Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Philistertum und Runst Schwankungen und Irrungen zuletzt die Thatkraft des Hohenzollerngcschlechts Und mir die unglaubliche Borniertheit des Philistertums kann dieses mit Es scheint uns, Lange hat das Kunststück fertig gebracht, sich zwischen Gespannt möchte man darauf sein, welchen Empfang ihm "diejenigen Philistertum und Runst Schwankungen und Irrungen zuletzt die Thatkraft des Hohenzollerngcschlechts Und mir die unglaubliche Borniertheit des Philistertums kann dieses mit Es scheint uns, Lange hat das Kunststück fertig gebracht, sich zwischen Gespannt möchte man darauf sein, welchen Empfang ihm „diejenigen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0567" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237091"/> <fw type="header" place="top"> Philistertum und Runst</fw><lb/> <p xml:id="ID_2312" prev="#ID_2311"> Schwankungen und Irrungen zuletzt die Thatkraft des Hohenzollerngcschlechts<lb/> den Weg zu der Herrlichkeit des neuen Deutschen Reichs gebahnt hat. Nur<lb/> Mißgunst und Neid können die Künstler spöttisch um die Freude kränken wollen,<lb/> die sie an ihrer Arbeit und der Vollendung des Werks gehabt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2313"> Und mir die unglaubliche Borniertheit des Philistertums kann dieses mit<lb/> solchen Leistungen, wie diesen Volkserziehungsholgen, „wie sie uns das Christfest<lb/> beschert hat," auch nur von ferne vergleichen. Mit solchen Volksbeglückungs¬<lb/> versuchen hat das Streben des Kaisers nichts zu thun. Je mehr sie dem<lb/> Geiste der modernen „Künstler" entsprechen, von denen „sie doch gerade her¬<lb/> stammen," desto weniger. Daß der Kaiser an ihnen achselzuckend vorüber¬<lb/> gegangen ist, beweist, wie richtig er fühlt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2314"> Es scheint uns, Lange hat das Kunststück fertig gebracht, sich zwischen<lb/> drei Stühle zu setzen. Den Kaiser hat er taktlos angegriffen — das wird<lb/> ihm keinen Ruhm eintragen bei allen ehrlichen Patrioten; eine ganze Reihe<lb/> von Künstlern hat er schwer beleidigt, nur um den Kaiser treffen zu können —<lb/> sie werden es ihm nicht vergessen; und — sollten wir uns irren? — auch<lb/> denen gegenüber, von denen er sich mitschleppen läßt, hat er sich den Mund<lb/> verbrannt. Sie werden wunderliche Gesichter dazu machen, wenn er, um<lb/> den Schein der Unparteilichkeit und damit der Berechtigung seines Urteils<lb/> über den .Kaiser zu erreichen, einen Teil der Modernen fallen läßt, und gerade<lb/> den, der die reinsten Konsequenzen des neuen Stils zieht. „Leider, sagt<lb/> er, ist es ja richtig, daß das Cliquenwesen in unsrer modernen Kunst eine<lb/> große Rolle spielt >das weiß der liebe Gottlj, und daß es nicht an urtcils-<lb/> losen Kritikern fehlt, die in dem Streben, möglichst modern zu erscheinen, mit<lb/> der guten Kunst jnämlich den Poeten der Wandbildcrj auch alles Schlechte,<lb/> was die Mode bringt, in den Himmel heben." „Man deute sich nun Berater,<lb/> !,immer Berater, er hat sie ja so nötig!j, die den Kaiser bei passender Ge¬<lb/> legenheit auf diese Übertreibungen, auf die wüsten Verirrungen des Symbo-<lb/> lismns oder jdesj Archaismus hinweisen, etwa bestimmte Seiten des Pan<lb/> oder gar des Simplizissimus aufschlagen und nun so thun, als ob die ganze<lb/> moderne Kunst mit diesen Herren oder mit Minne und Valloton und Khnvpff<lb/> solidarisch wären, als ob alle modernen Kritiker diesen Unsinn billigten. Man<lb/> begreift dann, wie der Kaiser dadurch in eine tiefe Verachtung gegen alle Kunst<lb/> huieingeraten konnte, die nicht Menzel oder Vegas oder gar Anton von Werner<lb/> heißt." So geschickt es ist, wenn Lange wiederholt die Reihe der Künstler,<lb/> für die er zu Felde zieht, mit solchen zusammenknüpft, die mehr bedeuten,<lb/> ^Me sich z. B. die Modernen ja immer an Böcklin hängen — ganz gegen<lb/> dessen Willen, denn wenn er anch gelegentlich ein Kröte sein konnte, bei einer<lb/> Kunst für Knoten wollte er doch nicht Gevatter stehn —, so ungeschickt ist es<lb/> von ihm, einen Teil der Modernen zu verleugnen, obgleich er nicht im Wesen,<lb/> sondern nur im Grade von den andern verschieden ist. Nun, sein Geschmack<lb/> «ach dieser Seite geht uns nichts an; er mag mit den Modernen reiten, so<lb/> Weit er will, ihnen können wir ihn überlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2315" next="#ID_2316"> Gespannt möchte man darauf sein, welchen Empfang ihm „diejenigen<lb/> Bildhauer," wenn er nach Berlin käme, bereiten würden, als deren höchste</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0567]
Philistertum und Runst
Schwankungen und Irrungen zuletzt die Thatkraft des Hohenzollerngcschlechts
den Weg zu der Herrlichkeit des neuen Deutschen Reichs gebahnt hat. Nur
Mißgunst und Neid können die Künstler spöttisch um die Freude kränken wollen,
die sie an ihrer Arbeit und der Vollendung des Werks gehabt haben.
