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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

sind also doch wohl stark genug, es zu erklären. Wenn sich mehrmals eine Reichs¬
tagsmehrheit für die Aufhebung des Jesuitengesetzes zusammengefunden hat, so wird
diese aus Elementen gebildet, die im konfessionellen Interesse handeln oder ihre Partei-
doktrincn allen andern Erwägungen voranstellen; Freisinnige und Sozialdemokraten
sind nicht die Leute, mit deren Zustimmung etwas für den nationalen Charakter
einer Maßregel bewiesen werden könnte. Ein Recht aber zu dem Verlangen, daß
ein Mehrheitsbeschluß des Reichstags vom Bundesrat angenommen wird, besteht
bekanntlich nach der Reichsverfassung nicht, denn beide Gewalten sind in der Gesetz¬
gebung einander koordiniert.

Herr Dr. Spahn beruft sich aber darauf, daß das Jesuitengesetz gegen die
Rechtsüberzeugung der Mehrheit verstoße, weil es ein Ausnahmegesetz sei, und
ohne weiteres muß man ihm zugeben, daß mit dem Nachweis, das Mißtrauen der
Protestanten gegen den Orden sei historisch begründet, die zweite Frage nach der
Berechtigung des Jesuitengesetzes noch nicht entschieden sei. Ich gebe ihm sogar
zu, daß es dem Standpunkt der abstrakten Gerechtigkeit widerspricht. Die Frage
ist nur, ob der Staat immer imstande ist, namentlich gegen öffentlich-rechtliche
Korporationen und tgi., diese abstrakte Gerechtigkeit zu wahren. Dem Satze:
iustitig, reg'noram 5unAamontum steht ein andrer entgegen: salus reipublie^g su-
pre-ma, lex. Der Staat kann nicht sagen: nat, iustitia, verölt, munäus, denn sein
Dasein ist ihm Selbstzweck; seine Gerechtigkeit findet also ihre Schranke in seiner
höchsten und nächsten Pflicht, der Pflicht der Selbstbehauptung. Wenn er findet,
daß etwas in seinem Körper diese Selbstbehauptung gefährdet, so wird er es aus¬
stoßen oder niederzuhalten suchen. Der preußische Staat ist gegen die Polen nicht
gerecht, denn er kann es nicht sein, so lange sie als Feinde unsers Volkes und unsers
Staats auf die Polonisiernng und die Loslösung unsrer Ostproviuzeu hinarbeiten,
die wir so wenig aufgeben können wie Elsaß und Lothringen; der sächsische Staat
ist trotz seines katholischen Herrscherhauses gegen die katholische Kirche nicht ganz
gerecht, insofern, als seine Verfassung vom 4. September 1831 die Gründung neuer
Ordeusniederlassuugeu außer den beiden alten Cisterzienscrnonnenklöstern der Ober¬
lausitz schlechtweg verbietet. Auch wenn heute das Jesuiteugesetz aufgehoben würde,
Würde diese Bestimmung Sachsen dem Orden verschließen, und der Versuch, sie zu
umgehn oder zu verletzen, würde einen Sturm der Empörung im Lande entfachen,
bei dem Herr Dr. spähn das sonst so ruhige Volk nicht wiedererkennen würde.
So lange ein ähnliches Urteil über die Jesuiten im protestantischen Deutschland
besteht, so lange wir fürchten müssen, daß sie den konfessionellen Frieden stören,
die heillose Absondrung unsrer katholischen Mitbürger in katholischen Verbindungen
und Vereinen mir fördern würden, die mit kirchlichen und religiösen Zwecken gar
nichts zu thun haben, aber überall ans dem Boden geschossen sind und den Ver¬
kehr mit deu Evangelischen künstlich unterbinden, die Nation zerreißen -- so lange
ist für sie kein Platz im Deutschen Reiche, so lange wäre die Gerechtigkeit gegen
sie eine schwere Ungerechtigkeit gegen die nun einmal weit überwiegend protestan¬
tische Mehrheit unsers Volkes. Daran kann kein Reichstagsbeschluß etwas ändern.

