Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Latholica umstände anders geworden. Wenn früher ein Legat in seine Legation ging, Alles das ist schon lange dahin. Kardinäle werden heute nur in den Mit der Verbesserung der Wege, der Einführung der Posten und der Wenn auch der diplomatische Verkehr keine besondern Anforderungen mehr Latholica umstände anders geworden. Wenn früher ein Legat in seine Legation ging, Alles das ist schon lange dahin. Kardinäle werden heute nur in den Mit der Verbesserung der Wege, der Einführung der Posten und der Wenn auch der diplomatische Verkehr keine besondern Anforderungen mehr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0656" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237180"/> <fw type="header" place="top"> Latholica</fw><lb/> <p xml:id="ID_2736" prev="#ID_2735"> umstände anders geworden. Wenn früher ein Legat in seine Legation ging,<lb/> so war das ein Ereignis für ganz Rom. Er wurde im Konsistorium ernannt,<lb/> und nach Beendigung der Konsistorialverhandlungen wurde dem neuernannten<lb/> Legaten eine besondre Ehrung zu teil, indem alle Kardinäle ihn vom Palaste<lb/> zu seiner Wohnung geleiteten. Die Vollmachten eines Legaten waren ganz<lb/> außerordentlich; es waren mehr als fünfzig Bullen und Breven nötig, alle<lb/> auszufertigen. War alles bereit, so nahm der Legat Abschied vom Papste,<lb/> und er setzte sich dann gleich in den Sattel, um an seinen Bestimmungsort<lb/> abzugehn. In der Regel gaben ihm zehn bis zwölf Kardinäle ein Stück Wegs<lb/> das Geleite. Kam er aus seiner Legation zurück, so sandte er einen Kurier<lb/> voraus, um seine Ankunft im Palast und bei den Kardinälen anzumelden.<lb/> Seine Freunde aus dem heiligen Kollegium ritten ihm vier bis sechs Meilen<lb/> entgegen und brachten ihn zu seiner Wohnung. Am folgenden Tage wurde<lb/> er vom ganzen Kardinalskollegium abgeholt und zum Konsistorium geleitet,<lb/> wo der Papst den Rechenschaftsbericht in Empfang nahm.</p><lb/> <p xml:id="ID_2737"> Alles das ist schon lange dahin. Kardinäle werden heute nur in den<lb/> allerseltensten Fällen als IsAicki ^ Is-tgre hinausgesandt. Die diplomatischen<lb/> Geschäfte ruhn ausschließlich in den Händen der Nnntien, Jnternuntien und<lb/> Delegaten. Bei den vielfach schlechten und langwierigen Verbindungen mit<lb/> Rom vermochten die Legaten und die Nuntien früher nicht mit einfachen Voll¬<lb/> machten auszukommen, weil Wochen, ja Monate vergehn konnten, bevor sie auf<lb/> eine Anfrage Antwort erhielten. Diese Thatsache, daß einem im Dienste der<lb/> Kirche erfahrnen Manne sozusagen die völlig selbständige Erledigung der mit¬<lb/> unter sehr wichtigen Angelegenheiten anheimgegeben werden mußte, erzeugte<lb/> ein Gefühl so hoher Verantwortlichkeit, daß alle Geistes- und Körperkräfte in<lb/> den Dienst der Sache gestellt wurden. Die Unbeschränktheit in den Ent¬<lb/> schließungen, das Gewicht der zu erledigenden Geschäfte und die Gewißheit<lb/> einer sorgfältigen Prüfung und Revision der getrosfnen Entscheidungen ent¬<lb/> wickelte in diesen Männern die höchsten Kräfte und erzeugte Ergebnisse, die<lb/> uns heute noch in ihrer trocknen geschichtlichen Form aufrichtige Vewundrung<lb/> abringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2738"> Mit der Verbesserung der Wege, der Einführung der Posten und der<lb/> .Konsolidierung der europäischen Landkarte sehen wir die Vollmachten der<lb/> türmten Diplomaten langsam schwinden. Dieser Prozeß vollzog sich besonders<lb/> stark im achtzehnten und in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Als<lb/> dann der Telegraph, die Eisenbahnen und Dampfboote hinzukamen, wurde die<lb/> innere Bedeutung der Nuntiaturen in derselben Weise beschnitten, wie der<lb/> Verkehr erleichtert wurde. Heute siud die Nuntien fast nnr noch Mittels¬<lb/> männer für den Gedankenaustausch zwischen der Kurie und den Kabinetten<lb/> und umgekehrt, wenn wir dabei von den geistlichen Vollmachten absehen, von<lb/> denen sie noch eine Anzahl behalten haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2739" next="#ID_2740"> Wenn auch der diplomatische Verkehr keine besondern Anforderungen mehr<lb/> an die Nuntien stellt, so kann heilte einer doch zu der Bedeutung eines großen<lb/> Diplomaten gelangen, wenn er sich nicht darauf beschränkt, Depeschen zu<lb/> chiffriereu oder dechiffrierte Depeschen ins Auswärtige Amt zu tragen, sondern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0656]
Latholica
umstände anders geworden. Wenn früher ein Legat in seine Legation ging,
so war das ein Ereignis für ganz Rom. Er wurde im Konsistorium ernannt,
und nach Beendigung der Konsistorialverhandlungen wurde dem neuernannten
Legaten eine besondre Ehrung zu teil, indem alle Kardinäle ihn vom Palaste
zu seiner Wohnung geleiteten. Die Vollmachten eines Legaten waren ganz
außerordentlich; es waren mehr als fünfzig Bullen und Breven nötig, alle
auszufertigen. War alles bereit, so nahm der Legat Abschied vom Papste,
und er setzte sich dann gleich in den Sattel, um an seinen Bestimmungsort
abzugehn. In der Regel gaben ihm zehn bis zwölf Kardinäle ein Stück Wegs
das Geleite. Kam er aus seiner Legation zurück, so sandte er einen Kurier
voraus, um seine Ankunft im Palast und bei den Kardinälen anzumelden.
Seine Freunde aus dem heiligen Kollegium ritten ihm vier bis sechs Meilen
entgegen und brachten ihn zu seiner Wohnung. Am folgenden Tage wurde
er vom ganzen Kardinalskollegium abgeholt und zum Konsistorium geleitet,
wo der Papst den Rechenschaftsbericht in Empfang nahm.
Alles das ist schon lange dahin. Kardinäle werden heute nur in den
allerseltensten Fällen als IsAicki ^ Is-tgre hinausgesandt. Die diplomatischen
Geschäfte ruhn ausschließlich in den Händen der Nnntien, Jnternuntien und
Delegaten. Bei den vielfach schlechten und langwierigen Verbindungen mit
Rom vermochten die Legaten und die Nuntien früher nicht mit einfachen Voll¬
machten auszukommen, weil Wochen, ja Monate vergehn konnten, bevor sie auf
eine Anfrage Antwort erhielten. Diese Thatsache, daß einem im Dienste der
Kirche erfahrnen Manne sozusagen die völlig selbständige Erledigung der mit¬
unter sehr wichtigen Angelegenheiten anheimgegeben werden mußte, erzeugte
ein Gefühl so hoher Verantwortlichkeit, daß alle Geistes- und Körperkräfte in
den Dienst der Sache gestellt wurden. Die Unbeschränktheit in den Ent¬
schließungen, das Gewicht der zu erledigenden Geschäfte und die Gewißheit
einer sorgfältigen Prüfung und Revision der getrosfnen Entscheidungen ent¬
wickelte in diesen Männern die höchsten Kräfte und erzeugte Ergebnisse, die
uns heute noch in ihrer trocknen geschichtlichen Form aufrichtige Vewundrung
abringen.
Mit der Verbesserung der Wege, der Einführung der Posten und der
.Konsolidierung der europäischen Landkarte sehen wir die Vollmachten der
türmten Diplomaten langsam schwinden. Dieser Prozeß vollzog sich besonders
stark im achtzehnten und in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Als
dann der Telegraph, die Eisenbahnen und Dampfboote hinzukamen, wurde die
innere Bedeutung der Nuntiaturen in derselben Weise beschnitten, wie der
Verkehr erleichtert wurde. Heute siud die Nuntien fast nnr noch Mittels¬
männer für den Gedankenaustausch zwischen der Kurie und den Kabinetten
und umgekehrt, wenn wir dabei von den geistlichen Vollmachten absehen, von
denen sie noch eine Anzahl behalten haben.
Wenn auch der diplomatische Verkehr keine besondern Anforderungen mehr
an die Nuntien stellt, so kann heilte einer doch zu der Bedeutung eines großen
Diplomaten gelangen, wenn er sich nicht darauf beschränkt, Depeschen zu
chiffriereu oder dechiffrierte Depeschen ins Auswärtige Amt zu tragen, sondern
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |