Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.Die Räuber Im allgemeinen sind wir Deutschen im Auslande mehr geachtet als ge¬ Unsre Beziehungen zu einem großen Teile des österreichischen Staats Mit den Franzosen ist es gerade das Gegenteil. Wir stehn ""t ihnen Die französische Regierung, deren Mitglieder diese Auffassung entweder Die Räuber Im allgemeinen sind wir Deutschen im Auslande mehr geachtet als ge¬ Unsre Beziehungen zu einem großen Teile des österreichischen Staats Mit den Franzosen ist es gerade das Gegenteil. Wir stehn ""t ihnen Die französische Regierung, deren Mitglieder diese Auffassung entweder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237317"/> <fw type="header" place="top"> Die Räuber</fw><lb/> <p xml:id="ID_109"> Im allgemeinen sind wir Deutschen im Auslande mehr geachtet als ge¬<lb/> liebt, nicht weil wir unbescheiden wären, sondern weil wir ruhmrednerisch sind,<lb/> und weil wir von allen zivilisierten Nationen die unfreundlichste und nnnach-<lb/> barlichste Presse bilden, zum Teil Leute, von denen man sich fragt, ob sie an<lb/> Größen- oder Berfolgnngswahnsinn leiden, ob sie Absinth trinken, ob sie<lb/> glauben, daß andre Völker nicht Deutsch versteh», oder endlich ob sie denken,<lb/> der Deutsche habe das Vorrecht, alle Welt vor den Kopf zu stoßen, ohne daß<lb/> es ihm übelgenommen werden könne. Wenn die deutsche Presse, was sie mehr<lb/> ist. die Stimme des deutschen Volks wäre, wäre dieses deutsche Volk die inten¬<lb/> sivste Neid- und Giftpilzknltnr aller fünf Erdteile. Es ist uns kein Vergnügen,<lb/> das zu sag,„. und noch weniger, es täglich wahrzunehmen, und wir gestehn.<lb/> daß wir uns fast täglich bei dem einen oder dein andern Artikel, der uns<lb/> in den Zeitungen zu Gesicht kommt, den Kopf mit beiden Händen halten und<lb/> uus fragen, ob es bei den andern rappete oder bei uus? Wollte Gott, es<lb/> rappelle bei uus: unser dünnes Flötcheu verhallt doch ohnehin so gut wie<lb/> ungehört.</p><lb/> <p xml:id="ID_110"> Unsre Beziehungen zu einem großen Teile des österreichischen Staats<lb/> haben sich nach 1866 in kurzer Zeit überraschend günstig und freundschaftlich<lb/> gestaltet; das hat seine guten Gründe: die gemeinsame Herkunft und dieselbe<lb/> Sprache, die Angriffe, denen das Deutschtum in Österreich von tschechischer,<lb/> polinscher, ungarischer und sonst ultranationalistischer Seite ausgesetzt ist, die<lb/> gemeinsamen Bedenken gegen ultramontane Übergriffe und in erster Reihe das<lb/> "le genug zu bewundernde und zu preisende Gemüt des Kaisers Franz Joseph,<lb/> das schon an und für sich eine wahre Sonne von Wohlwollen und einigender<lb/> Liebe vorstellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_111"> Mit den Franzosen ist es gerade das Gegenteil. Wir stehn ""t ihnen<lb/> "och genau auf dem Punkt, auf dein wir in den ersten Zeiten nach Abschluß<lb/> des Frankfurter Friedens mit ihnen gestanden haben, und es wäre erstaunlich,<lb/> daß die Zeit in dieser Beziehung so ohnmächtig gewesen ist. wenn man sich<lb/> nicht vergegenwärtigte, in welchem Maße Paris das Zentrum und das Hanpt-<lb/> guartier aller gegen Dentschland gerichteten Bestrebungen ist. und daß sich dort<lb/> die Vertreter aller qermauophoben Parteien jeden Tag von neuem gegenseitig<lb/> zu leidenschaftlichem Haß gegen unser Land, unsre Regierung und unser Volt<lb/> Bregen. In Paris ist in den die internationale Presse ausmachenden und<lb/> umgebenden Kreisen alles vertreten, was auf der einen Seite Autorität und<lb/> Tradition, ans der andern deutschen Einfluß, deutsches Denken und Fühlen<lb/> ^kämpft: Tscheche». Polen. andre Slawen. Dänen. Anarchisten. Ulwunon-<lb/> taue. Welsen. Wer diesen Hexenkessel nicht kennt, macht sich keinen Begriff<lb/> davon: es ist derselbe Zustand krankhafter Überreizung, dessen wir vorhin<lb/> bei der Besprechung eines Teils der dentschen Presse gedachten, zedoch mit<lb/> einem erstaunlichen' allseitigen Einverständnis in dem einen Punkte daß alle»<lb/> darauf ankomme, mit Dentschland fertig zu werdeu und deutsches Oberwasser<lb/> zu beseitigen, wo man ihm immer begegne.</p><lb/> <p xml:id="ID_112" next="#ID_113"> Die französische Regierung, deren Mitglieder diese Auffassung entweder<lb/> teilen - und das dürfte in der Regel die Mehrzahl thun - oder uus mehr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
Die Räuber
Im allgemeinen sind wir Deutschen im Auslande mehr geachtet als ge¬
liebt, nicht weil wir unbescheiden wären, sondern weil wir ruhmrednerisch sind,
und weil wir von allen zivilisierten Nationen die unfreundlichste und nnnach-
barlichste Presse bilden, zum Teil Leute, von denen man sich fragt, ob sie an
Größen- oder Berfolgnngswahnsinn leiden, ob sie Absinth trinken, ob sie
glauben, daß andre Völker nicht Deutsch versteh», oder endlich ob sie denken,
der Deutsche habe das Vorrecht, alle Welt vor den Kopf zu stoßen, ohne daß
es ihm übelgenommen werden könne. Wenn die deutsche Presse, was sie mehr
ist. die Stimme des deutschen Volks wäre, wäre dieses deutsche Volk die inten¬
sivste Neid- und Giftpilzknltnr aller fünf Erdteile. Es ist uns kein Vergnügen,
das zu sag,„. und noch weniger, es täglich wahrzunehmen, und wir gestehn.
daß wir uns fast täglich bei dem einen oder dein andern Artikel, der uns
in den Zeitungen zu Gesicht kommt, den Kopf mit beiden Händen halten und
uus fragen, ob es bei den andern rappete oder bei uus? Wollte Gott, es
rappelle bei uus: unser dünnes Flötcheu verhallt doch ohnehin so gut wie
ungehört.
Unsre Beziehungen zu einem großen Teile des österreichischen Staats
haben sich nach 1866 in kurzer Zeit überraschend günstig und freundschaftlich
gestaltet; das hat seine guten Gründe: die gemeinsame Herkunft und dieselbe
Sprache, die Angriffe, denen das Deutschtum in Österreich von tschechischer,
polinscher, ungarischer und sonst ultranationalistischer Seite ausgesetzt ist, die
gemeinsamen Bedenken gegen ultramontane Übergriffe und in erster Reihe das
"le genug zu bewundernde und zu preisende Gemüt des Kaisers Franz Joseph,
das schon an und für sich eine wahre Sonne von Wohlwollen und einigender
Liebe vorstellt.
Mit den Franzosen ist es gerade das Gegenteil. Wir stehn ""t ihnen
"och genau auf dem Punkt, auf dein wir in den ersten Zeiten nach Abschluß
des Frankfurter Friedens mit ihnen gestanden haben, und es wäre erstaunlich,
daß die Zeit in dieser Beziehung so ohnmächtig gewesen ist. wenn man sich
nicht vergegenwärtigte, in welchem Maße Paris das Zentrum und das Hanpt-
guartier aller gegen Dentschland gerichteten Bestrebungen ist. und daß sich dort
die Vertreter aller qermauophoben Parteien jeden Tag von neuem gegenseitig
zu leidenschaftlichem Haß gegen unser Land, unsre Regierung und unser Volt
Bregen. In Paris ist in den die internationale Presse ausmachenden und
umgebenden Kreisen alles vertreten, was auf der einen Seite Autorität und
Tradition, ans der andern deutschen Einfluß, deutsches Denken und Fühlen
^kämpft: Tscheche». Polen. andre Slawen. Dänen. Anarchisten. Ulwunon-
taue. Welsen. Wer diesen Hexenkessel nicht kennt, macht sich keinen Begriff
davon: es ist derselbe Zustand krankhafter Überreizung, dessen wir vorhin
bei der Besprechung eines Teils der dentschen Presse gedachten, zedoch mit
einem erstaunlichen' allseitigen Einverständnis in dem einen Punkte daß alle»
darauf ankomme, mit Dentschland fertig zu werdeu und deutsches Oberwasser
zu beseitigen, wo man ihm immer begegne.
Die französische Regierung, deren Mitglieder diese Auffassung entweder
teilen - und das dürfte in der Regel die Mehrzahl thun - oder uus mehr
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