Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Panama oder Nicaragua? Dieser gewaltigen Bausumme gegenüber erhebt sich aber sofort die Frage, Alle derartigen Bedenken sind beim Panamakanal nicht vorhanden. Aller¬ Panama oder Nicaragua? Dieser gewaltigen Bausumme gegenüber erhebt sich aber sofort die Frage, Alle derartigen Bedenken sind beim Panamakanal nicht vorhanden. Aller¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0254" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236778"/> <fw type="header" place="top"> Panama oder Nicaragua?</fw><lb/> <p xml:id="ID_957"> Dieser gewaltigen Bausumme gegenüber erhebt sich aber sofort die Frage,<lb/> ob sich denn das Anlagekapital auch nur einigermaßen verzinsen würde, und<lb/> ihre Beantwortung wird sehr verschieden ausfallen, je nachdem man die Ein¬<lb/> nahmen des neuen Kanals in Anschlag bringt. Diese hängen ihrer Natur<lb/> nach von der Höhe der Gebühren und der zu erwartenden Frequenz ab, und<lb/> in dieser Hinsicht läßt sich zunächst nur so viel feigen, daß die Aussichten beim<lb/> Nicaraguakanal nicht gerade günstig sind; doch fällt diese finanzielle Schwierig¬<lb/> keit vollkommen weg, sobald die Vereinigten Staaten den Bau des Kanals<lb/> selbst in die Hand nehmen. Denn es ist klar, daß die Negierung sich mit<lb/> einer ganz geringen Verzinsung begnügen könnte, einmal weil sie jederzeit Geld<lb/> zu 2^/z bis 3 Prozent haben kaun, und zweitens weil die neue Wasserstraße<lb/> für sie auch einen sehr bedeutenden strategischen Wert hat, denselben etwa wie<lb/> unser Nordostseekanal. Die Vereinigten Staaten gewinnen uümlich dadurch<lb/> die Möglichkeit, ihre Flottenstreitkrüfte bald im mexikanischen Golf, bald an<lb/> der Küste des Stillen Ozeans zu konzentrieren; solche Verhältnisse wie im Krieg<lb/> um Kuba, als die Oregon noch in siebenundsechzig Tagen von San Franzisko<lb/> aus das Kap Horn umfahren mußte, um das atlantische Geschwader zu<lb/> erreichen, würden jedenfalls nicht mehr vorkommen, da durch den Kanal die<lb/> Fährt von San Franzisko nach Florida bequem in fünfzehn Tagen gemacht<lb/> werden könnte. Andrerseits müßte die amerikanische Regierung, wenn der<lb/> Kanal nicht gebaut würde, die pacifische Flotte ganz bedeutend Verstürken,<lb/> wenn sie anch nur auf die Höhe des englische» Geschwaders gebracht werden<lb/> sollte, das ständig in der Flottenstation Esquimault (Vancouver) liegt und<lb/> durch Schiffe aus Ostnsien leicht verstärkt werden kann. Dieser Notwendigkeit<lb/> wäre der Staat durch den Kanalbau überhoben, könnte also den Zinsverlust<lb/> auf sich nehmen, der aus der Anlage erwachse» würde, und somit wären die<lb/> finanziellen Bedenken gegen das Projekt nahezu beseitigt. Aber nun tritt eine<lb/> neue Reihe von technischen Schwierigkeiten hervor, die in der geologischen<lb/> Natur des Landes begründet sind. Mehrfach ist in der letzten Zeit, allerdings<lb/> hauptsächlich von französischer, das heißt nicht ganz uninteressierter Seite,<lb/> darauf hingewiesen worden, daß die ganze Gegend um den Isthmus von<lb/> Nicaragua häufigen Erdbeben ausgesetzt ist, das Zentrum dieser vulkanischen<lb/> Erschütterungen soll sogar in beständigem Vorrücken gegen die projektierte<lb/> Route des Kanals begriffen sein. Insbesondre hat man an den furchtbaren<lb/> Ausbruch des Coseguina vom Jahre 1835 erinnert, dessen Aschenregen ein<lb/> Gebiet von der achtfachen Größe Frankreichs bedeckte; aber auch im See von<lb/> Nicaragua selbst ist ein immerwährend thätiger Vulkan, und um seine Ufer<lb/> ist eine ganze Reihe von Feuerbergen gelagert. Es bedarf aber nur geringer<lb/> Überlegung, einzusehen, daß bei der eigentümlichen Anlage des Kanals mit<lb/> seinen gewaltigen Stcmdämmen in der vulkanischen Erschütterung ihrer Grund¬<lb/> lagen die Möglichkeit einer Katastrophe gegeben sein würde, wie sie in gleicher<lb/> Furchtbarkeit kaum jemals vorgekommen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_958" next="#ID_959"> Alle derartigen Bedenken sind beim Panamakanal nicht vorhanden. Aller¬<lb/> dings wird die Anlage der Wasserstraße hier nicht in dem Maße von der<lb/> Natur unterstützt wie beim Nicaraguaprojekt: vor allem hat die Bewältigung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0254]
Panama oder Nicaragua?
