Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Doktor Vuttmüller und ein Freund

erst einmal vier--undzwcm--zig Stunden unter die Plum--pe nehmen sollte, um
es in ein menschenwürdiges Dasein zu versetzen -- ich kann so etwas um die Welt
nicht ausstehn. Ihr könnt mir glauben, denn ich weiß das, ich habe mich damit
beschäftigt, das Fnbrikwesen hat der Satan erfunden. Denn was kommt dabei in
die Höhe? Die Juden und die Demokraten. Und hier wird es genau so werdeu.
Mit Kanonen müßte mau dazwischen schießen. Wer ein guter Christ und ein guter
Patriot ist, der mußte den lieben Gott alle -- Tage -- auf den Knieen -- bitten,
daß er Feuer und Schwefel zwischen die Bande regnen ließe. Und mein Rat ist,
und ihr könnt mir glauben, ich kenne den Zauber: verkauft diesem Konsortium
keine Rute Land.

Ob die Rede nachhaltigen Eindruck machte war nicht zu sehen. Die einen
sahen hierhin, und die andern dorthin; die einen schienen zuzustimmen, und die
andern Mißtrauen zu hegen. Da man nun zu einem Schlüsse kommen mußte, und
niemand etwas bestimmtes für oder Wider beibrachte, so beschloß man, erst einmal
zu sehen, ob man nicht noch einen höhern Kaufpreis herausschlagen könnte, denn
gänzlich das Geschäft ablehnen, das konnte man doch auch nicht.

Nachdem dieser Beschluß gefaßt war, kam die Diskussion in Gang. Jetzt floß
Weisheit aus allen Brunnen. Der Schulze und der Herr Oberstleutnant mußten
sich hinter ihrem Rücken alles mögliche sagen lassen: Wenn der Schulze und der
Oberstleutnant nur Feld in der Gegend des Rottethals hätten, hieß es, würden sie
nicht gegen den Verkauf gesprochen haben. Und der Kaufmann und der Bäcker
und der Fleischer zahlten auch ihre Steuern und wollten ihren Verdienst haben.
Und achttausend Mark haben, und nicht haben, sei ein Unterschied, besonders wenn
man das Fehlende durch Steuern aufbringen müßte. Und wenn der Arbeiter und
der kleine Mann Gelegenheit zu Verdienst finden könnte, dann sollte man nicht
sagen, die Industrie wäre vom Teufel; der Geiz sei auch vom Teufel.

Der Herr Kantor legte also die Beantwortung des Schreibens erst einmal
beiseite, einesteils, um eine besonders gesammelte Stimmung abzuwarten, andern-
teils, um zu sehen, wie sich die öffentliche Meinung gestalten würde. Darauf baute
er ein Schreiben, worin er dem laufenden Konsortium alle möglichen Bedingungen
stellte und alle möglichen Schwierigkeiten machte, und erhielt prompt die Antwort,
wan reflektiere nicht mehr auf die vier Morgen, man habe schon von andrer
Hand gekauft. Die klugen Leute in der Gemeinde waren starr. Wer aber war
der Übelthäter gewesen? Natürlich Fritze Poplitz.

Na ja, Fritze Poplitz, der wird wohl einmal wieder Geld gebraucht haben,
sagte man nicht ohne Berechtigung. Im übrigen war man sittlich nicht sehr ent¬
rüstet in dem Bewußtsein, es an seiner Stelle wahrscheinlich ebenso gemacht zu
haben, und zweitens fühlte man einige Erleichterung, daß einer mit dem Land¬
verkaufe den Bann gebrochen hatte, man konnte also jetzt beruhigt nachfolgen. Und
so war denn anch kein Halten mehr. Wer etwas zu verkaufen hatte, verkaufte es
an die Gesellschaft, und erfuhr hinterher, daß er geleimt worden war, und daß er
das Doppelte hätte bekommen können.

Na ja, sagte auch der Herr Oberstleutnant, es ist den Leuten ganz recht geschehn,
wenn ihnen das Fell über die Ohren gezogen worden ist, warum lassen sie sich
wie diesem Kor--fortium ein. Dabei erwog er im stillen, ob er nicht auch mit der
Gesellschaft ein Geschäft machen könne. Er machte dieses Geschäft und wurde auch
geleimt. Doch davon später.

Nach wenig Jahren hatte sich das Aussehen des Rottethals gänzlich verändert.
Wo einst "süße" Blumen gewachsen waren, da lagen jetzt Schutt, Baumaterial und
Maschinenteile, da erhob sich ein Gebände neben dem andern, sodaß eine ganze
kleine Stadt entstand. Und wie eine Schnecke ihre Fühlhörner, so steckte das Stein-
Wesen, das sich im Rottethale angesiedelt hatte, einen Schornstein nach dem andern
w die Luft. In der Nacht und bei dunkelm Himmel sah man schon von weitem
einen verdächtigen, lichten Schein über dem Rottethale stehn, wenn man aber nahe


Doktor Vuttmüller und ein Freund

erst einmal vier—undzwcm—zig Stunden unter die Plum—pe nehmen sollte, um
es in ein menschenwürdiges Dasein zu versetzen — ich kann so etwas um die Welt
nicht ausstehn. Ihr könnt mir glauben, denn ich weiß das, ich habe mich damit
beschäftigt, das Fnbrikwesen hat der Satan erfunden. Denn was kommt dabei in
die Höhe? Die Juden und die Demokraten. Und hier wird es genau so werdeu.
Mit Kanonen müßte mau dazwischen schießen. Wer ein guter Christ und ein guter
Patriot ist, der mußte den lieben Gott alle — Tage — auf den Knieen — bitten,
daß er Feuer und Schwefel zwischen die Bande regnen ließe. Und mein Rat ist,
und ihr könnt mir glauben, ich kenne den Zauber: verkauft diesem Konsortium
keine Rute Land.