So lange! Es giebt nur einen Ausweg, der dieses "so lange" abkürzen
könnte. Gewiß, wir haben es nicht mit den Jesuiten des sechzehnten und des sieb¬
zehnten Jahrhunderts, sondern mit den Jesuiten der Gegenwart und mit den deutschen
Jesuiten zu thun. Es kann sein, daß sie aus ihren Erfahrungen gelernt und sich
den neuen Anforderungen angepaßt haben, wie sie es immer verstanden und z. B.
in der neuen Ratio swciiornm von 1832 auf dem Gebiete des Schulwesens gethan
haben; es ist möglich, daß sie sogar gelernt haben, sich als Deutsche zu fühlen,
obwohl der Orden mit seiner grundsätzlichen Gleichgiltigkeit gegen die Nationalität
Mi sich dazu nicht erzieht. Die von den deutschen Jesuiten außerhalb des Deutschen
Reichs gegründeten Kollegien (eins in Dänemark, vier in Ostindien, zwei in Nord¬
amerika, eins in Südamerika) gelten als deutsche Anstalten und sollen, wie der Jesuit
G. M. Pachtler versichert, "dazu beitragen, deutsche Sprache und Sinnesart auch bei


Maßgebliches und Unmaßgebliches

sind also doch wohl stark genug, es zu erklären. Wenn sich mehrmals eine Reichs¬
tagsmehrheit für die Aufhebung des Jesuitengesetzes zusammengefunden hat, so wird
diese aus Elementen gebildet, die im konfessionellen Interesse handeln oder ihre Partei-
doktrincn allen andern Erwägungen voranstellen; Freisinnige und Sozialdemokraten
sind nicht die Leute, mit deren Zustimmung etwas für den nationalen Charakter
einer Maßregel bewiesen werden könnte. Ein Recht aber zu dem Verlangen, daß
ein Mehrheitsbeschluß des Reichstags vom Bundesrat angenommen wird, besteht
bekanntlich nach der Reichsverfassung nicht, denn beide Gewalten sind in der Gesetz¬
gebung einander koordiniert.

Herr Dr. Spahn beruft sich aber darauf, daß das Jesuitengesetz gegen die
Rechtsüberzeugung der Mehrheit verstoße, weil es ein Ausnahmegesetz sei, und
ohne weiteres muß man ihm zugeben, daß mit dem Nachweis, das Mißtrauen der
Protestanten gegen den Orden sei historisch begründet, die zweite Frage nach der
Berechtigung des Jesuitengesetzes noch nicht entschieden sei. Ich gebe ihm sogar
zu, daß es dem Standpunkt der abstrakten Gerechtigkeit widerspricht. Die Frage
ist nur, ob der Staat immer imstande ist, namentlich gegen öffentlich-rechtliche
Korporationen und tgi., diese abstrakte Gerechtigkeit zu wahren. Dem Satze:
iustitig, reg'noram 5unAamontum steht ein andrer entgegen: salus reipublie^g su-
pre-ma, lex. Der Staat kann nicht sagen: nat, iustitia, verölt, munäus, denn sein
Dasein ist ihm Selbstzweck; seine Gerechtigkeit findet also ihre Schranke in seiner
höchsten und nächsten Pflicht, der Pflicht der Selbstbehauptung. Wenn er findet,
daß etwas in seinem Körper diese Selbstbehauptung gefährdet, so wird er es aus¬
stoßen oder niederzuhalten suchen. Der preußische Staat ist gegen die Polen nicht
gerecht, denn er kann es nicht sein, so lange sie als Feinde unsers Volkes und unsers
Staats auf die Polonisiernng und die Loslösung unsrer Ostproviuzeu hinarbeiten,
die wir so wenig aufgeben können wie Elsaß und Lothringen; der sächsische Staat
ist trotz seines katholischen Herrscherhauses gegen die katholische Kirche nicht ganz
gerecht, insofern, als seine Verfassung vom 4. September 1831 die Gründung neuer
Ordeusniederlassuugeu außer den beiden alten Cisterzienscrnonnenklöstern der Ober¬
lausitz schlechtweg verbietet. Auch wenn heute das Jesuiteugesetz aufgehoben würde,
Würde diese Bestimmung Sachsen dem Orden verschließen, und der Versuch, sie zu
umgehn oder zu verletzen, würde einen Sturm der Empörung im Lande entfachen,
bei dem Herr Dr. spähn das sonst so ruhige Volk nicht wiedererkennen würde.
So lange ein ähnliches Urteil über die Jesuiten im protestantischen Deutschland
besteht, so lange wir fürchten müssen, daß sie den konfessionellen Frieden stören,
die heillose Absondrung unsrer katholischen Mitbürger in katholischen Verbindungen
und Vereinen mir fördern würden, die mit kirchlichen und religiösen Zwecken gar
nichts zu thun haben, aber überall ans dem Boden geschossen sind und den Ver¬
kehr mit deu Evangelischen künstlich unterbinden, die Nation zerreißen — so lange
ist für sie kein Platz im Deutschen Reiche, so lange wäre die Gerechtigkeit gegen
sie eine schwere Ungerechtigkeit gegen die nun einmal weit überwiegend protestan¬
tische Mehrheit unsers Volkes. Daran kann kein Reichstagsbeschluß etwas ändern.

