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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Aursächsische Streifzüge

Diese liebenswürdige Prophezeiung ging anders in Erfüllung, als sie ge¬
meint war. Denn am 19. Oktober 1757 ritt der große König, nachdem er
schon im Jahre zuvor Sachsen erobert hatte, abermals in Anuaburg ein, und
zwar ritt er, den Krückstock unterm Arme, die alte "Bergtreppe" hinauf und
trat in die Gemächer, in denen einst Kurfürst August mit seiner Gemahlin
gewohnt hatte. Er blieb eine volle Woche, unschlüssig, ob er sich von hier ans
"ach dem bedrohten Berlin oder nach Thüringen wenden sollte; er wählte das
etzte: also ist auf der stillen Annaburg der Plau gesponnen worden, der ihn
zu dem glänzenden Siege bei Roßbach führte.

Nach dieser Zeit verkam das Schloß immer mehr; in den Sälen und
Zimmern lag Jagdgerüt und Getreide; und als im Jahre 1762 das Militär¬
knabeninstitut von Dresden nach Annabnrg verlegt wurde, mußten hier und da
sogar die vom Wasser beschädigten Grundmauern erneuert werden. In den das
schloß umgebenden Wäldern hatte sich bis ins achtzehnte Jahrhundert wenigstens
em trefflicher Wildbestand erhalten: noch im Jahre 1730, als zur Zeit des
berühmten Mühlberger Lustlagers eine Parforcejagd veranstaltet wurde, betrug
vie Strecke etwa vierhundert Stück Schwarzwild und gegen neunhundert Stück
-not- und Rehwild. Heute ist auch der Wildreichtum der alten Lochauer Heide
fast vernichtet. ^ ^




Die warme Sonne des herrlichen Septembertags, der uns durch die stille
>A>lde geleitet hatte, neigte sich dem Untergange zu, als wir auf dem Wege
w vt Herzberg, wo wir den nach Sachsen gehenden Schnellzug er-
Unser'V""^"' ausschreitend die Flur des Dorfs Mahdel erreichten.
Goldn t ?' ^""^ hochstämmige Kiefernwälder, in denen "des Abends
somno s?'^> "'^ buukelgesüumte Wiesenflächen, ans denen trotz des
die Wa^ ^te geschäftig waren, das tadellos aufbereitete Grummet auf
herüber ^en. Ein würziger Brodem dnvou zog zu uus Wandrern
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war dann s?' ^' des Herbstabends verkündend. Das Dorf selbst
von den aes-l n? ^ für den Abschied von der Lochaner Heide: nichts
Dörfern ^'^^"W halbstädtischeu Steinhäusern, die in unsern sächsischen
sinnen. aber sichern?^"? ^n Waldorten des Gebirges - den -wng-
Fachwerkban kämmen ^'"^""gskampf gegen den altertümlichen, gemütlichen
anners mit ara.laos^n. ^s ganze Dorf voll uralten verwitterten Ge-
getünchten Lehnnvänd " , ?Mes bekrönt, das gitterförmige Balkenwerk der
Wte der 5.änser hol.er I ? Sparrenköpfe schwarz von, Alter, an der Hof-
Architektur, der "i eiuer alten schönen. längst vergessenen
aus bloßem Nachwerk . ^ ^"vildert und verwachsen, und sogar das Kirchlein
die Glocke, wie in d'e. ?" gesondertes verwittertes Balkengerüst für
Jahrzehnten werden d M,^ B'Mfatins. Das ist Mahdel. In wenig
"e realer dergleichen mit der Laterne suchen.




Aursächsische Streifzüge

Diese liebenswürdige Prophezeiung ging anders in Erfüllung, als sie ge¬
meint war. Denn am 19. Oktober 1757 ritt der große König, nachdem er
schon im Jahre zuvor Sachsen erobert hatte, abermals in Anuaburg ein, und
zwar ritt er, den Krückstock unterm Arme, die alte „Bergtreppe" hinauf und
trat in die Gemächer, in denen einst Kurfürst August mit seiner Gemahlin
gewohnt hatte. Er blieb eine volle Woche, unschlüssig, ob er sich von hier ans
"ach dem bedrohten Berlin oder nach Thüringen wenden sollte; er wählte das
etzte: also ist auf der stillen Annaburg der Plau gesponnen worden, der ihn
zu dem glänzenden Siege bei Roßbach führte.

Nach dieser Zeit verkam das Schloß immer mehr; in den Sälen und
Zimmern lag Jagdgerüt und Getreide; und als im Jahre 1762 das Militär¬
knabeninstitut von Dresden nach Annabnrg verlegt wurde, mußten hier und da
sogar die vom Wasser beschädigten Grundmauern erneuert werden. In den das
schloß umgebenden Wäldern hatte sich bis ins achtzehnte Jahrhundert wenigstens
em trefflicher Wildbestand erhalten: noch im Jahre 1730, als zur Zeit des
berühmten Mühlberger Lustlagers eine Parforcejagd veranstaltet wurde, betrug
vie Strecke etwa vierhundert Stück Schwarzwild und gegen neunhundert Stück
-not- und Rehwild. Heute ist auch der Wildreichtum der alten Lochauer Heide
fast vernichtet. ^ ^




Die warme Sonne des herrlichen Septembertags, der uns durch die stille
>A>lde geleitet hatte, neigte sich dem Untergange zu, als wir auf dem Wege
w vt Herzberg, wo wir den nach Sachsen gehenden Schnellzug er-
Unser'V""^"' ausschreitend die Flur des Dorfs Mahdel erreichten.
Goldn t ?' ^""^ hochstämmige Kiefernwälder, in denen „des Abends
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die Wa^ ^te geschäftig waren, das tadellos aufbereitete Grummet auf
herüber ^en. Ein würziger Brodem dnvou zog zu uus Wandrern
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war dann s?' ^' des Herbstabends verkündend. Das Dorf selbst
von den aes-l n? ^ für den Abschied von der Lochaner Heide: nichts
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sinnen. aber sichern?^"? ^n Waldorten des Gebirges - den -wng-
Fachwerkban kämmen ^'"^""gskampf gegen den altertümlichen, gemütlichen
anners mit ara.laos^n. ^s ganze Dorf voll uralten verwitterten Ge-
getünchten Lehnnvänd " , ?Mes bekrönt, das gitterförmige Balkenwerk der
Wte der 5.änser hol.er I ? Sparrenköpfe schwarz von, Alter, an der Hof-
Architektur, der "i eiuer alten schönen. längst vergessenen
aus bloßem Nachwerk . ^ ^"vildert und verwachsen, und sogar das Kirchlein
die Glocke, wie in d'e. ?" gesondertes verwittertes Balkengerüst für
Jahrzehnten werden d M,^ B'Mfatins. Das ist Mahdel. In wenig
"e realer dergleichen mit der Laterne suchen.




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[0437] Aursächsische Streifzüge Diese liebenswürdige Prophezeiung ging anders in Erfüllung, als sie ge¬ meint war. Denn am 19. Oktober 1757 ritt der große König, nachdem er schon im Jahre zuvor Sachsen erobert hatte, abermals in Anuaburg ein, und zwar ritt er, den Krückstock unterm Arme, die alte „Bergtreppe" hinauf und trat in die Gemächer, in denen einst Kurfürst August mit seiner Gemahlin gewohnt hatte. Er blieb eine volle Woche, unschlüssig, ob er sich von hier ans "ach dem bedrohten Berlin oder nach Thüringen wenden sollte; er wählte das etzte: also ist auf der stillen Annaburg der Plau gesponnen worden, der ihn zu dem glänzenden Siege bei Roßbach führte. Nach dieser Zeit verkam das Schloß immer mehr; in den Sälen und Zimmern lag Jagdgerüt und Getreide; und als im Jahre 1762 das Militär¬ knabeninstitut von Dresden nach Annabnrg verlegt wurde, mußten hier und da sogar die vom Wasser beschädigten Grundmauern erneuert werden. In den das schloß umgebenden Wäldern hatte sich bis ins achtzehnte Jahrhundert wenigstens em trefflicher Wildbestand erhalten: noch im Jahre 1730, als zur Zeit des berühmten Mühlberger Lustlagers eine Parforcejagd veranstaltet wurde, betrug vie Strecke etwa vierhundert Stück Schwarzwild und gegen neunhundert Stück -not- und Rehwild. Heute ist auch der Wildreichtum der alten Lochauer Heide fast vernichtet. ^ ^ Die warme Sonne des herrlichen Septembertags, der uns durch die stille >A>lde geleitet hatte, neigte sich dem Untergange zu, als wir auf dem Wege w vt Herzberg, wo wir den nach Sachsen gehenden Schnellzug er- Unser'V""^"' ausschreitend die Flur des Dorfs Mahdel erreichten. Goldn t ?' ^""^ hochstämmige Kiefernwälder, in denen „des Abends somno s?'^> "'^ buukelgesüumte Wiesenflächen, ans denen trotz des die Wa^ ^te geschäftig waren, das tadellos aufbereitete Grummet auf herüber ^en. Ein würziger Brodem dnvou zog zu uus Wandrern qeschor..e/^ ? ^l) ^e ersten weißen Schleier von den kahl¬ war dann s?' ^' des Herbstabends verkündend. Das Dorf selbst von den aes-l n? ^ für den Abschied von der Lochaner Heide: nichts Dörfern ^'^^"W halbstädtischeu Steinhäusern, die in unsern sächsischen sinnen. aber sichern?^"? ^n Waldorten des Gebirges - den -wng- Fachwerkban kämmen ^'"^""gskampf gegen den altertümlichen, gemütlichen anners mit ara.laos^n. ^s ganze Dorf voll uralten verwitterten Ge- getünchten Lehnnvänd " , ?Mes bekrönt, das gitterförmige Balkenwerk der Wte der 5.änser hol.er I ? Sparrenköpfe schwarz von, Alter, an der Hof- Architektur, der "i eiuer alten schönen. längst vergessenen aus bloßem Nachwerk . ^ ^"vildert und verwachsen, und sogar das Kirchlein die Glocke, wie in d'e. ?" gesondertes verwittertes Balkengerüst für Jahrzehnten werden d M,^ B'Mfatins. Das ist Mahdel. In wenig "e realer dergleichen mit der Laterne suchen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/437>, abgerufen am 19.10.2024.