Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.Doktor Duttmüller und sein Freund galt Von dem Herrn Kantor Mötefind, auf den es immer eine gewisse Anziehungs¬ Draußen regnet es still weiter. Man hört Männertritte; ein paar Bergleute Das war denn doch Happich äußeren Spaße. So ohne weiteres von seinem Happich rang die Hände und war außer sich. Man trank fremde Biere in Aber damit war Happich nicht geholfen. Man trank fremde Biere! Sein Ha! ha! rief Larisch, sehen Sie da, meine Herren, den Gastrat in tausend Lasset Sie sichs net leid sein, sagte der gutmütige Göckel. So wie i die Es wurde immer lebendiger im Saale. Siebitsch setzte mit seinem Armeemarsch Doktor Duttmüller und sein Freund galt Von dem Herrn Kantor Mötefind, auf den es immer eine gewisse Anziehungs¬ Draußen regnet es still weiter. Man hört Männertritte; ein paar Bergleute Das war denn doch Happich äußeren Spaße. So ohne weiteres von seinem Happich rang die Hände und war außer sich. Man trank fremde Biere in Aber damit war Happich nicht geholfen. Man trank fremde Biere! Sein Ha! ha! rief Larisch, sehen Sie da, meine Herren, den Gastrat in tausend Lasset Sie sichs net leid sein, sagte der gutmütige Göckel. So wie i die Es wurde immer lebendiger im Saale. Siebitsch setzte mit seinem Armeemarsch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237394"/> <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmüller und sein Freund</fw><lb/> <p xml:id="ID_530" prev="#ID_529"> galt Von dem Herrn Kantor Mötefind, auf den es immer eine gewisse Anziehungs¬<lb/> kraft ausübte, wenn irgendwo Freibier verschenkt wurde, der aber, durch den Regen<lb/> abgeleitet, zum Braunen Bären statt zum Festplatze gelangt war. Auch er trat ein und<lb/> hielt sich beobachtend im Hintergrunde, bis er aufgefordert wurde, am Tische Platz<lb/> zu nehmen, was er mit etwas Muspern und Wichtigkeit that. Wandrer und Olbrich<lb/> nahmen gleichfalls Platz zur besondern Genugthuung von Leberecht Bolze. Denn<lb/> Wandrer gehörte ja zur Sozietät als Vertreter des Direktors, und Doktor Olbrich<lb/> konnte als Sachverständiger fungieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_531"> Draußen regnet es still weiter. Man hört Männertritte; ein paar Bergleute<lb/> schauen ins Zimmer und verschwinden wieder, da sie den Vizedirektor erblicken.<lb/> Andre kommen, und der Vorgang wiederholt sich. Nebenan im großen Saale wird<lb/> es lebendig. Immer mehr Bergleute langen an, zuletzt ergießt sich ein Strom von<lb/> Hunderten von Menschen in das Haus. Im großen Saale hatte Dörcher Wäsche<lb/> aufgehängt. Diese Wäsche wurde abgenommen und kurzerhand in den Winkel ge¬<lb/> worfen. Der große Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, auf der Galerie, in<lb/> den Nebenräumen, auf der Flur, der Haustreppe standen und saßen sie. Jetzt wurden<lb/> Fässer in den Saal gerollt, nun erschien auch die Musik mit ihren Instrumenten.</p><lb/> <p xml:id="ID_532"> Das war denn doch Happich äußeren Spaße. So ohne weiteres von seinem<lb/> Eigentum Besitz zu ergreifen, so etwas war doch noch nicht dagewesen. Er suchte<lb/> sich dem Strom entgegen zu stellen, traf aber gleich zu Anfang auf seinen frühern<lb/> Knecht, den Husarenweidling, und Göring, denn diese beiden edeln Seelen hatten sich<lb/> schon gefunden. Husarenweidling lachte seinen, frühern Herrn frech ins Gesicht, und<lb/> Göring, der ein „Zielbewußter" war, ließ einige Phrasen von dem souveränen,<lb/> Willen des Volkes und den Jammergestalten der Burschoasie los. Die andern<lb/> hörten gar nicht auf ihn, sondern richteten sich häuslich ein, wie sie konnten, zapften<lb/> die Fässer an, teilten die Gläser aus und setzten ihr Trinkfest fort. Als aber<lb/> Wilhelm Neigebarth versuchte, dreinzureden, sagte man zu ihm: Maul halten, du<lb/> Grünschnabel, sonst giebt es Zuschlag.</p><lb/> <p xml:id="ID_533"> Happich rang die Hände und war außer sich. Man trank fremde Biere in<lb/> seinem Hause. Sogleich eilte er zu Wandrer und drang in ihn, daß er seinen<lb/> Leuten befehlen möchte, das Haus zu verlassen. — Ach lassen Sie nur, Happich,<lb/> erwiderte Wandrer, das machen wir morgen alles glatt. Schaden sollen Sie nicht<lb/> haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_534"> Aber damit war Happich nicht geholfen. Man trank fremde Biere! Sein<lb/> ganzes Inneres wollte sich dabei umwenden. An jedem Glase, das da getrunken<lb/> wurde, konnten, wenn geschickt eingeschenkt wurde, fünf Pfennige verdient werden.<lb/> Dort draußen wurden die Gläser gleich dutzendweise gefüllt und ausgetrunken, und<lb/> er hatte nichts davon. Nun wandte er sich an Göckel. Der erwiderte, er habe<lb/> an der ganzen Sache keinen Anteil; er habe das Bier an das Werk verkauft und<lb/> nun gar nichts mehr zu sagen. Er wandte sich an den Obersteiger. Auch dieser<lb/> erklärte seine Ohnmacht. Hier habe er als Hauswirt allein das Hausrecht. Mein<lb/> Gott, was hilft das beste Recht gegen die rohe Gewalt der Massen. Happich rang<lb/> die Hände, und seine Kappe saß bedenklich schief auf dem Kopfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_535"> Ha! ha! rief Larisch, sehen Sie da, meine Herren, den Gastrat in tausend<lb/> Ängsten. Warten Sie nur, Sie Goldsohn, es kommt noch besser.</p><lb/> <p xml:id="ID_536"> Lasset Sie sichs net leid sein, sagte der gutmütige Göckel. So wie i die<lb/> Brüder da drin kenn, machet Sie heut no e Bombegschäft. Sorge Sie lieber<lb/> dafür, daß Sie was im Haus habet, wenn die Fässer drin leer sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_537"> Es wurde immer lebendiger im Saale. Siebitsch setzte mit seinem Armeemarsch<lb/> Nummer 4 ein, worauf ein großes Bravo folgte. Schon fing man an, in der<lb/> einen Ecke des Saales Anstich zu singen und in der andern den Bergmannsgruß.<lb/> Der kleine Saal hatte auch sein Teil Bergleute aufnehmen müssen, nicht bloß die<lb/> Steiger und die Beamten, aus der Thür quollen sie herein wie Hefe aus einer/<lb/> Bierflasche. Ein allgemeines Gebrause erfüllte alle Räume.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
Doktor Duttmüller und sein Freund
galt Von dem Herrn Kantor Mötefind, auf den es immer eine gewisse Anziehungs¬
kraft ausübte, wenn irgendwo Freibier verschenkt wurde, der aber, durch den Regen
abgeleitet, zum Braunen Bären statt zum Festplatze gelangt war. Auch er trat ein und
hielt sich beobachtend im Hintergrunde, bis er aufgefordert wurde, am Tische Platz
zu nehmen, was er mit etwas Muspern und Wichtigkeit that. Wandrer und Olbrich
nahmen gleichfalls Platz zur besondern Genugthuung von Leberecht Bolze. Denn
Wandrer gehörte ja zur Sozietät als Vertreter des Direktors, und Doktor Olbrich
konnte als Sachverständiger fungieren.
Draußen regnet es still weiter. Man hört Männertritte; ein paar Bergleute
schauen ins Zimmer und verschwinden wieder, da sie den Vizedirektor erblicken.