So lange! Es giebt nur einen Ausweg, der dieses „so lange" abkürzen
könnte. Gewiß, wir haben es nicht mit den Jesuiten des sechzehnten und des sieb¬
zehnten Jahrhunderts, sondern mit den Jesuiten der Gegenwart und mit den deutschen
Jesuiten zu thun. Es kann sein, daß sie aus ihren Erfahrungen gelernt und sich
den neuen Anforderungen angepaßt haben, wie sie es immer verstanden und z. B.
in der neuen Ratio swciiornm von 1832 auf dem Gebiete des Schulwesens gethan
haben; es ist möglich, daß sie sogar gelernt haben, sich als Deutsche zu fühlen,
obwohl der Orden mit seiner grundsätzlichen Gleichgiltigkeit gegen die Nationalität
Mi sich dazu nicht erzieht. Die von den deutschen Jesuiten außerhalb des Deutschen
Reichs gegründeten Kollegien (eins in Dänemark, vier in Ostindien, zwei in Nord¬
amerika, eins in Südamerika) gelten als deutsche Anstalten und sollen, wie der Jesuit
G. M. Pachtler versichert, „dazu beitragen, deutsche Sprache und Sinnesart auch bei


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[0349] Maßgebliches und Unmaßgebliches sind also doch wohl stark genug, es zu erklären. Wenn sich mehrmals eine Reichs¬ tagsmehrheit für die Aufhebung des Jesuitengesetzes zusammengefunden hat, so wird diese aus Elementen gebildet, die im konfessionellen Interesse handeln oder ihre Partei- doktrincn allen andern Erwägungen voranstellen; Freisinnige und Sozialdemokraten sind nicht die Leute, mit deren Zustimmung etwas für den nationalen Charakter einer Maßregel bewiesen werden könnte. Ein Recht aber zu dem Verlangen, daß ein Mehrheitsbeschluß des Reichstags vom Bundesrat angenommen wird, besteht bekanntlich nach der Reichsverfassung nicht, denn beide Gewalten sind in der Gesetz¬ gebung einander koordiniert. Herr Dr. Spahn beruft sich aber darauf, daß das Jesuitengesetz gegen die Rechtsüberzeugung der Mehrheit verstoße, weil es ein Ausnahmegesetz sei, und ohne weiteres muß man ihm zugeben, daß mit dem Nachweis, das Mißtrauen der Protestanten gegen den Orden sei historisch begründet, die zweite Frage nach der Berechtigung des Jesuitengesetzes noch nicht entschieden sei. Ich gebe ihm sogar zu, daß es dem Standpunkt der abstrakten Gerechtigkeit widerspricht. Die Frage ist nur, ob der Staat immer imstande ist, namentlich gegen öffentlich-rechtliche Korporationen und tgi., diese abstrakte Gerechtigkeit zu wahren. Dem Satze: iustitig, reg'noram 5unAamontum steht ein andrer entgegen: salus reipublie^g su- pre-ma, lex. Der Staat kann nicht sagen: nat, iustitia, verölt, munäus, denn sein Dasein ist ihm Selbstzweck; seine Gerechtigkeit findet also ihre Schranke in seiner höchsten und nächsten Pflicht, der Pflicht der Selbstbehauptung. Wenn er findet, daß etwas in seinem Körper diese Selbstbehauptung gefährdet, so wird er es aus¬ stoßen oder niederzuhalten suchen. Der preußische Staat ist gegen die Polen nicht gerecht, denn er kann es nicht sein, so lange sie als Feinde unsers Volkes und unsers Staats auf die Polonisiernng und die Loslösung unsrer Ostproviuzeu hinarbeiten, die wir so wenig aufgeben können wie Elsaß und Lothringen; der sächsische Staat ist trotz seines katholischen Herrscherhauses gegen die katholische Kirche nicht ganz gerecht, insofern, als seine Verfassung vom 4. September 1831 die Gründung neuer Ordeusniederlassuugeu außer den beiden alten Cisterzienscrnonnenklöstern der Ober¬ lausitz schlechtweg verbietet. Auch wenn heute das Jesuiteugesetz aufgehoben würde, Würde diese Bestimmung Sachsen dem Orden verschließen, und der Versuch, sie zu umgehn oder zu verletzen, würde einen Sturm der Empörung im Lande entfachen, bei dem Herr Dr. spähn das sonst so ruhige Volk nicht wiedererkennen würde. So lange ein ähnliches Urteil über die Jesuiten im protestantischen Deutschland besteht, so lange wir fürchten müssen, daß sie den konfessionellen Frieden stören, die heillose Absondrung unsrer katholischen Mitbürger in katholischen Verbindungen und Vereinen mir fördern würden, die mit kirchlichen und religiösen Zwecken gar nichts zu thun haben, aber überall ans dem Boden geschossen sind und den Ver¬ kehr mit deu Evangelischen künstlich unterbinden, die Nation zerreißen — so lange ist für sie kein Platz im Deutschen Reiche, so lange wäre die Gerechtigkeit gegen sie eine schwere Ungerechtigkeit gegen die nun einmal weit überwiegend protestan¬ tische Mehrheit unsers Volkes. Daran kann kein Reichstagsbeschluß etwas ändern. So lange! Es giebt nur einen Ausweg, der dieses „so lange" abkürzen könnte. Gewiß, wir haben es nicht mit den Jesuiten des sechzehnten und des sieb¬ zehnten Jahrhunderts, sondern mit den Jesuiten der Gegenwart und mit den deutschen Jesuiten zu thun. Es kann sein, daß sie aus ihren Erfahrungen gelernt und sich den neuen Anforderungen angepaßt haben, wie sie es immer verstanden und z. B. in der neuen Ratio swciiornm von 1832 auf dem Gebiete des Schulwesens gethan haben; es ist möglich, daß sie sogar gelernt haben, sich als Deutsche zu fühlen, obwohl der Orden mit seiner grundsätzlichen Gleichgiltigkeit gegen die Nationalität Mi sich dazu nicht erzieht. Die von den deutschen Jesuiten außerhalb des Deutschen Reichs gegründeten Kollegien (eins in Dänemark, vier in Ostindien, zwei in Nord¬ amerika, eins in Südamerika) gelten als deutsche Anstalten und sollen, wie der Jesuit G. M. Pachtler versichert, „dazu beitragen, deutsche Sprache und Sinnesart auch bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/349>, abgerufen am 22.07.2024.