Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.Osterreich und Ungarn Meun es zur unrtschaftlichen Trennung der beiden Neichshälften Die staatsrechtliche Organisation der österreichisch-ungarischen Monarchie Grenzboten II 1902 86
Osterreich und Ungarn Meun es zur unrtschaftlichen Trennung der beiden Neichshälften Die staatsrechtliche Organisation der österreichisch-ungarischen Monarchie Grenzboten II 1902 86
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Osterreich und Ungarn
Meun es zur unrtschaftlichen Trennung der beiden Neichshälften
käme, dann Hütte ich umsonst gelebt, — Pester und Wiener Blätter
wußten kürzlich zu berichten, daß Kaiser Franz Joseph, tiefbc-
küminert über den wenig hoffnungsvollen Stand der Ausgleichs¬
verhandlungen zwischen Österreich und Ungarn, diese Worte ge¬
sprochen habe. Ob thatsächlich eine solche Äußerung des Kaisers vorliegt, und
ob sie wirklich in dieser scharf zugespitzten Form erfolgt ist, läßt sich natürlich
nicht feststellen, dem Sinne nach aber ist damit die Stimmung zweifellos richtig
wiedergegeben worden, von der Kaiser Franz Joseph an seinem Lebensabende
beherrscht wird. In Österreich und in Ungarn hat man sich allerdings daran
gewöhnt, die Ausgleichsfrage lediglich vom einseitigen Nützlichkeitsstaudpunkt
aus zu beurteilen, aber es läßt sich nicht übersehen, daß dabei außer den
Sonderinteressen der beiden Neichshälften auch die der Gesamtmonarchie
in Betracht kommeu. Theoretisch mag die wirtschaftspolitische Trennung der
beiden Neichshälften immerhin als eine nur diese berührende wirtschaftliche
Angelegenheit gelten, praktisch würde sie aber nnter den gegebnen Verhältnissen
für die Monarchie von tiefeinschneidender politischer Bedeutung sein.
Die staatsrechtliche Organisation der österreichisch-ungarischen Monarchie
beruht auf der pragmatischen Sanktion vom Jahre 1722/23 und auf der
dualistischen Verfassung vom Jahre 1867. Jene setzt für alle Zeiten die
Personalunion zwischen Österreich und Ungarn fest, diese fügt eine Realunion
hinzu, die wiederum doppelter Natur ist. Die im Jahre 1867 zwischen beiden
Neichshälften vereinbarte Verfassung begründete eine Realunion in der Weise,
daß die auswärtigen Angelegenheiten, das Kriegswesen (außer der Rekruten-
aushebung nud der Wehrverfassnng) und die darauf bezügliche Geldgebnhrnng
dauernd als gemeinsame Angelegenheiten erklärt wurden. Zu dieser dauernden
Gemeinsamkeit trat aber noch eine zeitweilige, indem das Ausgleichsgesetz vom
Jahre 1867 bestimmte, daß es im Interesse beider Neichshälften liege, daß
eine Reihe von wirtschaftlichen Angelegenheiten (Zollgesetzgebung, Münzwesen,
gewisse indirekte Steuern usw.) zwar nicht gemeinsamen Ministern anvertraut,
Wohl aber mich Grundsätzen, die von Zeit zu Zeit (aller zehn Jahre) gemeinsam
Grenzboten II 1902 86
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