Und mir die unglaubliche Borniertheit des Philistertums kann dieses mit
solchen Leistungen, wie diesen Volkserziehungsholgen, „wie sie uns das Christfest
beschert hat," auch nur von ferne vergleichen. Mit solchen Volksbeglückungs¬
versuchen hat das Streben des Kaisers nichts zu thun. Je mehr sie dem
Geiste der modernen „Künstler" entsprechen, von denen „sie doch gerade her¬
stammen," desto weniger. Daß der Kaiser an ihnen achselzuckend vorüber¬
gegangen ist, beweist, wie richtig er fühlt.
Es scheint uns, Lange hat das Kunststück fertig gebracht, sich zwischen
drei Stühle zu setzen. Den Kaiser hat er taktlos angegriffen — das wird
ihm keinen Ruhm eintragen bei allen ehrlichen Patrioten; eine ganze Reihe
von Künstlern hat er schwer beleidigt, nur um den Kaiser treffen zu können —
sie werden es ihm nicht vergessen; und — sollten wir uns irren? — auch
denen gegenüber, von denen er sich mitschleppen läßt, hat er sich den Mund
verbrannt. Sie werden wunderliche Gesichter dazu machen, wenn er, um
den Schein der Unparteilichkeit und damit der Berechtigung seines Urteils
über den .Kaiser zu erreichen, einen Teil der Modernen fallen läßt, und gerade
den, der die reinsten Konsequenzen des neuen Stils zieht. „Leider, sagt
er, ist es ja richtig, daß das Cliquenwesen in unsrer modernen Kunst eine
große Rolle spielt >das weiß der liebe Gottlj, und daß es nicht an urtcils-
losen Kritikern fehlt, die in dem Streben, möglichst modern zu erscheinen, mit
der guten Kunst jnämlich den Poeten der Wandbildcrj auch alles Schlechte,
was die Mode bringt, in den Himmel heben." „Man deute sich nun Berater,
!,immer Berater, er hat sie ja so nötig!j, die den Kaiser bei passender Ge¬
legenheit auf diese Übertreibungen, auf die wüsten Verirrungen des Symbo-
lismns oder jdesj Archaismus hinweisen, etwa bestimmte Seiten des Pan
oder gar des Simplizissimus aufschlagen und nun so thun, als ob die ganze
moderne Kunst mit diesen Herren oder mit Minne und Valloton und Khnvpff
solidarisch wären, als ob alle modernen Kritiker diesen Unsinn billigten. Man
begreift dann, wie der Kaiser dadurch in eine tiefe Verachtung gegen alle Kunst
huieingeraten konnte, die nicht Menzel oder Vegas oder gar Anton von Werner
heißt." So geschickt es ist, wenn Lange wiederholt die Reihe der Künstler,
für die er zu Felde zieht, mit solchen zusammenknüpft, die mehr bedeuten,
^Me sich z. B. die Modernen ja immer an Böcklin hängen — ganz gegen
dessen Willen, denn wenn er anch gelegentlich ein Kröte sein konnte, bei einer
Kunst für Knoten wollte er doch nicht Gevatter stehn —, so ungeschickt ist es
von ihm, einen Teil der Modernen zu verleugnen, obgleich er nicht im Wesen,
sondern nur im Grade von den andern verschieden ist. Nun, sein Geschmack
«ach dieser Seite geht uns nichts an; er mag mit den Modernen reiten, so
Weit er will, ihnen können wir ihn überlassen.
Gespannt möchte man darauf sein, welchen Empfang ihm „diejenigen
Bildhauer," wenn er nach Berlin käme, bereiten würden, als deren höchste
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |