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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Nach dein Vurenkriege

worden.lit dein Friedensschluß von Pretoria am 31. Mai dieses Jahres
ist der südafrikanische Krieg nach dem mehr als zwciundeinhalb-
jnhrigen heldenmütigen, zähen Widerstande eines kleinen Völkchens
gegen die erdrückende Übermacht eines Weltreichs mit der Unter-
I werfung der beiden Bnrenrepnbliken unter England beendet
Trotz anfänglich günstiger Aussichten war dieser Ausgang, seitdem
die Buren die ersten Wochen nicht zu einem entscheidenden Schlage benutzt
hatten, unvermeidlich, sobald uicht eine Wendung in der Weltlage ihnen zu
Hilfe kam. Eben diese hatten sie in ihrem festem fast fatalistischen, aber echt
kalvinischcn Vertrauen ans die Gerechtigkeit ihrer Sache bei dem Entschlüsse zum
Kriege offenbar zu wenig in Rechnung gezogen, und die Hoffnung auf die
Erhebung der Kapholländer erfüllte sich nnr in bescheidnen Umfange; der Mehr¬
heit dieser behübigen Bevölkerung fiel es gar nicht ein, ihre Existenz aufs Spiel
zu setzen. Wenn bei dem Entschlüsse der Burenführer zum Kriege etwa die
Erinnerung an den niederländischen Freiheitskampf gegen Spanien oder um
den Abfall der amerikanischen .Kolonien von England eine Rolle gespielt Hütte,
so wäre übersehen worden, daß die Niederländer an der allgemeinen Gegen¬
wehr der europäischen Nationen gegen das spanisch-habslmrgische Übergewicht
teilnahmen, in einem großen politischen Zusammenhange standen und also
von außen fortwährend unterstützt wurden, die Nordamerikaner ohne die Hilfe
der Franzosen sicherlich unterlegen wären. Allein gelassen sind kleine Bauern-
Völker, wenn sie nicht von ganz besonders günstigen geographischen Umstünden
Vorteil zogen, wie die Urkantone der Schweiz, größern Staatenbildungen
regelmüßig erlegen, die friesischen Stedinger den vom Erzbistum Bremen gegen
sie aufgebotenen Kreuzheeren 1234, die holsteinischen Dietmarschen dein dänischen
und holsteinischen Adel 1559. Denn das Vertrauen ans die Gerechtigkeit der
eignen Sache ist etwas Großes, oft Entscheidendes, aber auch der gerechtesten
Sache schafft nur die Stärke den Sieg, und die historische Gerechtigkeit ist
uicht die Gerechtigkeit von heute, die Weltgeschichte ist das Weltgericht, aber
nicht der nächste Tag vollzieht es. Auch ist es in Wirklichkeit so, daß Recht
oder Unrecht niemals ganz und rein auf einer Seite steht, wie eine naive Anf-


Grenzboten IV 1902 1


Nach dein Vurenkriege

worden.lit dein Friedensschluß von Pretoria am 31. Mai dieses Jahres
ist der südafrikanische Krieg nach dem mehr als zwciundeinhalb-
jnhrigen heldenmütigen, zähen Widerstande eines kleinen Völkchens
gegen die erdrückende Übermacht eines Weltreichs mit der Unter-
I werfung der beiden Bnrenrepnbliken unter England beendet
Trotz anfänglich günstiger Aussichten war dieser Ausgang, seitdem
die Buren die ersten Wochen nicht zu einem entscheidenden Schlage benutzt
hatten, unvermeidlich, sobald uicht eine Wendung in der Weltlage ihnen zu
Hilfe kam. Eben diese hatten sie in ihrem festem fast fatalistischen, aber echt
kalvinischcn Vertrauen ans die Gerechtigkeit ihrer Sache bei dem Entschlüsse zum
Kriege offenbar zu wenig in Rechnung gezogen, und die Hoffnung auf die
Erhebung der Kapholländer erfüllte sich nnr in bescheidnen Umfange; der Mehr¬
heit dieser behübigen Bevölkerung fiel es gar nicht ein, ihre Existenz aufs Spiel
zu setzen. Wenn bei dem Entschlüsse der Burenführer zum Kriege etwa die
Erinnerung an den niederländischen Freiheitskampf gegen Spanien oder um
den Abfall der amerikanischen .Kolonien von England eine Rolle gespielt Hütte,
so wäre übersehen worden, daß die Niederländer an der allgemeinen Gegen¬
wehr der europäischen Nationen gegen das spanisch-habslmrgische Übergewicht
teilnahmen, in einem großen politischen Zusammenhange standen und also
von außen fortwährend unterstützt wurden, die Nordamerikaner ohne die Hilfe
der Franzosen sicherlich unterlegen wären. Allein gelassen sind kleine Bauern-
Völker, wenn sie nicht von ganz besonders günstigen geographischen Umstünden
Vorteil zogen, wie die Urkantone der Schweiz, größern Staatenbildungen
regelmüßig erlegen, die friesischen Stedinger den vom Erzbistum Bremen gegen
sie aufgebotenen Kreuzheeren 1234, die holsteinischen Dietmarschen dein dänischen
und holsteinischen Adel 1559. Denn das Vertrauen ans die Gerechtigkeit der
eignen Sache ist etwas Großes, oft Entscheidendes, aber auch der gerechtesten
Sache schafft nur die Stärke den Sieg, und die historische Gerechtigkeit ist
uicht die Gerechtigkeit von heute, die Weltgeschichte ist das Weltgericht, aber
nicht der nächste Tag vollzieht es. Auch ist es in Wirklichkeit so, daß Recht
oder Unrecht niemals ganz und rein auf einer Seite steht, wie eine naive Anf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/11>, abgerufen am 01.09.2024.