Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
(österreichisches

zuwiderlief. Die Frage des slowenischen Gymnasiums in Cilli, des tschechischen
in Troppau, des polnischen in Teschen und des deutschen in Friedeck müszte
durch Abstimmung entschieden werden, und es war vorauszusehen, daß sie das
Plenum noch lebhaft beschäftigen werde. Die Bewilligung des Dispositions¬
fonds, somit die Vertrauensfrage für das Kabinett Körber wurde mit der Be-
gründung zu seinen Gunsten entschieden, daß der Regierung ein moralischer
Rückhalt für die Ausgleichsverhaudluugen mit Ungarn geboten werden müsse,
die freilich immer eine gefährliche Klippe für den Bestand des Ministeriums
bleiben werden.

Der Ministerpräsident hatte noch Ende Februar uicht nur sehr rosige
Aussichten auf das Zustandekommen des wirtschaftlichen Ausgleichs mit Ungarn
eröffnet, sondern auch alle Deutungen feines frühern Hinweises auf eine etwa
unabweislich gewordne Staatsrettung durch eine Radikalkur als die Eröffnung
der Aussicht aus einen Staatsstreich von sich weit weggewiesen. Die An¬
wendung der außerordentlichen Mittel, die zu vermeiden ja jederzeit in der
Hand der Parteien des Abgeordnetenhauses liege, nannte Körber die Abwehr
des Streichs, mit dem bewußt oder unbewußt der Staat bedroht werde. Diese
Erklärung wurde allgemein als geschickt vollzogner Wechsel seines frühern
Standpunkts aufgefaßt und hat ermutigend auf die Freunde, entmutigend auf
die Gegner der Verfassung gewirkt. Aber die Erläuterung seiner Worte dahin,
daß der Staat, wenn das Parlament den Schlitz seiner Völker nicht versehen
wolle, das Recht zu existieren auch gegenüber dein Parlament zu Hilfe rufen
müsse, und nicht minder der kalte Wasserstrahl, den der Abgeordnete Strcmsky
als Sprecher der Jnngtschechen der allzu üppig in die Halme schießenden
Hoffnungsfreudigkeit der übrigen Parteien zu versetzen für gut fand, sowie der
Haß gegen den österreichischen Staat, den sein agrarischer Kollege Klofac offen
bekannte, zeigten, daß nach wie vor der Staatsstreich gleich einem Damokles¬
schwert über den Völkern Österreichs hänge.

Besonders nahe ist jetzt aber diese Gefahr durch den Sieg gerückt, den
die vereinigten Polen, Rnthenen, Tschechen und Südslawen, unterstützt durch
die verstimmten Italiener, Rumänen, Sozialdemokraten und leider anch durch
die verräterische Haltung eines Teils der Deutschkleritalcn, bei der Abstimmung
über die Resolution des Grafen Stürgkh errungen haben, in der die Ver¬
legung der slowenischen Parallelklassen des Cillier Gymnasiums nach Marburg
und die Ausgestaltung des dortigen slowenischen Untergymnasiums zu einem
Obergymnasinm von der Negierung verlangt wurde. Die Ablehnung dieser
auf das bescheidenste Maß eingeschränkten Forderung der Deutschen zur Er¬
haltung ihres Volkstums in der südsteirischen Sprachinsel durch das ver¬
einigte Slawentum war der Tropfen, der den Becher der deutschen Geduld
zum Überfließen brachte. Die einstimmige Entrüstung aller deutschen Wähler¬
schaften und ihre Besorgnis vor einer Wiederkehr des Taasfischcn eisernen
Ringes, die nunmehr die rücksichtsloseste Opposition und wenn nötig Obstruktion
verlangt, hat für das Kabinett Körber eine ganz neue Lage geschaffen. Ge¬
lingt es nicht, einen Ausweg zu schaffen, der die ans das äußerste bedrohte
Bewilligung des Jahresvoranschlages ermöglicht, und können die beiden


(österreichisches

zuwiderlief. Die Frage des slowenischen Gymnasiums in Cilli, des tschechischen
in Troppau, des polnischen in Teschen und des deutschen in Friedeck müszte
durch Abstimmung entschieden werden, und es war vorauszusehen, daß sie das
Plenum noch lebhaft beschäftigen werde. Die Bewilligung des Dispositions¬
fonds, somit die Vertrauensfrage für das Kabinett Körber wurde mit der Be-
gründung zu seinen Gunsten entschieden, daß der Regierung ein moralischer
Rückhalt für die Ausgleichsverhaudluugen mit Ungarn geboten werden müsse,
die freilich immer eine gefährliche Klippe für den Bestand des Ministeriums
bleiben werden.

