Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Doktor Duttmüllcr und sein Freund Nunmehr stand man in Gruppen im Zimmer in leise geführter Unterhaltung. Es ist schon mitgeteilt worden, daß die Familie von Onkel Alfons nicht ganz Jetzt segelte sie an den Geschcnktisch heran und nahm den Perlenschmuck in Das ist ja aber reizend, sagte sie zu Aork, ein Perlenschmuck. Das ist gewiß Da Fräulein Ulrike auf ihre vielen Fragen von Dort nur einsilbige Antworten Ja, gnädiges Fräulein, erwiderte dieser respektvoll, ich kann es nicht leugnen, Sagen Sie mal, Herr Sandmann -- Wandrer, nicht Sandmann, schaltete Lydia ein. Sie heißen nicht Sandmann, sondern Wandrer, Wie komisch! Sind Sie denn Nur sehr entfernt, erwiderte Wandrer. Wir haben auf derselben Schulbank Wie komisch! Sagen Sie mal, kennen Sie Herrn Friedrich Wilhelm Schutze in Wird nicht bald gefüttert, sagte Onkel Alfons, ein großer und wohlbeleibter Egon sah sich um, ob er nicht Anzeichen des beginnenden Diners entdeckte; Hast du nicht wenigstens einen anständigen Schnaps, fragte Onkel Alfons, Den hatte Egon zwar, aber der konnte doch nicht hier getrunken werden. Mau Doktor Duttmüllcr und sein Freund Nunmehr stand man in Gruppen im Zimmer in leise geführter Unterhaltung. Es ist schon mitgeteilt worden, daß die Familie von Onkel Alfons nicht ganz Jetzt segelte sie an den Geschcnktisch heran und nahm den Perlenschmuck in Das ist ja aber reizend, sagte sie zu Aork, ein Perlenschmuck. Das ist gewiß Da Fräulein Ulrike auf ihre vielen Fragen von Dort nur einsilbige Antworten Ja, gnädiges Fräulein, erwiderte dieser respektvoll, ich kann es nicht leugnen, Sagen Sie mal, Herr Sandmann — Wandrer, nicht Sandmann, schaltete Lydia ein. Sie heißen nicht Sandmann, sondern Wandrer, Wie komisch! Sind Sie denn Nur sehr entfernt, erwiderte Wandrer. Wir haben auf derselben Schulbank Wie komisch! Sagen Sie mal, kennen Sie Herrn Friedrich Wilhelm Schutze in Wird nicht bald gefüttert, sagte Onkel Alfons, ein großer und wohlbeleibter Egon sah sich um, ob er nicht Anzeichen des beginnenden Diners entdeckte; Hast du nicht wenigstens einen anständigen Schnaps, fragte Onkel Alfons, Den hatte Egon zwar, aber der konnte doch nicht hier getrunken werden. Mau <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0742" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237266"/> <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmüllcr und sein Freund</fw><lb/> <p xml:id="ID_3074"> Nunmehr stand man in Gruppen im Zimmer in leise geführter Unterhaltung.<lb/> In der Mitte Duttmüller und Alice, in einer Haltung, als hätten sie sich wichtiges<lb/> mitzuteilen. Aber es geschah nichts. Die bewaffnete Macht hatte sich in der Nähe<lb/> des Geschenktisches aufgestellt, Uork, der sich in der nach seiner Meinung verdammt<lb/> gemischten Gesellschaft sehr exklusiv hielt, und der Kadett, dem natürlich auch nicht<lb/> zuzumuten war, mit jedermann zu Verkehren, wenn ein Gnrdeoffizier gegenwärtig<lb/> war. Er bemühte sich also, seiner Länge eine Elle zuzusehen, und seine Stimme<lb/> ins Männliche zu forcieren, was ihm freilich nur ungenügend gelang, denn die<lb/> Stimme schlug immer über und krähte wie die eines Hahns. Im Fenster standen<lb/> die ältern Herren, und die ältern Damen hatten sich der Exzellenz zur Seite gesetzt.<lb/> Ellen war nicht zu sehen, Wandrer sprach mit Lydia, nud Fräulein Ulrike, die<lb/> Tochter von Onkel Alfons, flog von Gruppe zu Gruppe.