der vergangnen Nacht aber war unvermutet Frost gekommen. Die Bäume standen noch im vollen Schmuck ihrer grünen, regentriefenden Blätter, als der Frost über sie herfiel. Das Doppelgewicht, das die Äste zu tragen be¬ kamen, war so schwer, daß viele herunterbrachen. Die andern hingen weit zur Erde, mau hörte gelegentlich ein leises Ächzen, und es wurde noch manche Wunde gerissen, bis am hohen Mittag die Sonne soweit zu .Kräften kam, daß sie ein wenig von der Last heruutertnute. Jetzt, im Morgenwind, der den beiden Männern um die Köpfe pfiff, klapperten die Blätter, als wären sie von Glas, und das bereiste Erdreich mit Gras und Kräutern sah aus wie mit Zucker bestäubt. Die Bahnstation war erreicht, das Fuhrwerk hielt, der alte Adam Jahr turnte eilfertig herunter, rückte die breite Ledertasche zurecht, die er am Riemen über der Achsel trug, faßte den Stock und lief los, als wolle er ohne Aufenthalt in sein geliebtes Thüringer Land, das er vor fünfzig Jahren als ein junger Mensch ver¬ lassen hatte, hineinmarschieren. Doch ging die Reise vorerst nur bis auf den Bahn¬ steig, wo sich auch bald der Schwiegersohn zu ihm gesellte. Bald lief dann auch der Zug ein, der Alte stieg in sein Coupee, und sein hagerer Kopf tauchte am Fenster auf. Und da am Fenster blieb der Mann und sah Landschaft um Landschaft vorüberziehn. Vorläufig interessierte ihn der Frostbruch. Die Fahrt brachte ihn an Baum¬ gärten vorüber, die aussahen, als hätten die Baummannen einander eine Schlacht geliefert, Äste und Wipfel hingen zerbrochen herab. Aber bald wurde der Ausblick freundlicher, und um die Mittagszeit, als Halle erreicht war, da war nichts von Frost und Reif mehr zu spüren, da regten die Bäume im schönsten Sonnenschein ihre vollbelaubten Wipfel. Adam Jahr war immer ein wortkarger Mensch gewesen und hatte auch da¬ mals, als er, ein stattlicher Bursch von fünfundzwanzig Jahren, in das gesegnete Oderbruch hinüberheiratete, nicht viel Worte gemacht; heute jedoch floß er über von Beredsamkeit; sein fahles, faltiges, scharf geschnittenes Gesicht belebte sich, seine sonst ruhigen Augen blitzten beinahe übermütig. Und dann fuhr er, während er sprach, gelegentlich einmal mit der Hand um Kinn und Wangen, und weil da seine tastenden Finger keinem Bartstoppel begegneten, sondern glatt über die sauber rasierte Fläche liefen, so war ihm das eine angenehme Erinnerung, daß heute Feiertag sei, ein auserlesener Tag, den er doch wohl als einen Merktng sonder¬ gleichen betrachten mußte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/52>, abgerufen am 01.09.2024.