Der Ministerpräsident hatte noch Ende Februar uicht nur sehr rosige
Aussichten auf das Zustandekommen des wirtschaftlichen Ausgleichs mit Ungarn
eröffnet, sondern auch alle Deutungen feines frühern Hinweises auf eine etwa
unabweislich gewordne Staatsrettung durch eine Radikalkur als die Eröffnung
der Aussicht aus einen Staatsstreich von sich weit weggewiesen. Die An¬
wendung der außerordentlichen Mittel, die zu vermeiden ja jederzeit in der
Hand der Parteien des Abgeordnetenhauses liege, nannte Körber die Abwehr
des Streichs, mit dem bewußt oder unbewußt der Staat bedroht werde. Diese
Erklärung wurde allgemein als geschickt vollzogner Wechsel seines frühern
Standpunkts aufgefaßt und hat ermutigend auf die Freunde, entmutigend auf
die Gegner der Verfassung gewirkt. Aber die Erläuterung seiner Worte dahin,
daß der Staat, wenn das Parlament den Schlitz seiner Völker nicht versehen
wolle, das Recht zu existieren auch gegenüber dein Parlament zu Hilfe rufen
müsse, und nicht minder der kalte Wasserstrahl, den der Abgeordnete Strcmsky
als Sprecher der Jnngtschechen der allzu üppig in die Halme schießenden
Hoffnungsfreudigkeit der übrigen Parteien zu versetzen für gut fand, sowie der
Haß gegen den österreichischen Staat, den sein agrarischer Kollege Klofac offen
bekannte, zeigten, daß nach wie vor der Staatsstreich gleich einem Damokles¬
schwert über den Völkern Österreichs hänge.

Besonders nahe ist jetzt aber diese Gefahr durch den Sieg gerückt, den
die vereinigten Polen, Rnthenen, Tschechen und Südslawen, unterstützt durch
die verstimmten Italiener, Rumänen, Sozialdemokraten und leider anch durch
die verräterische Haltung eines Teils der Deutschkleritalcn, bei der Abstimmung
über die Resolution des Grafen Stürgkh errungen haben, in der die Ver¬
legung der slowenischen Parallelklassen des Cillier Gymnasiums nach Marburg
und die Ausgestaltung des dortigen slowenischen Untergymnasiums zu einem
Obergymnasinm von der Negierung verlangt wurde. Die Ablehnung dieser
auf das bescheidenste Maß eingeschränkten Forderung der Deutschen zur Er¬
haltung ihres Volkstums in der südsteirischen Sprachinsel durch das ver¬
einigte Slawentum war der Tropfen, der den Becher der deutschen Geduld
zum Überfließen brachte. Die einstimmige Entrüstung aller deutschen Wähler¬
schaften und ihre Besorgnis vor einer Wiederkehr des Taasfischcn eisernen
Ringes, die nunmehr die rücksichtsloseste Opposition und wenn nötig Obstruktion
verlangt, hat für das Kabinett Körber eine ganz neue Lage geschaffen. Ge¬
lingt es nicht, einen Ausweg zu schaffen, der die ans das äußerste bedrohte
Bewilligung des Jahresvoranschlages ermöglicht, und können die beiden


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237478"/>
            <fw type="header" place="top"> (österreichisches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1019" prev="#ID_1018"> zuwiderlief. Die Frage des slowenischen Gymnasiums in Cilli, des tschechischen<lb/>
in Troppau, des polnischen in Teschen und des deutschen in Friedeck müszte<lb/>
durch Abstimmung entschieden werden, und es war vorauszusehen, daß sie das<lb/>
Plenum noch lebhaft beschäftigen werde. Die Bewilligung des Dispositions¬<lb/>
fonds, somit die Vertrauensfrage für das Kabinett Körber wurde mit der Be-<lb/>
gründung zu seinen Gunsten entschieden, daß der Regierung ein moralischer<lb/>
Rückhalt für die Ausgleichsverhaudluugen mit Ungarn geboten werden müsse,<lb/>
die freilich immer eine gefährliche Klippe für den Bestand des Ministeriums<lb/>
bleiben werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1020"> Der Ministerpräsident hatte noch Ende Februar uicht nur sehr rosige<lb/>
Aussichten auf das Zustandekommen des wirtschaftlichen Ausgleichs mit Ungarn<lb/>
eröffnet, sondern auch alle Deutungen feines frühern Hinweises auf eine etwa<lb/>
unabweislich gewordne Staatsrettung durch eine Radikalkur als die Eröffnung<lb/>
der Aussicht aus einen Staatsstreich von sich weit weggewiesen. Die An¬<lb/>
wendung der außerordentlichen Mittel, die zu vermeiden ja jederzeit in der<lb/>
Hand der Parteien des Abgeordnetenhauses liege, nannte Körber die Abwehr<lb/>
des Streichs, mit dem bewußt oder unbewußt der Staat bedroht werde. Diese<lb/>
Erklärung wurde allgemein als geschickt vollzogner Wechsel seines frühern<lb/>
Standpunkts aufgefaßt und hat ermutigend auf die Freunde, entmutigend auf<lb/>
die Gegner der Verfassung gewirkt. Aber die Erläuterung seiner Worte dahin,<lb/>
daß der Staat, wenn das Parlament den Schlitz seiner Völker nicht versehen<lb/>
wolle, das Recht zu existieren auch gegenüber dein Parlament zu Hilfe rufen<lb/>
müsse, und nicht minder der kalte Wasserstrahl, den der Abgeordnete Strcmsky<lb/>
als Sprecher der Jnngtschechen der allzu üppig in die Halme schießenden<lb/>
Hoffnungsfreudigkeit der übrigen Parteien zu versetzen für gut fand, sowie der<lb/>
Haß gegen den österreichischen Staat, den sein agrarischer Kollege Klofac offen<lb/>
bekannte, zeigten, daß nach wie vor der Staatsstreich gleich einem Damokles¬<lb/>
schwert über den Völkern Österreichs hänge.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1021" next="#ID_1022"> Besonders nahe ist jetzt aber diese Gefahr durch den Sieg gerückt, den<lb/>
die vereinigten Polen, Rnthenen, Tschechen und Südslawen, unterstützt durch<lb/>
die verstimmten Italiener, Rumänen, Sozialdemokraten und leider anch durch<lb/>
die verräterische Haltung eines Teils der Deutschkleritalcn, bei der Abstimmung<lb/>
über die Resolution des Grafen Stürgkh errungen haben, in der die Ver¬<lb/>
legung der slowenischen Parallelklassen des Cillier Gymnasiums nach Marburg<lb/>
und die Ausgestaltung des dortigen slowenischen Untergymnasiums zu einem<lb/>
Obergymnasinm von der Negierung verlangt wurde. Die Ablehnung dieser<lb/>
auf das bescheidenste Maß eingeschränkten Forderung der Deutschen zur Er¬<lb/>
haltung ihres Volkstums in der südsteirischen Sprachinsel durch das ver¬<lb/>
einigte Slawentum war der Tropfen, der den Becher der deutschen Geduld<lb/>
zum Überfließen brachte. Die einstimmige Entrüstung aller deutschen Wähler¬<lb/>
schaften und ihre Besorgnis vor einer Wiederkehr des Taasfischcn eisernen<lb/>
Ringes, die nunmehr die rücksichtsloseste Opposition und wenn nötig Obstruktion<lb/>
verlangt, hat für das Kabinett Körber eine ganz neue Lage geschaffen. Ge¬<lb/>
lingt es nicht, einen Ausweg zu schaffen, der die ans das äußerste bedrohte<lb/>
Bewilligung des Jahresvoranschlages ermöglicht, und können die beiden</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0192] (österreichisches zuwiderlief. Die Frage des slowenischen Gymnasiums in Cilli, des tschechischen in Troppau, des polnischen in Teschen und des deutschen in Friedeck müszte durch Abstimmung entschieden werden, und es war vorauszusehen, daß sie das Plenum noch lebhaft beschäftigen werde. Die Bewilligung des Dispositions¬ fonds, somit die Vertrauensfrage für das Kabinett Körber wurde mit der Be- gründung zu seinen Gunsten entschieden, daß der Regierung ein moralischer Rückhalt für die Ausgleichsverhaudluugen mit Ungarn geboten werden müsse, die freilich immer eine gefährliche Klippe für den Bestand des Ministeriums bleiben werden. Der Ministerpräsident hatte noch Ende Februar uicht nur sehr rosige Aussichten auf das Zustandekommen des wirtschaftlichen Ausgleichs mit Ungarn eröffnet, sondern auch alle Deutungen feines frühern Hinweises auf eine etwa unabweislich gewordne Staatsrettung durch eine Radikalkur als die Eröffnung der Aussicht aus einen Staatsstreich von sich weit weggewiesen. Die An¬ wendung der außerordentlichen Mittel, die zu vermeiden ja jederzeit in der Hand der Parteien des Abgeordnetenhauses liege, nannte Körber die Abwehr des Streichs, mit dem bewußt oder unbewußt der Staat bedroht werde. Diese Erklärung wurde allgemein als geschickt vollzogner Wechsel seines frühern Standpunkts aufgefaßt und hat ermutigend auf die Freunde, entmutigend auf die Gegner der Verfassung gewirkt. Aber die Erläuterung seiner Worte dahin, daß der Staat, wenn das Parlament den Schlitz seiner Völker nicht versehen wolle, das Recht zu existieren auch gegenüber dein Parlament zu Hilfe rufen müsse, und nicht minder der kalte Wasserstrahl, den der Abgeordnete Strcmsky als Sprecher der Jnngtschechen der allzu üppig in die Halme schießenden Hoffnungsfreudigkeit der übrigen Parteien zu versetzen für gut fand, sowie der Haß gegen den österreichischen Staat, den sein agrarischer Kollege Klofac offen bekannte, zeigten, daß nach wie vor der Staatsstreich gleich einem Damokles¬ schwert über den Völkern Österreichs hänge. Besonders nahe ist jetzt aber diese Gefahr durch den Sieg gerückt, den die vereinigten Polen, Rnthenen, Tschechen und Südslawen, unterstützt durch die verstimmten Italiener, Rumänen, Sozialdemokraten und leider anch durch die verräterische Haltung eines Teils der Deutschkleritalcn, bei der Abstimmung über die Resolution des Grafen Stürgkh errungen haben, in der die Ver¬ legung der slowenischen Parallelklassen des Cillier Gymnasiums nach Marburg und die Ausgestaltung des dortigen slowenischen Untergymnasiums zu einem Obergymnasinm von der Negierung verlangt wurde. Die Ablehnung dieser auf das bescheidenste Maß eingeschränkten Forderung der Deutschen zur Er¬ haltung ihres Volkstums in der südsteirischen Sprachinsel durch das ver¬ einigte Slawentum war der Tropfen, der den Becher der deutschen Geduld zum Überfließen brachte. Die einstimmige Entrüstung aller deutschen Wähler¬ schaften und ihre Besorgnis vor einer Wiederkehr des Taasfischcn eisernen Ringes, die nunmehr die rücksichtsloseste Opposition und wenn nötig Obstruktion verlangt, hat für das Kabinett Körber eine ganz neue Lage geschaffen. Ge¬ lingt es nicht, einen Ausweg zu schaffen, der die ans das äußerste bedrohte Bewilligung des Jahresvoranschlages ermöglicht, und können die beiden

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/192
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/192>, abgerufen am 26.06.2024.