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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Deutschlands Llportbednrfnis und die gegenwärtige lvirtschaftskrifis

im besondern. Nach allem, was man vom deutschen Kapitalmarkt in der
Hauptaufschwungszeit gehört hat, und vor allein nach dem Rückschläge von
1901 ist es viel eher wahrscheinlich, daß neben der kläglichen Handelsbilanz
des märchenhaften Aufschwungs auch eine sehr klägliche Zahluugsbilanz her¬
gelaufen ist. Wenn die Forscher des Vereins für Sozialpolitik darüber zu¬
verlässige Auskunft verschaffen würden, so wäre das sehr, sehr viel verdienst¬
licher, als wenn sie ein halbes Schock neue ökonomische Gesetze über Aufschwung
und Krisen entdeckten. Freilich zeigt unsre Zahlenreihe bis 1901 andrerseits
deutlich genug, wie blutwenig mit der Handelsbilanz allein und ohne weiteres
für die Beurteilung der Lage und der Entwicklung der Volkswirtschaft anzu-
fangen ist. Vor allem ist der Segen der rapid emporgeschnellten Exportquote
des Krisenjährs 1901 in hohem Grade problematisch.

Das gilt auch von der starken Abnahme der Einfuhr und von der Zu¬
nahme der Ausfuhr, die sich in den ersten neun Monaten des Jahres 1902
gezeigt haben. Die Werte der eingesetzten Waren sind freilich für dieses Jahr
uoch nicht ermittelt, aber auch die Verschiebung in der Menge der Ein- und der
Ausfuhr ist interessant genug. Es betrug uümlich -- ohne die Edelmetalle --
in den neun Monaten Januar bis September der Jahre:

1902 1901 1900
die 1000 Doppelzentner
Einfuhr..... 318609,0 333074,9 335444,8
Ausfuhr .... 251473,0 235 708,0 241002,3
Mehreinfuhr 671Z6.0 97306,9 94442,!"

Wenn man, wie dies die "monatlichen Nachweise" des Kaiserlichen Sta¬
tistischen Amtes auch thun, für 1902 die für das Vorjahr ermittelten Werte
vorläufig einsetzt, so stellt sich die Handelsbilanz für die Periode Januar bis
September in den drei Jahren -- gleichfalls ohne Edelmetalle -- wie folgt:

1902 1901 1900
Millionen Mark
Einfuhr..... 4135,6 4037,4 4317,9
Ausfuhr..... 35)20,7 3237,8 3398,1
Mehreinfuhr 614." 799." 919.8

Wären 1902 die Ein- und die Ausfuhrwerte in Wirklichkeit ebenso hoch
wie 1901, so wäre auf eine so günstige Handelsbilanz für das laufende Jahr zu
rechnen, wie wir sie im verflossenen Jahrzehnt niemals gehabt haben, was
allerdings zunächst immer nur ein Trost auf dem Papier sein würde. Aber
auch ans dem Papier wird wohl die Gunst der Handelsbilanz durch niedriger
eingeschätzte Warenwerte etwas getrübt werden."

Der Menge nach weist die Warengruppe "Eisen und Eisenwaren be¬
sonders beachtenswerte Zahlen aus. Es betrug in den neun Monaten Januar
bis September:

1902 1901 1900
die 1000 Doppelzentner
Einfuhr....... 2081,7 3297,6 7 758,1
42
Ausfuhr....... 23720,3 15 994,8 1124,
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Mehrausfuhr 21638." 12697.2 34".

Fast noch auffallender sind die Verschiebungen der Zahlen, wenn man


Deutschlands Llportbednrfnis und die gegenwärtige lvirtschaftskrifis

im besondern. Nach allem, was man vom deutschen Kapitalmarkt in der
Hauptaufschwungszeit gehört hat, und vor allein nach dem Rückschläge von
1901 ist es viel eher wahrscheinlich, daß neben der kläglichen Handelsbilanz
des märchenhaften Aufschwungs auch eine sehr klägliche Zahluugsbilanz her¬
gelaufen ist. Wenn die Forscher des Vereins für Sozialpolitik darüber zu¬
verlässige Auskunft verschaffen würden, so wäre das sehr, sehr viel verdienst¬
licher, als wenn sie ein halbes Schock neue ökonomische Gesetze über Aufschwung
und Krisen entdeckten. Freilich zeigt unsre Zahlenreihe bis 1901 andrerseits
deutlich genug, wie blutwenig mit der Handelsbilanz allein und ohne weiteres
für die Beurteilung der Lage und der Entwicklung der Volkswirtschaft anzu-
fangen ist. Vor allem ist der Segen der rapid emporgeschnellten Exportquote
des Krisenjährs 1901 in hohem Grade problematisch.

Das gilt auch von der starken Abnahme der Einfuhr und von der Zu¬
nahme der Ausfuhr, die sich in den ersten neun Monaten des Jahres 1902
gezeigt haben. Die Werte der eingesetzten Waren sind freilich für dieses Jahr
uoch nicht ermittelt, aber auch die Verschiebung in der Menge der Ein- und der
Ausfuhr ist interessant genug. Es betrug uümlich — ohne die Edelmetalle —
in den neun Monaten Januar bis September der Jahre:

1902 1901 1900
die 1000 Doppelzentner
Einfuhr..... 318609,0 333074,9 335444,8
Ausfuhr .... 251473,0 235 708,0 241002,3
Mehreinfuhr 671Z6.0 97306,9 94442,!»

Wenn man, wie dies die „monatlichen Nachweise" des Kaiserlichen Sta¬
tistischen Amtes auch thun, für 1902 die für das Vorjahr ermittelten Werte
vorläufig einsetzt, so stellt sich die Handelsbilanz für die Periode Januar bis
September in den drei Jahren — gleichfalls ohne Edelmetalle — wie folgt:

1902 1901 1900
Millionen Mark
Einfuhr..... 4135,6 4037,4 4317,9
Ausfuhr..... 35)20,7 3237,8 3398,1
Mehreinfuhr 614.» 799.« 919.8

Wären 1902 die Ein- und die Ausfuhrwerte in Wirklichkeit ebenso hoch
wie 1901, so wäre auf eine so günstige Handelsbilanz für das laufende Jahr zu
rechnen, wie wir sie im verflossenen Jahrzehnt niemals gehabt haben, was
allerdings zunächst immer nur ein Trost auf dem Papier sein würde. Aber
auch ans dem Papier wird wohl die Gunst der Handelsbilanz durch niedriger
eingeschätzte Warenwerte etwas getrübt werden."

Der Menge nach weist die Warengruppe „Eisen und Eisenwaren be¬
sonders beachtenswerte Zahlen aus. Es betrug in den neun Monaten Januar
bis September:

1902 1901 1900
die 1000 Doppelzentner
Einfuhr....... 2081,7 3297,6 7 758,1
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Ausfuhr....... 23720,3 15 994,8 1124,
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Mehrausfuhr 21638.« 12697.2 34«.

Fast noch auffallender sind die Verschiebungen der Zahlen, wenn man


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[0410] Deutschlands Llportbednrfnis und die gegenwärtige lvirtschaftskrifis im besondern. Nach allem, was man vom deutschen Kapitalmarkt in der Hauptaufschwungszeit gehört hat, und vor allein nach dem Rückschläge von 1901 ist es viel eher wahrscheinlich, daß neben der kläglichen Handelsbilanz des märchenhaften Aufschwungs auch eine sehr klägliche Zahluugsbilanz her¬ gelaufen ist. Wenn die Forscher des Vereins für Sozialpolitik darüber zu¬ verlässige Auskunft verschaffen würden, so wäre das sehr, sehr viel verdienst¬ licher, als wenn sie ein halbes Schock neue ökonomische Gesetze über Aufschwung und Krisen entdeckten. Freilich zeigt unsre Zahlenreihe bis 1901 andrerseits deutlich genug, wie blutwenig mit der Handelsbilanz allein und ohne weiteres für die Beurteilung der Lage und der Entwicklung der Volkswirtschaft anzu- fangen ist. Vor allem ist der Segen der rapid emporgeschnellten Exportquote des Krisenjährs 1901 in hohem Grade problematisch. Das gilt auch von der starken Abnahme der Einfuhr und von der Zu¬ nahme der Ausfuhr, die sich in den ersten neun Monaten des Jahres 1902 gezeigt haben. Die Werte der eingesetzten Waren sind freilich für dieses Jahr uoch nicht ermittelt, aber auch die Verschiebung in der Menge der Ein- und der Ausfuhr ist interessant genug. Es betrug uümlich — ohne die Edelmetalle — in den neun Monaten Januar bis September der Jahre: 1902 1901 1900 die 1000 Doppelzentner Einfuhr..... 318609,0 333074,9 335444,8 Ausfuhr .... 251473,0 235 708,0 241002,3 Mehreinfuhr 671Z6.0 97306,9 94442,!» Wenn man, wie dies die „monatlichen Nachweise" des Kaiserlichen Sta¬ tistischen Amtes auch thun, für 1902 die für das Vorjahr ermittelten Werte vorläufig einsetzt, so stellt sich die Handelsbilanz für die Periode Januar bis September in den drei Jahren — gleichfalls ohne Edelmetalle — wie folgt: 1902 1901 1900 Millionen Mark Einfuhr..... 4135,6 4037,4 4317,9 Ausfuhr..... 35)20,7 3237,8 3398,1 Mehreinfuhr 614.» 799.« 919.8 Wären 1902 die Ein- und die Ausfuhrwerte in Wirklichkeit ebenso hoch wie 1901, so wäre auf eine so günstige Handelsbilanz für das laufende Jahr zu rechnen, wie wir sie im verflossenen Jahrzehnt niemals gehabt haben, was allerdings zunächst immer nur ein Trost auf dem Papier sein würde. Aber auch ans dem Papier wird wohl die Gunst der Handelsbilanz durch niedriger eingeschätzte Warenwerte etwas getrübt werden." Der Menge nach weist die Warengruppe „Eisen und Eisenwaren be¬ sonders beachtenswerte Zahlen aus. Es betrug in den neun Monaten Januar bis September: 1902 1901 1900 die 1000 Doppelzentner Einfuhr....... 2081,7 3297,6 7 758,1 42 Ausfuhr....... 23720,3 15 994,8 1124, <'1 Mehrausfuhr 21638.« 12697.2 34«. Fast noch auffallender sind die Verschiebungen der Zahlen, wenn man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/410>, abgerufen am 01.09.2024.