</p><lb/> <p xml:id="ID_3075"> Es ist schon mitgeteilt worden, daß die Familie von Onkel Alfons nicht ganz<lb/> für voll angesehen wurde, weil er Bürgermeister einer kleinen Stadt geworden<lb/> war und schlechte Formen angenommen hatte, und weil seine Frau, eine geborne<lb/> Zaupe, und deren Tochter Ulrike doch gar zu bürgerlich-gewöhnlich waren. Glück¬<lb/> licherweise war die Frau nicht mitgekommen, aber Fräulein Ulrike war da und<lb/> bewegte sich im Kreise ihrer vornehmen Verwandten nicht gerade schüchtern, viel¬<lb/> mehr äußerst wißbegierig.</p><lb/> <p xml:id="ID_3076"> Jetzt segelte sie an den Geschcnktisch heran und nahm den Perlenschmuck in<lb/> Augenschein.</p><lb/> <p xml:id="ID_3077"> Das ist ja aber reizend, sagte sie zu Aork, ein Perlenschmuck. Das ist gewiß<lb/> ein alter Familienschmuck, der aufgefrischt worden ist. Wo hat ihn denn Tante<lb/> Exzellenz machen lassen? Perlen bedeuten ja Wohl Thränen? Nicht wahr, Dort,<lb/> Perlen bedeuten Thränen? Was hat denn Tante Lilli geschenkt? Haben denn<lb/> Strackwitzens auch was geschenkt? Wer ist denn der Herr — Sandmann da<lb/> drüben? Kaufmann? Und was ist denn der Herr Direktor? — Auch Kaufmann?<lb/> Wie komisch!</p><lb/> <p xml:id="ID_3078"> Da Fräulein Ulrike auf ihre vielen Fragen von Dort nur einsilbige Antworten<lb/> erhielt, so segelte sie ab und legte sich bei Wandrer und Lydia vor Anker, worauf<lb/> sie die tiefsinnige Frage that: Sie sind also jetzt hier, Herr Sandmann?</p><lb/> <p xml:id="ID_3079"> Ja, gnädiges Fräulein, erwiderte dieser respektvoll, ich kann es nicht leugnen,<lb/> ich bin jetzt hier. — Lydia lachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3080"> Sagen Sie mal, Herr Sandmann —</p><lb/> <p xml:id="ID_3081"> Wandrer, nicht Sandmann, schaltete Lydia ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_3082"> Sie heißen nicht Sandmann, sondern Wandrer, Wie komisch! Sind Sie denn<lb/> mit Doktor Duttmüller verwandt.</p><lb/> <p xml:id="ID_3083"> Nur sehr entfernt, erwiderte Wandrer. Wir haben auf derselben Schulbank<lb/> gesessen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3084"> Wie komisch! 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Seine Frau nud Exzellenz spannen ein langes Ge¬<lb/> spräch, und Klapphorn stand so unbeteiligt neben der Thür, wie die Schildwache,<lb/> wenn der Kommandeur verreist ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_3087"> Hast du nicht wenigstens einen anständigen Schnaps, fragte Onkel Alfons,<lb/> daß man dem Hunger eins auf den Kopf geben kann?</p><lb/> <p xml:id="ID_3088" next="#ID_3089"> Den hatte Egon zwar, aber der konnte doch nicht hier getrunken werden. Mau<lb/> zog sich also durch die offne Thür soweit in des Herrn Oberstleutnants Zimmer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0742]
Doktor Duttmüllcr und sein Freund
Nunmehr stand man in Gruppen im Zimmer in leise geführter Unterhaltung.
In der Mitte Duttmüller und Alice, in einer Haltung, als hätten sie sich wichtiges
mitzuteilen. Aber es geschah nichts. Die bewaffnete Macht hatte sich in der Nähe
des Geschenktisches aufgestellt, Uork, der sich in der nach seiner Meinung verdammt
gemischten Gesellschaft sehr exklusiv hielt, und der Kadett, dem natürlich auch nicht
zuzumuten war, mit jedermann zu Verkehren, wenn ein Gnrdeoffizier gegenwärtig
war. Er bemühte sich also, seiner Länge eine Elle zuzusehen, und seine Stimme
ins Männliche zu forcieren, was ihm freilich nur ungenügend gelang, denn die
Stimme schlug immer über und krähte wie die eines Hahns. Im Fenster standen
die ältern Herren, und die ältern Damen hatten sich der Exzellenz zur Seite gesetzt.
Ellen war nicht zu sehen, Wandrer sprach mit Lydia, nud Fräulein Ulrike, die
Tochter von Onkel Alfons, flog von Gruppe zu Gruppe.
Es ist schon mitgeteilt worden, daß die Familie von Onkel Alfons nicht ganz
für voll angesehen wurde, weil er Bürgermeister einer kleinen Stadt geworden
war und schlechte Formen angenommen hatte, und weil seine Frau, eine geborne
Zaupe, und deren Tochter Ulrike doch gar zu bürgerlich-gewöhnlich waren. Glück¬
licherweise war die Frau nicht mitgekommen, aber Fräulein Ulrike war da und
bewegte sich im Kreise ihrer vornehmen Verwandten nicht gerade schüchtern, viel¬
mehr äußerst wißbegierig.
Jetzt segelte sie an den Geschcnktisch heran und nahm den Perlenschmuck in
Augenschein.
Das ist ja aber reizend, sagte sie zu Aork, ein Perlenschmuck. Das ist gewiß
ein alter Familienschmuck, der aufgefrischt worden ist. Wo hat ihn denn Tante
Exzellenz machen lassen? Perlen bedeuten ja Wohl Thränen? Nicht wahr, Dort,
Perlen bedeuten Thränen? Was hat denn Tante Lilli geschenkt? Haben denn
Strackwitzens auch was geschenkt? Wer ist denn der Herr — Sandmann da
drüben? Kaufmann? Und was ist denn der Herr Direktor? — Auch Kaufmann?
Wie komisch!
Da Fräulein Ulrike auf ihre vielen Fragen von Dort nur einsilbige Antworten
erhielt, so segelte sie ab und legte sich bei Wandrer und Lydia vor Anker, worauf
sie die tiefsinnige Frage that: Sie sind also jetzt hier, Herr Sandmann?
Ja, gnädiges Fräulein, erwiderte dieser respektvoll, ich kann es nicht leugnen,
ich bin jetzt hier. — Lydia lachte.
Sagen Sie mal, Herr Sandmann —
Wandrer, nicht Sandmann, schaltete Lydia ein.
Sie heißen nicht Sandmann, sondern Wandrer, Wie komisch! Sind Sie denn
mit Doktor Duttmüller verwandt.
Nur sehr entfernt, erwiderte Wandrer. Wir haben auf derselben Schulbank
gesessen.
Wie komisch! Sagen Sie mal, kennen Sie Herrn Friedrich Wilhelm Schutze in
Hinterhnuseu? Er ist auch Kaufmann. Ein sehr gutes Geschäft. Mau kriegt nirgend
bessern Kaffee. — Darauf hängte sie sich an Lydia und wollte wissen, wo sie ihr
Kleid gekauft habe. Wandrer trat zurück und wandte sich den ältern Herren zu-
Wird nicht bald gefüttert, sagte Onkel Alfons, ein großer und wohlbeleibter
Herr, in lautem und jovialem Tone, nach euerm pimpligen Frühstück ist es mir
ganz flau im Magen geworden.
Egon sah sich um, ob er nicht Anzeichen des beginnenden Diners entdeckte;
aber es war nichts zu sehen. Seine Frau nud Exzellenz spannen ein langes Ge¬
spräch, und Klapphorn stand so unbeteiligt neben der Thür, wie die Schildwache,
wenn der Kommandeur verreist ist.
Hast du nicht wenigstens einen anständigen Schnaps, fragte Onkel Alfons,
daß man dem Hunger eins auf den Kopf geben kann?
Den hatte Egon zwar, aber der konnte doch nicht hier getrunken werden. Mau
zog sich also durch die offne Thür soweit in des Herrn Oberstleutnants Zimmer
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