Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Doktor Duttmüller und sein Freund Ellen eilte sich also und stieg mit Lydia in den Wagen, der unten hielt. Vor Johann erhielt seine Weisung und lenkte seine Pferde auf den angegebnen Weg. Seit wann hast du denn Freundschaft mit Dörcher Happich geschlossen? fragte Still, still, erwiderte Lydia, indem sie auf Johann wies, du sollst alles er¬ Man fuhr also den Aueweg, in den Wald hinein, durch den Rehgrund auf Aber Lydia, sage mir -- Stille, stille, du sollst alles erfahren. Man kehrte auf dem kürzesten Wege zum Fronhofe zurück. Lydia eilte mit Wer? fragte Alice. Wer anders als dein Sembritzky, erwiderte Ellen. Mein Sembritzky? Jawohl, denn dich hat er angesungen. Und viele andre auch. Und mich hat er auch angesungen, fügte Lydia hinzu. Und jetzt geht er mit Alice blieb äußerlich gelassen, aber man konnte es an ihren blassen und un¬ Seht ihr, sagte Ellen altklug, da habt ihrs. So geht es, wenn man mit dem Als sich bei Lydia der Sturm gelegt hatte, kam folgendes zu Tage. Lydia Doktor Duttmüller und sein Freund Ellen eilte sich also und stieg mit Lydia in den Wagen, der unten hielt. Vor Johann erhielt seine Weisung und lenkte seine Pferde auf den angegebnen Weg. Seit wann hast du denn Freundschaft mit Dörcher Happich geschlossen? fragte Still, still, erwiderte Lydia, indem sie auf Johann wies, du sollst alles er¬ Man fuhr also den Aueweg, in den Wald hinein, durch den Rehgrund auf Aber Lydia, sage mir — Stille, stille, du sollst alles erfahren. Man kehrte auf dem kürzesten Wege zum Fronhofe zurück. Lydia eilte mit Wer? fragte Alice. Wer anders als dein Sembritzky, erwiderte Ellen. Mein Sembritzky? Jawohl, denn dich hat er angesungen. Und viele andre auch. Und mich hat er auch angesungen, fügte Lydia hinzu. Und jetzt geht er mit Alice blieb äußerlich gelassen, aber man konnte es an ihren blassen und un¬ Seht ihr, sagte Ellen altklug, da habt ihrs. So geht es, wenn man mit dem Als sich bei Lydia der Sturm gelegt hatte, kam folgendes zu Tage. Lydia <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0580" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237104"/> <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmüller und sein Freund</fw><lb/> <p xml:id="ID_2376"> Ellen eilte sich also und stieg mit Lydia in den Wagen, der unten hielt. Vor<lb/> Hnppichs Gasthaus wurde angehalten. Dörcher kam heraus und teilte Neuigkeiten<lb/> mit, und zwar so heimlich, daß man es die ganze Straße hinauf und hinab merken<lb/> konnte, daß es sich um Geheimnisse handle. Fritze Poplitzens Wagen sei vor einer<lb/> halben Stunde abgefahren, und auf der Postkarte hätte gestanden zu dem Zuge<lb/> um ein Uhr siebzehn Minuten von Altum aus. Wenn sie jetzt den Aueweg führen<lb/> und durch den Rehgrund auf den Heinrichsweg kämen, der nach Altum führt, und<lb/> dann links einbogen, so müßten sie ihnen begegnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2377"> Johann erhielt seine Weisung und lenkte seine Pferde auf den angegebnen Weg.</p><lb/> <p xml:id="ID_2378"> Seit wann hast du denn Freundschaft mit Dörcher Happich geschlossen? fragte<lb/> Ellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2379"> Still, still, erwiderte Lydia, indem sie auf Johann wies, du sollst alles er¬<lb/> fahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2380"> Man fuhr also den Aueweg, in den Wald hinein, durch den Rehgrund auf<lb/> die Waldhöhe und bog links in den Heinrichsweg ein, der auf dem Bergkcunme<lb/> von der Försterei nach Altum führte. Man war noch nicht weit gefahren, so er¬<lb/> schien von der andern Seite ein Wagen, Fritze Poplitzens Wagen mit Fritze Pop¬<lb/> litzens Grvßknecht als Kutscher auf dem Bocke. Lydia wurde blaß und rot und<lb/> ergriff Hilfe suchend die Hand Elters. Man fuhr aneinander vorüber. In dem<lb/> entgegenkommenden Wagen saß Doktor Sembritzky, und neben ihm eine rothaarige,<lb/> etwas orientalische Schönheit, eine Frau von junonischem Wuchse in der aller-<lb/> modernsten Kleidung und selbstbewußter Haltung. Mau grüßte sich steif und vor¬<lb/> nehm. Es war alles vorüber.</p><lb/> <p xml:id="ID_2381"> Aber Lydia, sage mir —</p><lb/> <p xml:id="ID_2382"> Stille, stille, du sollst alles erfahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2383"> Man kehrte auf dem kürzesten Wege zum Fronhofe zurück. Lydia eilte mit<lb/> Elleu hinauf in den Jungfernzwinger, und beide trafen dort Alice, die gedankenvoll<lb/> in ihrem Tagebuche blätterte. Lydia warf sich in leidenschaftlichem Zorn auf das<lb/> Sofa und rief mit Thränen in den Augen: Er ist ein Scheusal.</p><lb/> <p xml:id="ID_2384"> Wer? fragte Alice.</p><lb/> <p xml:id="ID_2385"> Wer anders als dein Sembritzky, erwiderte Ellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2386"> Mein Sembritzky?</p><lb/> <p xml:id="ID_2387"> Jawohl, denn dich hat er angesungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2388"> Und viele andre auch.</p><lb/> <p xml:id="ID_2389"> Und mich hat er auch angesungen, fügte Lydia hinzu. Und jetzt geht er mit<lb/> einer großen, dicken, rothaarigen Dame ab. Aber er soll mir nur wieder vor die<lb/> Augen kommen! Ich sage ihm ins Gesicht, daß er ein Scheusal ist. Ich werfe<lb/> ihm seine Gedichte an den Kopf.</p><lb/> <p xml:id="ID_2390"> Alice blieb äußerlich gelassen, aber man konnte es an ihren blassen und un¬<lb/> beweglichen Mienen merken, daß sie innerlich Schmerz empfand.</p><lb/> <p xml:id="ID_2391"> Seht ihr, sagte Ellen altklug, da habt ihrs. So geht es, wenn man mit dem<lb/> Feuer spielt. Und ich habe es gleich gesagt, ein Mensch, der bloß Doktor heißt<lb/> und nichts kann, der nichts ordentliches gelernt hat und ist, an dem ist auch nichts-<lb/> Lieber eiuen Menschendoktor heiraten, wie so einen, obwohl mir die Menschen¬<lb/> doktoren unappetitlich sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_2392" next="#ID_2393"> Als sich bei Lydia der Sturm gelegt hatte, kam folgendes zu Tage. Lydia<lb/> hatte ihren Vater begleitet, der bei Happich etwas zu thun gehabt hatte, und dort<lb/> hatte sie Dörcher getroffen, wie sie die Tasche des Postboten revidierte. Unter<lb/> den Briefschaften war ein Brief an Sembritzky gewesen, geschrieben von Frauen¬<lb/> hand und mit einem Monogramm E. M auf dem Couvert, und Dörcher hatte<lb/> mitgeteilt, was sie von der Ansichtspostkarte wußte, daß die Schreiberin, wahr¬<lb/> scheinlich eine Polin oder Zigeunerin aus Ragaz oder sonstwo in Polen, demnächst<lb/> kommen werde. Dies hatte natürlich Lydia interessiert. Sie war von Dörcher<lb/> auf dem Laufenden erhalten worden. Die Dame war wirklich gekommen und auf</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0580]
Doktor Duttmüller und sein Freund
Ellen eilte sich also und stieg mit Lydia in den Wagen, der unten hielt. Vor
Hnppichs Gasthaus wurde angehalten. Dörcher kam heraus und teilte Neuigkeiten
mit, und zwar so heimlich, daß man es die ganze Straße hinauf und hinab merken
konnte, daß es sich um Geheimnisse handle. Fritze Poplitzens Wagen sei vor einer
halben Stunde abgefahren, und auf der Postkarte hätte gestanden zu dem Zuge
um ein Uhr siebzehn Minuten von Altum aus. Wenn sie jetzt den Aueweg führen
und durch den Rehgrund auf den Heinrichsweg kämen, der nach Altum führt, und
dann links einbogen, so müßten sie ihnen begegnen.
Johann erhielt seine Weisung und lenkte seine Pferde auf den angegebnen Weg.
Seit wann hast du denn Freundschaft mit Dörcher Happich geschlossen? fragte
Ellen.
Still, still, erwiderte Lydia, indem sie auf Johann wies, du sollst alles er¬
fahren.
Man fuhr also den Aueweg, in den Wald hinein, durch den Rehgrund auf
die Waldhöhe und bog links in den Heinrichsweg ein, der auf dem Bergkcunme
von der Försterei nach Altum führte. Man war noch nicht weit gefahren, so er¬
schien von der andern Seite ein Wagen, Fritze Poplitzens Wagen mit Fritze Pop¬
litzens Grvßknecht als Kutscher auf dem Bocke. Lydia wurde blaß und rot und
ergriff Hilfe suchend die Hand Elters. Man fuhr aneinander vorüber. In dem
entgegenkommenden Wagen saß Doktor Sembritzky, und neben ihm eine rothaarige,
etwas orientalische Schönheit, eine Frau von junonischem Wuchse in der aller-
modernsten Kleidung und selbstbewußter Haltung. Mau grüßte sich steif und vor¬
nehm. Es war alles vorüber.
Aber Lydia, sage mir —
Stille, stille, du sollst alles erfahren.
Man kehrte auf dem kürzesten Wege zum Fronhofe zurück. Lydia eilte mit
Elleu hinauf in den Jungfernzwinger, und beide trafen dort Alice, die gedankenvoll
in ihrem Tagebuche blätterte. Lydia warf sich in leidenschaftlichem Zorn auf das
Sofa und rief mit Thränen in den Augen: Er ist ein Scheusal.
Wer? fragte Alice.
Wer anders als dein Sembritzky, erwiderte Ellen.
Mein Sembritzky?
Jawohl, denn dich hat er angesungen.
Und viele andre auch.
Und mich hat er auch angesungen, fügte Lydia hinzu. Und jetzt geht er mit
einer großen, dicken, rothaarigen Dame ab. Aber er soll mir nur wieder vor die
Augen kommen! Ich sage ihm ins Gesicht, daß er ein Scheusal ist. Ich werfe
ihm seine Gedichte an den Kopf.
Alice blieb äußerlich gelassen, aber man konnte es an ihren blassen und un¬
beweglichen Mienen merken, daß sie innerlich Schmerz empfand.
Seht ihr, sagte Ellen altklug, da habt ihrs. So geht es, wenn man mit dem
Feuer spielt. Und ich habe es gleich gesagt, ein Mensch, der bloß Doktor heißt
und nichts kann, der nichts ordentliches gelernt hat und ist, an dem ist auch nichts-
Lieber eiuen Menschendoktor heiraten, wie so einen, obwohl mir die Menschen¬
doktoren unappetitlich sind.
Als sich bei Lydia der Sturm gelegt hatte, kam folgendes zu Tage. Lydia
hatte ihren Vater begleitet, der bei Happich etwas zu thun gehabt hatte, und dort
hatte sie Dörcher getroffen, wie sie die Tasche des Postboten revidierte. Unter
den Briefschaften war ein Brief an Sembritzky gewesen, geschrieben von Frauen¬
hand und mit einem Monogramm E. M auf dem Couvert, und Dörcher hatte
mitgeteilt, was sie von der Ansichtspostkarte wußte, daß die Schreiberin, wahr¬
scheinlich eine Polin oder Zigeunerin aus Ragaz oder sonstwo in Polen, demnächst
kommen werde. Dies hatte natürlich Lydia interessiert. Sie war von Dörcher
auf dem Laufenden erhalten worden. Die Dame war wirklich gekommen und auf
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