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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Heimkehr

Haftes Geschenk an die Neger. Darin denke ich wie der Afrikaner Paffarge
(Buch über Adamaua). Wenn aber die Missionare anders denken, so liegt es
vielleicht nur daran, daß sie den Tropeueuroväcru Rechte über die Person der
Neger nicht gönnen oder nicht anvertrauen zu dürfen meinen. Sie fürchten
vielleicht mit Recht, daß Übermut und kurzsichtiges Geschäftsinteresse ans der
Georg Schiele Erziehung nur Ausbeutung machen würde.




Heimkehr
Marthe Renate Fischer von(Schluß)

le Sonne war untergegangen, als sie das Thal erreichten, ihre Feuer¬
zeichen waren über den Himmel ausgestreut; mit zartem Gelb tauchten
sie in den Wolkenballen auf und dunkelten bald zu lohenden Rot,
als stehe der Himmel in Flammen.

Der alte Scheckg blieb stehn. Weißt denn du, was hier Passiert ist?

Jahr nickte.

Hier wurf, wo dn ins Wasser gestürzt bist. Das ist eine lehrreiche Stelle
für mich. Hier geh ich kaum ein paarmal vorüber, dann bleib ich stehn und be¬
tracht mir die Stelle und simpeliere, was da alles hätte passieren können. Er wies
hinüber. Sie standen doch noch ein wenig hoher und sahen das Wasser der Saale
wie von Millionen kleiner Wellchen bedeckt; denn der Wind blies dem Lauf ent¬
gegen und kräuselte die Oberfläche.

Adam Jahr kam nun mich zum Sprechen. Das freut mich doch, sagte er,
daß ich dich hab angetroffen. Nu bringen mir unsre alte Sache ins Gleiche und
machen einen Strich durch. Wir sind in den Jahren, wo wir keine Feindschaft
weiter haben dürfen. Und wegen was? he! Wir sind nicht viel wert gewesen,
du nicht, und ich auch nicht. Wer hat denn mich geheißen, daß ich meine Angen
auf dem Rücken habe? Die hat ma vorne im Gesichte, daß ma sieht, wo an hin¬
springt.

Sie standen nebeneinander, sahen ans das Wasser, uns die Wiesen, auf den
stolzen Bergzug gegenüber, ans die Ortschaften am Saalelnuf; sie zählten deren
vier, zwei stromauf und zwei stromab, immer zwei und zwei einander gegenüber
"n beiden Seiten des Flusses.

Adam Jahr fing von neuem an: Ich hab erzählen hörn, daß du in gutem
Ansehen, bist, und daß dirs auch sonst gut geht. Ich hab euch ja auch gesehen auf
^r Hochzg -- und du hast mirs auch gesagt. Das freut mich wirklich! auch nicht
bloß dir halben, auch deiner Frau halben. Ich hab viel an die gedacht.

Der alte Scheckg schwieg.

Na--sagte Jahr, und dann schwieg auch er.

Der alte Scheckg wischte rin seiner großen Hand über sein Gesicht, daß es
ganz darunter verschwand. Ein Seufzer löste sich ihm. Zuerst--Er schwieg
Wieder.

Jahr wartete.

Man zieht nicht so leichte seinen alten Adam aus, wie man sich denkt, wenn
non seine Vorsätze thut fassen. Ist ein schweres Stück Arbeit, man gewöhnt sich
anders, als wie mans im Tempermente hat. Ich bin auch unterlegen. Ich hatte
das noch in den Knochen mit der Sitzerei, und um hingegen mußte ich den ganzen


Grenzboten IV 1902 84
Heimkehr

Haftes Geschenk an die Neger. Darin denke ich wie der Afrikaner Paffarge
(Buch über Adamaua). Wenn aber die Missionare anders denken, so liegt es
vielleicht nur daran, daß sie den Tropeueuroväcru Rechte über die Person der
Neger nicht gönnen oder nicht anvertrauen zu dürfen meinen. Sie fürchten
vielleicht mit Recht, daß Übermut und kurzsichtiges Geschäftsinteresse ans der
Georg Schiele Erziehung nur Ausbeutung machen würde.




Heimkehr
Marthe Renate Fischer von(Schluß)

le Sonne war untergegangen, als sie das Thal erreichten, ihre Feuer¬
zeichen waren über den Himmel ausgestreut; mit zartem Gelb tauchten
sie in den Wolkenballen auf und dunkelten bald zu lohenden Rot,
als stehe der Himmel in Flammen.

Der alte Scheckg blieb stehn. Weißt denn du, was hier Passiert ist?

Jahr nickte.

Hier wurf, wo dn ins Wasser gestürzt bist. Das ist eine lehrreiche Stelle
für mich. Hier geh ich kaum ein paarmal vorüber, dann bleib ich stehn und be¬
tracht mir die Stelle und simpeliere, was da alles hätte passieren können. Er wies
hinüber. Sie standen doch noch ein wenig hoher und sahen das Wasser der Saale
wie von Millionen kleiner Wellchen bedeckt; denn der Wind blies dem Lauf ent¬
gegen und kräuselte die Oberfläche.

Adam Jahr kam nun mich zum Sprechen. Das freut mich doch, sagte er,
daß ich dich hab angetroffen. Nu bringen mir unsre alte Sache ins Gleiche und
machen einen Strich durch. Wir sind in den Jahren, wo wir keine Feindschaft
weiter haben dürfen. Und wegen was? he! Wir sind nicht viel wert gewesen,
du nicht, und ich auch nicht. Wer hat denn mich geheißen, daß ich meine Angen
auf dem Rücken habe? Die hat ma vorne im Gesichte, daß ma sieht, wo an hin¬
springt.

Sie standen nebeneinander, sahen ans das Wasser, uns die Wiesen, auf den
stolzen Bergzug gegenüber, ans die Ortschaften am Saalelnuf; sie zählten deren
vier, zwei stromauf und zwei stromab, immer zwei und zwei einander gegenüber
"n beiden Seiten des Flusses.

Adam Jahr fing von neuem an: Ich hab erzählen hörn, daß du in gutem
Ansehen, bist, und daß dirs auch sonst gut geht. Ich hab euch ja auch gesehen auf
^r Hochzg — und du hast mirs auch gesagt. Das freut mich wirklich! auch nicht
bloß dir halben, auch deiner Frau halben. Ich hab viel an die gedacht.

Der alte Scheckg schwieg.

Na--sagte Jahr, und dann schwieg auch er.

Der alte Scheckg wischte rin seiner großen Hand über sein Gesicht, daß es
ganz darunter verschwand. Ein Seufzer löste sich ihm. Zuerst--Er schwieg
Wieder.

Jahr wartete.

Man zieht nicht so leichte seinen alten Adam aus, wie man sich denkt, wenn
non seine Vorsätze thut fassen. Ist ein schweres Stück Arbeit, man gewöhnt sich
anders, als wie mans im Tempermente hat. Ich bin auch unterlegen. Ich hatte
das noch in den Knochen mit der Sitzerei, und um hingegen mußte ich den ganzen


Grenzboten IV 1902 84
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[0275] Heimkehr Haftes Geschenk an die Neger. Darin denke ich wie der Afrikaner Paffarge (Buch über Adamaua). Wenn aber die Missionare anders denken, so liegt es vielleicht nur daran, daß sie den Tropeueuroväcru Rechte über die Person der Neger nicht gönnen oder nicht anvertrauen zu dürfen meinen. Sie fürchten vielleicht mit Recht, daß Übermut und kurzsichtiges Geschäftsinteresse ans der Georg Schiele Erziehung nur Ausbeutung machen würde. Heimkehr Marthe Renate Fischer von(Schluß) le Sonne war untergegangen, als sie das Thal erreichten, ihre Feuer¬ zeichen waren über den Himmel ausgestreut; mit zartem Gelb tauchten sie in den Wolkenballen auf und dunkelten bald zu lohenden Rot, als stehe der Himmel in Flammen. Der alte Scheckg blieb stehn. Weißt denn du, was hier Passiert ist? Jahr nickte. Hier wurf, wo dn ins Wasser gestürzt bist. Das ist eine lehrreiche Stelle für mich. Hier geh ich kaum ein paarmal vorüber, dann bleib ich stehn und be¬ tracht mir die Stelle und simpeliere, was da alles hätte passieren können. Er wies hinüber. Sie standen doch noch ein wenig hoher und sahen das Wasser der Saale wie von Millionen kleiner Wellchen bedeckt; denn der Wind blies dem Lauf ent¬ gegen und kräuselte die Oberfläche. Adam Jahr kam nun mich zum Sprechen. Das freut mich doch, sagte er, daß ich dich hab angetroffen. Nu bringen mir unsre alte Sache ins Gleiche und machen einen Strich durch. Wir sind in den Jahren, wo wir keine Feindschaft weiter haben dürfen. Und wegen was? he! Wir sind nicht viel wert gewesen, du nicht, und ich auch nicht. Wer hat denn mich geheißen, daß ich meine Angen auf dem Rücken habe? Die hat ma vorne im Gesichte, daß ma sieht, wo an hin¬ springt. Sie standen nebeneinander, sahen ans das Wasser, uns die Wiesen, auf den stolzen Bergzug gegenüber, ans die Ortschaften am Saalelnuf; sie zählten deren vier, zwei stromauf und zwei stromab, immer zwei und zwei einander gegenüber "n beiden Seiten des Flusses. Adam Jahr fing von neuem an: Ich hab erzählen hörn, daß du in gutem Ansehen, bist, und daß dirs auch sonst gut geht. Ich hab euch ja auch gesehen auf ^r Hochzg — und du hast mirs auch gesagt. Das freut mich wirklich! auch nicht bloß dir halben, auch deiner Frau halben. Ich hab viel an die gedacht. Der alte Scheckg schwieg. Na--sagte Jahr, und dann schwieg auch er. Der alte Scheckg wischte rin seiner großen Hand über sein Gesicht, daß es ganz darunter verschwand. Ein Seufzer löste sich ihm. Zuerst--Er schwieg Wieder. Jahr wartete. Man zieht nicht so leichte seinen alten Adam aus, wie man sich denkt, wenn non seine Vorsätze thut fassen. Ist ein schweres Stück Arbeit, man gewöhnt sich anders, als wie mans im Tempermente hat. Ich bin auch unterlegen. Ich hatte das noch in den Knochen mit der Sitzerei, und um hingegen mußte ich den ganzen Grenzboten IV 1902 84

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/275>, abgerufen am 01.09.2024.