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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüllcr und sein Freund

sie anzügliche Blicke nuf York warf, der eben in vornehmer Lässigkeit den Kirsch¬
berg heraufkam. Dann fuhr sie fort: Ich will Ihnen was sagen, Dnttmüllern,
wenn Schwagers bei der Garde stehn und kommen in Zivil an, dann ist ganz
gewiß die Kasse nicht in Ordnung. Und wenn sie früh vor Tage in Zivil zu
ihren Schwagers gehn und bald darauf wieder abziehn, dann wollen sie ihre
Schwagers ganz gewiß anborgen. Nicht wahr, Vater?

Ölmann erwiderte: Jawohl, Jdchen. Dieses war schon im Altertum das
nämliche. Wenn bei den alten Griechen und Römern Gardeleutnants in Zivil
ausgingen, dann gingen sie auf Raub aus.

Frau Duttmüller machte Augen so groß wie die Kaffeetassen und sah von
dem einen auf den andern, und eine große Unruhe stieg in ihrer Seele auf. Sie
erinnerte sich, daß Uork wirklich heute früh bei ihrem Dnttmüller gewesen war,
und daß Duttmüller hinterher auffallend schlechte Laune gehabt hatte. Das wäre
ja wunderschön für ihren Louis, eine Frau, die nichts hat und nichts mitkriegt, und
ein Schwager, der sich anhängt wie ein Blutegel. I, da sollte doch gleich --!
So etwas wäre nicht passiert, wenn ihr Louis gehört und Karoline Hefter mit ihren
drei Häusern in Magdeburg geheiratet hätte.

Da kam Klapphorn angezogen, um dem Herrn Kantor zu fügen, daß sogleich
eine Pause eintreten werde, und daß sich der Herr Kantor bereit halten möchte,
seine Rede zu halten. Der Herr Kantor rührte sich nicht vom Flecke. Er ließ die
Pause eintreten, ließ sich noch zweimal erinnern und ging dann langsam -- denn
so wollten es Anstand und Selbstbewußtsein -- zu der mit Grün umkleideten
Rednerkauzel. Darauf flüsterte er von der Kanzel herab noch ein Wort Poplitzen
nach rechts und dem alten Esch nach links zu, ließ das Trompetensignal "das
Ganze sammeln" blasen, gab sich innerlich noch einen Stoß, um sich auf deu Ton
der Begeistrung zu stimmen, worin solche Reden gehalten werden müssen, lockerte
nochmals sein Manuskript in der Rocktasche und legte los.

Die Rede war sehr schön. Sie war kunstreich aus einer Sedanrede, einer
Kvnigsgeburtstagsrcde und einer Neujahrspredigt zusammengebaut und mit kühnen
Übergängen und vielen schönen Zitaten versehen worden, und es muß beklagt werden,
daß wir sie aus Raummangel nicht vollständig wiedergeben können, sondern daß
tnir uns auf die Wiedergabe einiger weniger Wendungen beschränken müssen. Der
Herr Kantor setzte, wie schon gesagt worden ist, in begeistertem Ton ein und rief:
Freunde, Mitbürger, Festgenosscn! Heute ist der Tag, an dem auf diesem Berge
das Feuer der Begeistrung lodert. Auch andre Flammen lodern. Die Flammen
der Liebe und des Dankes. Dem Vaterlands gilts, dem teuern, des Sohne einst
ihr Blut verspritzt haben durch ihr todesmutiges Eintreten für Deutschlands Ruhm
und Größe. Cicero sagt: Wer sind die guten Bürger, in Krieg und Frieden?
Die, welche der Wohlthaten gedenk bleiben, die sie vom Vaterlande empfangen
haben. Pestalozzi sagt . . . Amos Comenius sagt . . . Und so lasset uns unsre
Blicke erheben zu dem erhabnen Hohenzolleruthrou, dessen Genealogie uns einen
Kaiser Wilhelm zeigt, einen Friedrich den Großen, einen Großen Kurfürsten, und
>vie sie alle heißen mögen, die, mit allen Herrschertugenden ausgerüstet, unser Vater¬
land gleich einem Phönix aus den Trümmern erstehn ließen. Darum sagt Paulus:
Fürchtet Gott, ehret den König! Und Schiller sagt: Ans Vaterland, ans teure,
schließ dich an. Jean Paul sagt. . . Rückert sagt. . . Zu diesem Zwecke haben
'vir uns heute zu einem patriotischen Konzert versammelt. Phthagorcis sagt: Das
ist das Wesen der Musik, daß sie die Seele des Menschen zur Harmonie des
Weltalls stimmt. Dem entspricht die Harmonie der Wohlgesinnten. Sie ist das
Fundament des Staats. Denn, wie Hermmmy sagt: Ordnung ist die Seele des
Staats. Darum lasset uns mit allen Fibern in unsrer Brust für die Ordnung des
Staats eintreten. Ein jeder gebe ein begeistertes Beispiel, denn Plato sagt: Unendlich
dick kommt auf gute Gewöhnung um. Darum von heute an sei es unser Gelöbnis:
Aus Vaterland, ans teure, schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen.