Andre kommen, und der Vorgang wiederholt sich. Nebenan im großen Saale wird
es lebendig. Immer mehr Bergleute langen an, zuletzt ergießt sich ein Strom von
Hunderten von Menschen in das Haus. Im großen Saale hatte Dörcher Wäsche
aufgehängt. Diese Wäsche wurde abgenommen und kurzerhand in den Winkel ge¬
worfen. Der große Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, auf der Galerie, in
den Nebenräumen, auf der Flur, der Haustreppe standen und saßen sie. Jetzt wurden
Fässer in den Saal gerollt, nun erschien auch die Musik mit ihren Instrumenten.
Das war denn doch Happich äußeren Spaße. So ohne weiteres von seinem
Eigentum Besitz zu ergreifen, so etwas war doch noch nicht dagewesen. Er suchte
sich dem Strom entgegen zu stellen, traf aber gleich zu Anfang auf seinen frühern
Knecht, den Husarenweidling, und Göring, denn diese beiden edeln Seelen hatten sich
schon gefunden. Husarenweidling lachte seinen, frühern Herrn frech ins Gesicht, und
Göring, der ein „Zielbewußter" war, ließ einige Phrasen von dem souveränen,
Willen des Volkes und den Jammergestalten der Burschoasie los. Die andern
hörten gar nicht auf ihn, sondern richteten sich häuslich ein, wie sie konnten, zapften
die Fässer an, teilten die Gläser aus und setzten ihr Trinkfest fort. Als aber
Wilhelm Neigebarth versuchte, dreinzureden, sagte man zu ihm: Maul halten, du
Grünschnabel, sonst giebt es Zuschlag.
Happich rang die Hände und war außer sich. Man trank fremde Biere in
seinem Hause. Sogleich eilte er zu Wandrer und drang in ihn, daß er seinen
Leuten befehlen möchte, das Haus zu verlassen. — Ach lassen Sie nur, Happich,
erwiderte Wandrer, das machen wir morgen alles glatt. Schaden sollen Sie nicht
haben.
Aber damit war Happich nicht geholfen. Man trank fremde Biere! Sein
ganzes Inneres wollte sich dabei umwenden. An jedem Glase, das da getrunken
wurde, konnten, wenn geschickt eingeschenkt wurde, fünf Pfennige verdient werden.
Dort draußen wurden die Gläser gleich dutzendweise gefüllt und ausgetrunken, und
er hatte nichts davon. Nun wandte er sich an Göckel. Der erwiderte, er habe
an der ganzen Sache keinen Anteil; er habe das Bier an das Werk verkauft und
nun gar nichts mehr zu sagen. Er wandte sich an den Obersteiger. Auch dieser
erklärte seine Ohnmacht. Hier habe er als Hauswirt allein das Hausrecht. Mein
Gott, was hilft das beste Recht gegen die rohe Gewalt der Massen. Happich rang
die Hände, und seine Kappe saß bedenklich schief auf dem Kopfe.
Ha! ha! rief Larisch, sehen Sie da, meine Herren, den Gastrat in tausend
Ängsten. Warten Sie nur, Sie Goldsohn, es kommt noch besser.
Lasset Sie sichs net leid sein, sagte der gutmütige Göckel. So wie i die
Brüder da drin kenn, machet Sie heut no e Bombegschäft. Sorge Sie lieber
dafür, daß Sie was im Haus habet, wenn die Fässer drin leer sind.
Es wurde immer lebendiger im Saale. Siebitsch setzte mit seinem Armeemarsch
Nummer 4 ein, worauf ein großes Bravo folgte. Schon fing man an, in der
einen Ecke des Saales Anstich zu singen und in der andern den Bergmannsgruß.
Der kleine Saal hatte auch sein Teil Bergleute aufnehmen müssen, nicht bloß die
Steiger und die Beamten, aus der Thür quollen sie herein wie Hefe aus einer/
Bierflasche. Ein allgemeines Gebrause erfüllte alle Räume.
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