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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches "ut Unmaßgebliches

Also beherrschen die Konservativen den Landtag unbedingt und üben dadurch auf
das Ministerium einen suchen Einfluß, daß man dort, wie die Spatzen von den
Dächern pfeifen vor nichts mehr Scheu hat. als vor einem Widerspruch der Kammer.
Deshalb hat sich das Ministerium z. B. auch gefallen lassen, daß der verabredeter¬
maßen von der Kammer zu stellende Antrag auf die längst versprochne Gewährung
von Wohnungsgeld an die Beamten einfach nicht eingebracht wurde. Kurz, Sachsen
wird heutzutage viel weniger von der Regierung als von der konservativ-agrarischen
Landtagsmchrheit regiert. Diese konnte deshalb im Bewußtsein ihrer Macht tue
Krone und das Ministerium vor die Situation des 7. Februar stellen, konnte einen
Ministerwechsel fordern, obwohl die Wahl und die Entlassung der Minister ein Kron¬
recht ist, und der Rücktritt des gauzeu Ministeriums war der erste Versuch, den
Machtansprüchen der Kammer entgegenzutreten.

Wenn aber die Negierung im Grnnde die ganze peinliche Lage und herbei¬
geführt hat. so trägt die Landtngsmehrheit andrerseits die Schuld daran, daß das
Finanzministerium seine Befugnisse etwas weitherzig aufgefaßt hat. Seit vielen Jahren
haben die Kammern alle möglichen nnrentnbeln und doch oft sehr kostspieligen
Eisenbahnbnuten schlankweg bewilligt, weil jeder Abgeordnete für seineu Wahlkreis
sorgen wollte; sie haben ebenso die wiederholten kolossalen Überschreitungen der
ursprünglichen'Anschläge für die Dresdner Bahnhofsbauten immer wieder genehmigt
""d für sich selbst 'den Bau eines großartigen Ständehnuses mit umfänglichen
Repräsentativnsrnnmcu beschlossen, dessen Notwendigkeit außerhalb der Kammern
wenig Leute einzusehen vermögen, während sie für den dringend notwendigen
Leipziger Schiffahrtskannl keinen roten Heller übrig hatten, sondern diesen Bau
gemütlich den "Interessenten" überließen/ als ob das Interesse der größten Stadt
des Landes, die mit ihrer Umgebung weit über eine halbe Million Menschen zahlt,
nicht mindestens ebensoviel bedeutete, als das Wohl Oberwiesenthals oder Jöhstadts,
die sich ihre Eisenbahnen doch auch nicht selbst haben bauen müssen, und nicht
ebenso oder in noch etwas höheren Grade ein allgemeines Landesinteresse wäre.
So haben sie selbst einen großen Anteil an der schlechten Finanzlage, derentwegen
sie jetzt das Finanzministerium verantwortlich machen.

Nun kann man gewiß sagen: das sächsische Volk, soweit es überhaupt auf dem
Boden der heutigen Staatsordnung steht, will durchaus uicht von einer konservativ-
agrarischen Oligarchie regiert werden, sondern von der Regierung seines Königs,
es will kein parlamentarisches, sondern ein konstitutionell-monarchisches Regiment.
Ein solches wird es aber nur dann haben, wenn das Landtagswahlgesetz derart
umgestaltet wird, daß die Zusammensetzung der Bevölkerung auch in der Zweiten
Kammer wirklich zum Ausdruck kommt, und daß das Ministerium acht machtlos
einer streng geschlossenen, übermächtigen Mehrheit gegenübersteht. Ohne eme solche
Reform wird kein Ministerwechsel, wie er sich soeben uni 11. Februar mit der von
Anfang an wahrscheinlichen Beschränkung auf das Finanzministerium vollzogen hat.
etwas helfen. Der neuernannte Finanzminister Dr. Unger gilt allerdings und Recht
als ein sehr energischer Man", er hat als zweiter Bürgermeister von Dresden die
städtische Finanzve'rwaltnng jahrelang geleitet, und der Ton der königlichen Erlasse an
die Minister ist deutlich genug; aber die Probe hat das neugestaltete Ministerium erst zu
bestehn. wenn es sich um die'Entscheidung der Jndcmnittttsfrage handelt. Die öffent¬
liche Meinung des Landes, soweit sie nicht konservativ ist, hat nicht den geringsten
Grund, sich auf die Seite der Kammermehrheit zu stelle", und auch die Konserva¬
tiven im Lande,-die sich ja für gen>z besonders köuigstren halten, mögen es sich
überlegen, ob sie ein parlamentarisches oder ein monarchisch-konstitutionelles Regiment
wollen, denn so steht heute die Frage. Sie werden doch wohl acht wünschen, daß
w Sachsen die Deputierten regieren und die mächtigsten Leute in ihren Wahlkreisen
werde", wie sie es in Frankreich und Italien längst sind, wahrhaftig nicht zum
Wohle des Landes. Also 1'iiuoixiis obs^!