Dieser gewaltigen Bausumme gegenüber erhebt sich aber sofort die Frage,
ob sich denn das Anlagekapital auch nur einigermaßen verzinsen würde, und
ihre Beantwortung wird sehr verschieden ausfallen, je nachdem man die Ein¬
nahmen des neuen Kanals in Anschlag bringt. Diese hängen ihrer Natur
nach von der Höhe der Gebühren und der zu erwartenden Frequenz ab, und
in dieser Hinsicht läßt sich zunächst nur so viel feigen, daß die Aussichten beim
Nicaraguakanal nicht gerade günstig sind; doch fällt diese finanzielle Schwierig¬
keit vollkommen weg, sobald die Vereinigten Staaten den Bau des Kanals
selbst in die Hand nehmen. Denn es ist klar, daß die Negierung sich mit
einer ganz geringen Verzinsung begnügen könnte, einmal weil sie jederzeit Geld
zu 2^/z bis 3 Prozent haben kaun, und zweitens weil die neue Wasserstraße
für sie auch einen sehr bedeutenden strategischen Wert hat, denselben etwa wie
unser Nordostseekanal. Die Vereinigten Staaten gewinnen uümlich dadurch
die Möglichkeit, ihre Flottenstreitkrüfte bald im mexikanischen Golf, bald an
der Küste des Stillen Ozeans zu konzentrieren; solche Verhältnisse wie im Krieg
um Kuba, als die Oregon noch in siebenundsechzig Tagen von San Franzisko
aus das Kap Horn umfahren mußte, um das atlantische Geschwader zu
erreichen, würden jedenfalls nicht mehr vorkommen, da durch den Kanal die
Fährt von San Franzisko nach Florida bequem in fünfzehn Tagen gemacht
werden könnte. Andrerseits müßte die amerikanische Regierung, wenn der
Kanal nicht gebaut würde, die pacifische Flotte ganz bedeutend Verstürken,
wenn sie anch nur auf die Höhe des englische» Geschwaders gebracht werden
sollte, das ständig in der Flottenstation Esquimault (Vancouver) liegt und
durch Schiffe aus Ostnsien leicht verstärkt werden kann. Dieser Notwendigkeit
wäre der Staat durch den Kanalbau überhoben, könnte also den Zinsverlust
auf sich nehmen, der aus der Anlage erwachse» würde, und somit wären die
finanziellen Bedenken gegen das Projekt nahezu beseitigt. Aber nun tritt eine
neue Reihe von technischen Schwierigkeiten hervor, die in der geologischen
Natur des Landes begründet sind. Mehrfach ist in der letzten Zeit, allerdings
hauptsächlich von französischer, das heißt nicht ganz uninteressierter Seite,
darauf hingewiesen worden, daß die ganze Gegend um den Isthmus von
Nicaragua häufigen Erdbeben ausgesetzt ist, das Zentrum dieser vulkanischen
Erschütterungen soll sogar in beständigem Vorrücken gegen die projektierte
Route des Kanals begriffen sein. Insbesondre hat man an den furchtbaren
Ausbruch des Coseguina vom Jahre 1835 erinnert, dessen Aschenregen ein
Gebiet von der achtfachen Größe Frankreichs bedeckte; aber auch im See von
Nicaragua selbst ist ein immerwährend thätiger Vulkan, und um seine Ufer
ist eine ganze Reihe von Feuerbergen gelagert. Es bedarf aber nur geringer
Überlegung, einzusehen, daß bei der eigentümlichen Anlage des Kanals mit
seinen gewaltigen Stcmdämmen in der vulkanischen Erschütterung ihrer Grund¬
lagen die Möglichkeit einer Katastrophe gegeben sein würde, wie sie in gleicher
Furchtbarkeit kaum jemals vorgekommen ist.
Alle derartigen Bedenken sind beim Panamakanal nicht vorhanden. Aller¬
dings wird die Anlage der Wasserstraße hier nicht in dem Maße von der
Natur unterstützt wie beim Nicaraguaprojekt: vor allem hat die Bewältigung
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