Doktor Duttmüllcr und sein Freund

sie anzügliche Blicke nuf York warf, der eben in vornehmer Lässigkeit den Kirsch¬
berg heraufkam. Dann fuhr sie fort: Ich will Ihnen was sagen, Dnttmüllern,
wenn Schwagers bei der Garde stehn und kommen in Zivil an, dann ist ganz
gewiß die Kasse nicht in Ordnung. Und wenn sie früh vor Tage in Zivil zu
ihren Schwagers gehn und bald darauf wieder abziehn, dann wollen sie ihre
Schwagers ganz gewiß anborgen. Nicht wahr, Vater?

Ölmann erwiderte: Jawohl, Jdchen. Dieses war schon im Altertum das
nämliche. Wenn bei den alten Griechen und Römern Gardeleutnants in Zivil
ausgingen, dann gingen sie auf Raub aus.

Frau Duttmüller machte Augen so groß wie die Kaffeetassen und sah von
dem einen auf den andern, und eine große Unruhe stieg in ihrer Seele auf. Sie
erinnerte sich, daß Uork wirklich heute früh bei ihrem Dnttmüller gewesen war,
und daß Duttmüller hinterher auffallend schlechte Laune gehabt hatte. Das wäre
ja wunderschön für ihren Louis, eine Frau, die nichts hat und nichts mitkriegt, und
ein Schwager, der sich anhängt wie ein Blutegel. I, da sollte doch gleich —!
So etwas wäre nicht passiert, wenn ihr Louis gehört und Karoline Hefter mit ihren
drei Häusern in Magdeburg geheiratet hätte.

Da kam Klapphorn angezogen, um dem Herrn Kantor zu fügen, daß sogleich
eine Pause eintreten werde, und daß sich der Herr Kantor bereit halten möchte,
seine Rede zu halten. Der Herr Kantor rührte sich nicht vom Flecke. Er ließ die
Pause eintreten, ließ sich noch zweimal erinnern und ging dann langsam — denn
so wollten es Anstand und Selbstbewußtsein — zu der mit Grün umkleideten
Rednerkauzel. Darauf flüsterte er von der Kanzel herab noch ein Wort Poplitzen
nach rechts und dem alten Esch nach links zu, ließ das Trompetensignal „das
Ganze sammeln" blasen, gab sich innerlich noch einen Stoß, um sich auf deu Ton
der Begeistrung zu stimmen, worin solche Reden gehalten werden müssen, lockerte
nochmals sein Manuskript in der Rocktasche und legte los.

Die Rede war sehr schön. Sie war kunstreich aus einer Sedanrede, einer
Kvnigsgeburtstagsrcde und einer Neujahrspredigt zusammengebaut und mit kühnen
Übergängen und vielen schönen Zitaten versehen worden, und es muß beklagt werden,
daß wir sie aus Raummangel nicht vollständig wiedergeben können, sondern daß
tnir uns auf die Wiedergabe einiger weniger Wendungen beschränken müssen. Der
Herr Kantor setzte, wie schon gesagt worden ist, in begeistertem Ton ein und rief:
Freunde, Mitbürger, Festgenosscn! Heute ist der Tag, an dem auf diesem Berge
das Feuer der Begeistrung lodert. Auch andre Flammen lodern. Die Flammen
der Liebe und des Dankes. Dem Vaterlands gilts, dem teuern, des Sohne einst
ihr Blut verspritzt haben durch ihr todesmutiges Eintreten für Deutschlands Ruhm
und Größe. Cicero sagt: Wer sind die guten Bürger, in Krieg und Frieden?
Die, welche der Wohlthaten gedenk bleiben, die sie vom Vaterlande empfangen
haben. Pestalozzi sagt . . . Amos Comenius sagt . . . Und so lasset uns unsre
Blicke erheben zu dem erhabnen Hohenzolleruthrou, dessen Genealogie uns einen
Kaiser Wilhelm zeigt, einen Friedrich den Großen, einen Großen Kurfürsten, und
>vie sie alle heißen mögen, die, mit allen Herrschertugenden ausgerüstet, unser Vater¬
land gleich einem Phönix aus den Trümmern erstehn ließen. Darum sagt Paulus:
Fürchtet Gott, ehret den König! Und Schiller sagt: Ans Vaterland, ans teure,
schließ dich an. Jean Paul sagt. . . Rückert sagt. . . Zu diesem Zwecke haben
'vir uns heute zu einem patriotischen Konzert versammelt. Phthagorcis sagt: Das
ist das Wesen der Musik, daß sie die Seele des Menschen zur Harmonie des
Weltalls stimmt. Dem entspricht die Harmonie der Wohlgesinnten. Sie ist das
Fundament des Staats. Denn, wie Hermmmy sagt: Ordnung ist die Seele des
Staats. Darum lasset uns mit allen Fibern in unsrer Brust für die Ordnung des
Staats eintreten. Ein jeder gebe ein begeistertes Beispiel, denn Plato sagt: Unendlich
dick kommt auf gute Gewöhnung um. Darum von heute an sei es unser Gelöbnis:
Aus Vaterland, ans teure, schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen.