Grenzboten I 1902 57
Maßgebliches »ut Unmaßgebliches

Also beherrschen die Konservativen den Landtag unbedingt und üben dadurch auf
das Ministerium einen suchen Einfluß, daß man dort, wie die Spatzen von den
Dächern pfeifen vor nichts mehr Scheu hat. als vor einem Widerspruch der Kammer.
Deshalb hat sich das Ministerium z. B. auch gefallen lassen, daß der verabredeter¬
maßen von der Kammer zu stellende Antrag auf die längst versprochne Gewährung
von Wohnungsgeld an die Beamten einfach nicht eingebracht wurde. Kurz, Sachsen
wird heutzutage viel weniger von der Regierung als von der konservativ-agrarischen
Landtagsmchrheit regiert. Diese konnte deshalb im Bewußtsein ihrer Macht tue
Krone und das Ministerium vor die Situation des 7. Februar stellen, konnte einen
Ministerwechsel fordern, obwohl die Wahl und die Entlassung der Minister ein Kron¬
recht ist, und der Rücktritt des gauzeu Ministeriums war der erste Versuch, den
Machtansprüchen der Kammer entgegenzutreten.

Wenn aber die Negierung im Grnnde die ganze peinliche Lage und herbei¬
geführt hat. so trägt die Landtngsmehrheit andrerseits die Schuld daran, daß das
Finanzministerium seine Befugnisse etwas weitherzig aufgefaßt hat. Seit vielen Jahren
haben die Kammern alle möglichen nnrentnbeln und doch oft sehr kostspieligen
Eisenbahnbnuten schlankweg bewilligt, weil jeder Abgeordnete für seineu Wahlkreis
sorgen wollte; sie haben ebenso die wiederholten kolossalen Überschreitungen der
ursprünglichen'Anschläge für die Dresdner Bahnhofsbauten immer wieder genehmigt
""d für sich selbst 'den Bau eines großartigen Ständehnuses mit umfänglichen
Repräsentativnsrnnmcu beschlossen, dessen Notwendigkeit außerhalb der Kammern
wenig Leute einzusehen vermögen, während sie für den dringend notwendigen
Leipziger Schiffahrtskannl keinen roten Heller übrig hatten, sondern diesen Bau
gemütlich den „Interessenten" überließen/ als ob das Interesse der größten Stadt
des Landes, die mit ihrer Umgebung weit über eine halbe Million Menschen zahlt,
nicht mindestens ebensoviel bedeutete, als das Wohl Oberwiesenthals oder Jöhstadts,
die sich ihre Eisenbahnen doch auch nicht selbst haben bauen müssen, und nicht
ebenso oder in noch etwas höheren Grade ein allgemeines Landesinteresse wäre.
So haben sie selbst einen großen Anteil an der schlechten Finanzlage, derentwegen
sie jetzt das Finanzministerium verantwortlich machen.

Nun kann man gewiß sagen: das sächsische Volk, soweit es überhaupt auf dem
Boden der heutigen Staatsordnung steht, will durchaus uicht von einer konservativ-
agrarischen Oligarchie regiert werden, sondern von der Regierung seines Königs,
es will kein parlamentarisches, sondern ein konstitutionell-monarchisches Regiment.
Ein solches wird es aber nur dann haben, wenn das Landtagswahlgesetz derart
umgestaltet wird, daß die Zusammensetzung der Bevölkerung auch in der Zweiten
Kammer wirklich zum Ausdruck kommt, und daß das Ministerium acht machtlos
einer streng geschlossenen, übermächtigen Mehrheit gegenübersteht. Ohne eme solche
Reform wird kein Ministerwechsel, wie er sich soeben uni 11. Februar mit der von
Anfang an wahrscheinlichen Beschränkung auf das Finanzministerium vollzogen hat.
etwas helfen. Der neuernannte Finanzminister Dr. Unger gilt allerdings und Recht
als ein sehr energischer Man», er hat als zweiter Bürgermeister von Dresden die
städtische Finanzve'rwaltnng jahrelang geleitet, und der Ton der königlichen Erlasse an
die Minister ist deutlich genug; aber die Probe hat das neugestaltete Ministerium erst zu
bestehn. wenn es sich um die'Entscheidung der Jndcmnittttsfrage handelt. Die öffent¬
liche Meinung des Landes, soweit sie nicht konservativ ist, hat nicht den geringsten
Grund, sich auf die Seite der Kammermehrheit zu stelle», und auch die Konserva¬
tiven im Lande,-die sich ja für gen>z besonders köuigstren halten, mögen es sich
überlegen, ob sie ein parlamentarisches oder ein monarchisch-konstitutionelles Regiment
wollen, denn so steht heute die Frage. Sie werden doch wohl acht wünschen, daß
w Sachsen die Deputierten regieren und die mächtigsten Leute in ihren Wahlkreisen
werde», wie sie es in Frankreich und Italien längst sind, wahrhaftig nicht zum
Wohle des Landes. Also 1'iiuoixiis obs^!


Grenzboten I 1902 57
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[0457] Maßgebliches »ut Unmaßgebliches Also beherrschen die Konservativen den Landtag unbedingt und üben dadurch auf das Ministerium einen suchen Einfluß, daß man dort, wie die Spatzen von den Dächern pfeifen vor nichts mehr Scheu hat. als vor einem Widerspruch der Kammer. Deshalb hat sich das Ministerium z. B. auch gefallen lassen, daß der verabredeter¬ maßen von der Kammer zu stellende Antrag auf die längst versprochne Gewährung von Wohnungsgeld an die Beamten einfach nicht eingebracht wurde. Kurz, Sachsen wird heutzutage viel weniger von der Regierung als von der konservativ-agrarischen Landtagsmchrheit regiert. Diese konnte deshalb im Bewußtsein ihrer Macht tue Krone und das Ministerium vor die Situation des 7. Februar stellen, konnte einen Ministerwechsel fordern, obwohl die Wahl und die Entlassung der Minister ein Kron¬ recht ist, und der Rücktritt des gauzeu Ministeriums war der erste Versuch, den Machtansprüchen der Kammer entgegenzutreten. Wenn aber die Negierung im Grnnde die ganze peinliche Lage und herbei¬ geführt hat. so trägt die Landtngsmehrheit andrerseits die Schuld daran, daß das Finanzministerium seine Befugnisse etwas weitherzig aufgefaßt hat. Seit vielen Jahren haben die Kammern alle möglichen nnrentnbeln und doch oft sehr kostspieligen Eisenbahnbnuten schlankweg bewilligt, weil jeder Abgeordnete für seineu Wahlkreis sorgen wollte; sie haben ebenso die wiederholten kolossalen Überschreitungen der ursprünglichen'Anschläge für die Dresdner Bahnhofsbauten immer wieder genehmigt ""d für sich selbst 'den Bau eines großartigen Ständehnuses mit umfänglichen Repräsentativnsrnnmcu beschlossen, dessen Notwendigkeit außerhalb der Kammern wenig Leute einzusehen vermögen, während sie für den dringend notwendigen Leipziger Schiffahrtskannl keinen roten Heller übrig hatten, sondern diesen Bau gemütlich den „Interessenten" überließen/ als ob das Interesse der größten Stadt des Landes, die mit ihrer Umgebung weit über eine halbe Million Menschen zahlt, nicht mindestens ebensoviel bedeutete, als das Wohl Oberwiesenthals oder Jöhstadts, die sich ihre Eisenbahnen doch auch nicht selbst haben bauen müssen, und nicht ebenso oder in noch etwas höheren Grade ein allgemeines Landesinteresse wäre. So haben sie selbst einen großen Anteil an der schlechten Finanzlage, derentwegen sie jetzt das Finanzministerium verantwortlich machen. Nun kann man gewiß sagen: das sächsische Volk, soweit es überhaupt auf dem Boden der heutigen Staatsordnung steht, will durchaus uicht von einer konservativ- agrarischen Oligarchie regiert werden, sondern von der Regierung seines Königs, es will kein parlamentarisches, sondern ein konstitutionell-monarchisches Regiment. Ein solches wird es aber nur dann haben, wenn das Landtagswahlgesetz derart umgestaltet wird, daß die Zusammensetzung der Bevölkerung auch in der Zweiten Kammer wirklich zum Ausdruck kommt, und daß das Ministerium acht machtlos einer streng geschlossenen, übermächtigen Mehrheit gegenübersteht. Ohne eme solche Reform wird kein Ministerwechsel, wie er sich soeben uni 11. Februar mit der von Anfang an wahrscheinlichen Beschränkung auf das Finanzministerium vollzogen hat. etwas helfen. Der neuernannte Finanzminister Dr. Unger gilt allerdings und Recht als ein sehr energischer Man», er hat als zweiter Bürgermeister von Dresden die städtische Finanzve'rwaltnng jahrelang geleitet, und der Ton der königlichen Erlasse an die Minister ist deutlich genug; aber die Probe hat das neugestaltete Ministerium erst zu bestehn. wenn es sich um die'Entscheidung der Jndcmnittttsfrage handelt. Die öffent¬ liche Meinung des Landes, soweit sie nicht konservativ ist, hat nicht den geringsten Grund, sich auf die Seite der Kammermehrheit zu stelle», und auch die Konserva¬ tiven im Lande,-die sich ja für gen>z besonders köuigstren halten, mögen es sich überlegen, ob sie ein parlamentarisches oder ein monarchisch-konstitutionelles Regiment wollen, denn so steht heute die Frage. Sie werden doch wohl acht wünschen, daß w Sachsen die Deputierten regieren und die mächtigsten Leute in ihren Wahlkreisen werde», wie sie es in Frankreich und Italien längst sind, wahrhaftig nicht zum Wohle des Landes. Also 1'iiuoixiis obs^! Grenzboten I 1902 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/457>, abgerufen am 19.10.2024.