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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Erfolg der Chinaexpedition 1900/1 unbestritten ist, so dürfte es der sein, daß
wir dort mich gerade für Winterfeldzuge auf schwierigem Schauplatze, nament¬
lich von manchen unsrer darin größere Erfahrungen besitzenden Verbündeten
gelernt haben.

Nur wenig Punkte will ich hier besonders hervorheben, deren Be¬
achtung vorzugsweise wichtig für Winterfeldzuge sind. Es ist zunächst die
Beschaffung einer praktischen Winterbekleidung. Gutes zweckmüßiges Schuh-
werk, von dem die Marschleistungen der Infanterie wesentlich abhängen, und
worin wir noch immer manchen andern Nationen, namentlich auch im ge¬
fälligen Sitz, nachstehn, sowie ein sorgfältig gegen die Gefahren des Glatteises
sichernder Hufbeschlag der Pferde sind nötig. Einzelne Truppenteile werden
auch des Schneeschuhs (Ski) nicht entbehren können. Dazu dichtere, wärmere
Stoffe, Pelzröcke und gut schlitzende Kopfbekleidungen. Nicht minder bedeutsam
ist es, die Truppen mit praktischen Zelten und mit heizbaren Baracken auszu¬
rüsten, zumal bei der großen Bedeutung, die der Stellungs- und Festungskrieg
gewonnen hat. Eine nicht geringere Rolle spielt die sorgfältigste Regelung der
Verpflegung, die heute durch die Konserven, durch Pökel- und Gefrierverfahren
zwar erleichtert wird, aber was das nötige frische Fleisch und Brot anbetrifft,
doch immer noch große Schwierigkeiten bietet. Da ferner der Verlust durch
Krankheiten größer als der durch Gefechte ist, so sind für die Anstrengungen
eines Winterfeldzugs die Maßnahmen für die Gesundheitspflege und das
Sanitätswesen von besondrer Bedeutung. Bvrbeugeude wie hilfebringende
Thätigkeit müssen rechtzeitig und in vollem Umfange eintreten. Hier reichen
die im Frieden organisierten Kräfte erfahrungsmäßig nicht aus, es muß sich
dann freiwillige Liebesthätigkeit, die aber einer sorgfältigen Regelung und Über¬
wachung bedarf, hinzugesellen.

Alle diese Vorkehrungen können aber mir dann Nutzen bringen, wenn sie
schnell zur Stelle sind. Daraus ergiebt sich die ungemeine Wichtigkeit eines
peinlich organisierten, tadellos wirkenden und leistungsfähigen Train- und
Nachschubwesens, woran es 1870/71 vielfach gefehlt hat. Die neuen Er¬
findungen seit der großen Zeit, besonders das Schnullspurbahn- und Auto-
mvbilwesen, werden da helfend eintreten und die Pferde, die ja gerade im
Winter so leiden, wirksam ergänzen können, wenn es sich dann handelt, von
den Hauptetappenorten der Eisenbahnen und Wasserstraßen bis in die vordersten
Trnppenzonen vorzudringen. Den in rascher Vorwärtsbewegung begriffnen,
jeden nachteiligen Stillstand ängstlich vermeidenden Armeen immer zu folgen,
namentlich mit der Verpflegung, bleibt die .Hauptausgabe unsers Trains. Wir
dürfe" nie vergessen, daß Gefechte und glänzende Thaten nur die Ausnahmen,
die Lichtpunkte im Kriege sind, die Mühsale der Märsche, die Entbehrungen
der Lager und Biwaks, die Leiden der Lazarette die traurige Regel. Hier
heißt es echte Humanität üben, namentlich in Winterfeldzügen.


1V. Stavenhagen


Grenzboten II 1902i;
Ivinterfeldzügc

Erfolg der Chinaexpedition 1900/1 unbestritten ist, so dürfte es der sein, daß
wir dort mich gerade für Winterfeldzuge auf schwierigem Schauplatze, nament¬
lich von manchen unsrer darin größere Erfahrungen besitzenden Verbündeten
gelernt haben.

Nur wenig Punkte will ich hier besonders hervorheben, deren Be¬
achtung vorzugsweise wichtig für Winterfeldzuge sind. Es ist zunächst die
Beschaffung einer praktischen Winterbekleidung. Gutes zweckmüßiges Schuh-
werk, von dem die Marschleistungen der Infanterie wesentlich abhängen, und
worin wir noch immer manchen andern Nationen, namentlich auch im ge¬
fälligen Sitz, nachstehn, sowie ein sorgfältig gegen die Gefahren des Glatteises
sichernder Hufbeschlag der Pferde sind nötig. Einzelne Truppenteile werden
auch des Schneeschuhs (Ski) nicht entbehren können. Dazu dichtere, wärmere
Stoffe, Pelzröcke und gut schlitzende Kopfbekleidungen. Nicht minder bedeutsam
ist es, die Truppen mit praktischen Zelten und mit heizbaren Baracken auszu¬
rüsten, zumal bei der großen Bedeutung, die der Stellungs- und Festungskrieg
gewonnen hat. Eine nicht geringere Rolle spielt die sorgfältigste Regelung der
Verpflegung, die heute durch die Konserven, durch Pökel- und Gefrierverfahren
zwar erleichtert wird, aber was das nötige frische Fleisch und Brot anbetrifft,
doch immer noch große Schwierigkeiten bietet. Da ferner der Verlust durch
Krankheiten größer als der durch Gefechte ist, so sind für die Anstrengungen
eines Winterfeldzugs die Maßnahmen für die Gesundheitspflege und das
Sanitätswesen von besondrer Bedeutung. Bvrbeugeude wie hilfebringende
Thätigkeit müssen rechtzeitig und in vollem Umfange eintreten. Hier reichen
die im Frieden organisierten Kräfte erfahrungsmäßig nicht aus, es muß sich
dann freiwillige Liebesthätigkeit, die aber einer sorgfältigen Regelung und Über¬
wachung bedarf, hinzugesellen.

Alle diese Vorkehrungen können aber mir dann Nutzen bringen, wenn sie
schnell zur Stelle sind. Daraus ergiebt sich die ungemeine Wichtigkeit eines
peinlich organisierten, tadellos wirkenden und leistungsfähigen Train- und
Nachschubwesens, woran es 1870/71 vielfach gefehlt hat. Die neuen Er¬
findungen seit der großen Zeit, besonders das Schnullspurbahn- und Auto-
mvbilwesen, werden da helfend eintreten und die Pferde, die ja gerade im
Winter so leiden, wirksam ergänzen können, wenn es sich dann handelt, von
den Hauptetappenorten der Eisenbahnen und Wasserstraßen bis in die vordersten
Trnppenzonen vorzudringen. Den in rascher Vorwärtsbewegung begriffnen,
jeden nachteiligen Stillstand ängstlich vermeidenden Armeen immer zu folgen,
namentlich mit der Verpflegung, bleibt die .Hauptausgabe unsers Trains. Wir
dürfe» nie vergessen, daß Gefechte und glänzende Thaten nur die Ausnahmen,
die Lichtpunkte im Kriege sind, die Mühsale der Märsche, die Entbehrungen
der Lager und Biwaks, die Leiden der Lazarette die traurige Regel. Hier
heißt es echte Humanität üben, namentlich in Winterfeldzügen.


1V. Stavenhagen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/49>, abgerufen am 26.06.2024.