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[0167] Doktor Duttmüllcr und sein Freund sie anzügliche Blicke nuf York warf, der eben in vornehmer Lässigkeit den Kirsch¬ berg heraufkam. Dann fuhr sie fort: Ich will Ihnen was sagen, Dnttmüllern, wenn Schwagers bei der Garde stehn und kommen in Zivil an, dann ist ganz gewiß die Kasse nicht in Ordnung. Und wenn sie früh vor Tage in Zivil zu ihren Schwagers gehn und bald darauf wieder abziehn, dann wollen sie ihre Schwagers ganz gewiß anborgen. Nicht wahr, Vater? Ölmann erwiderte: Jawohl, Jdchen. Dieses war schon im Altertum das nämliche. Wenn bei den alten Griechen und Römern Gardeleutnants in Zivil ausgingen, dann gingen sie auf Raub aus. Frau Duttmüller machte Augen so groß wie die Kaffeetassen und sah von dem einen auf den andern, und eine große Unruhe stieg in ihrer Seele auf. Sie erinnerte sich, daß Uork wirklich heute früh bei ihrem Dnttmüller gewesen war, und daß Duttmüller hinterher auffallend schlechte Laune gehabt hatte. Das wäre ja wunderschön für ihren Louis, eine Frau, die nichts hat und nichts mitkriegt, und ein Schwager, der sich anhängt wie ein Blutegel. I, da sollte doch gleich —! So etwas wäre nicht passiert, wenn ihr Louis gehört und Karoline Hefter mit ihren drei Häusern in Magdeburg geheiratet hätte. Da kam Klapphorn angezogen, um dem Herrn Kantor zu fügen, daß sogleich eine Pause eintreten werde, und daß sich der Herr Kantor bereit halten möchte, seine Rede zu halten. Der Herr Kantor rührte sich nicht vom Flecke. Er ließ die Pause eintreten, ließ sich noch zweimal erinnern und ging dann langsam — denn so wollten es Anstand und Selbstbewußtsein — zu der mit Grün umkleideten Rednerkauzel. Darauf flüsterte er von der Kanzel herab noch ein Wort Poplitzen nach rechts und dem alten Esch nach links zu, ließ das Trompetensignal „das Ganze sammeln" blasen, gab sich innerlich noch einen Stoß, um sich auf deu Ton der Begeistrung zu stimmen, worin solche Reden gehalten werden müssen, lockerte nochmals sein Manuskript in der Rocktasche und legte los. Die Rede war sehr schön. Sie war kunstreich aus einer Sedanrede, einer Kvnigsgeburtstagsrcde und einer Neujahrspredigt zusammengebaut und mit kühnen Übergängen und vielen schönen Zitaten versehen worden, und es muß beklagt werden, daß wir sie aus Raummangel nicht vollständig wiedergeben können, sondern daß tnir uns auf die Wiedergabe einiger weniger Wendungen beschränken müssen. Der Herr Kantor setzte, wie schon gesagt worden ist, in begeistertem Ton ein und rief: Freunde, Mitbürger, Festgenosscn! Heute ist der Tag, an dem auf diesem Berge das Feuer der Begeistrung lodert. Auch andre Flammen lodern. Die Flammen der Liebe und des Dankes. Dem Vaterlands gilts, dem teuern, des Sohne einst ihr Blut verspritzt haben durch ihr todesmutiges Eintreten für Deutschlands Ruhm und Größe. Cicero sagt: Wer sind die guten Bürger, in Krieg und Frieden? Die, welche der Wohlthaten gedenk bleiben, die sie vom Vaterlande empfangen haben. Pestalozzi sagt . . . Amos Comenius sagt . . . Und so lasset uns unsre Blicke erheben zu dem erhabnen Hohenzolleruthrou, dessen Genealogie uns einen Kaiser Wilhelm zeigt, einen Friedrich den Großen, einen Großen Kurfürsten, und >vie sie alle heißen mögen, die, mit allen Herrschertugenden ausgerüstet, unser Vater¬ land gleich einem Phönix aus den Trümmern erstehn ließen. Darum sagt Paulus: Fürchtet Gott, ehret den König! Und Schiller sagt: Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an. Jean Paul sagt. . . Rückert sagt. . . Zu diesem Zwecke haben 'vir uns heute zu einem patriotischen Konzert versammelt. Phthagorcis sagt: Das ist das Wesen der Musik, daß sie die Seele des Menschen zur Harmonie des Weltalls stimmt. Dem entspricht die Harmonie der Wohlgesinnten. Sie ist das Fundament des Staats. Denn, wie Hermmmy sagt: Ordnung ist die Seele des Staats. Darum lasset uns mit allen Fibern in unsrer Brust für die Ordnung des Staats eintreten. Ein jeder gebe ein begeistertes Beispiel, denn Plato sagt: Unendlich dick kommt auf gute Gewöhnung um. Darum von heute an sei es unser Gelöbnis: Aus Vaterland, ans teure, schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/167>, abgerufen am 26.06.2024.