Ob die Rede nachhaltigen Eindruck machte war nicht zu sehen. Die einen
sahen hierhin, und die andern dorthin; die einen schienen zuzustimmen, und die
andern Mißtrauen zu hegen. Da man nun zu einem Schlüsse kommen mußte, und
niemand etwas bestimmtes für oder Wider beibrachte, so beschloß man, erst einmal
zu sehen, ob man nicht noch einen höhern Kaufpreis herausschlagen könnte, denn
gänzlich das Geschäft ablehnen, das konnte man doch auch nicht.

Nachdem dieser Beschluß gefaßt war, kam die Diskussion in Gang. Jetzt floß
Weisheit aus allen Brunnen. Der Schulze und der Herr Oberstleutnant mußten
sich hinter ihrem Rücken alles mögliche sagen lassen: Wenn der Schulze und der
Oberstleutnant nur Feld in der Gegend des Rottethals hätten, hieß es, würden sie
nicht gegen den Verkauf gesprochen haben. Und der Kaufmann und der Bäcker
und der Fleischer zahlten auch ihre Steuern und wollten ihren Verdienst haben.
Und achttausend Mark haben, und nicht haben, sei ein Unterschied, besonders wenn
man das Fehlende durch Steuern aufbringen müßte. Und wenn der Arbeiter und
der kleine Mann Gelegenheit zu Verdienst finden könnte, dann sollte man nicht
sagen, die Industrie wäre vom Teufel; der Geiz sei auch vom Teufel.

Der Herr Kantor legte also die Beantwortung des Schreibens erst einmal
beiseite, einesteils, um eine besonders gesammelte Stimmung abzuwarten, andern-
teils, um zu sehen, wie sich die öffentliche Meinung gestalten würde. Darauf baute
er ein Schreiben, worin er dem laufenden Konsortium alle möglichen Bedingungen
stellte und alle möglichen Schwierigkeiten machte, und erhielt prompt die Antwort,
wan reflektiere nicht mehr auf die vier Morgen, man habe schon von andrer
Hand gekauft. Die klugen Leute in der Gemeinde waren starr. Wer aber war
der Übelthäter gewesen? Natürlich Fritze Poplitz.

Na ja, Fritze Poplitz, der wird wohl einmal wieder Geld gebraucht haben,
sagte man nicht ohne Berechtigung. Im übrigen war man sittlich nicht sehr ent¬
rüstet in dem Bewußtsein, es an seiner Stelle wahrscheinlich ebenso gemacht zu
haben, und zweitens fühlte man einige Erleichterung, daß einer mit dem Land¬
verkaufe den Bann gebrochen hatte, man konnte also jetzt beruhigt nachfolgen. Und
so war denn anch kein Halten mehr. Wer etwas zu verkaufen hatte, verkaufte es
an die Gesellschaft, und erfuhr hinterher, daß er geleimt worden war, und daß er
das Doppelte hätte bekommen können.

Na ja, sagte auch der Herr Oberstleutnant, es ist den Leuten ganz recht geschehn,
wenn ihnen das Fell über die Ohren gezogen worden ist, warum lassen sie sich
wie diesem Kor—fortium ein. Dabei erwog er im stillen, ob er nicht auch mit der
Gesellschaft ein Geschäft machen könne. Er machte dieses Geschäft und wurde auch
geleimt. Doch davon später.

Nach wenig Jahren hatte sich das Aussehen des Rottethals gänzlich verändert.
Wo einst „süße" Blumen gewachsen waren, da lagen jetzt Schutt, Baumaterial und
Maschinenteile, da erhob sich ein Gebände neben dem andern, sodaß eine ganze
kleine Stadt entstand. Und wie eine Schnecke ihre Fühlhörner, so steckte das Stein-
Wesen, das sich im Rottethale angesiedelt hatte, einen Schornstein nach dem andern
w die Luft. In der Nacht und bei dunkelm Himmel sah man schon von weitem
einen verdächtigen, lichten Schein über dem Rottethale stehn, wenn man aber nahe


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0115" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236639"/>
          <fw type="header" place="top"> Doktor Vuttmüller und ein Freund</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_422" prev="#ID_421"> erst einmal vier&#x2014;undzwcm&#x2014;zig Stunden unter die Plum&#x2014;pe nehmen sollte, um<lb/>
es in ein menschenwürdiges Dasein zu versetzen &#x2014; ich kann so etwas um die Welt<lb/>
nicht ausstehn. Ihr könnt mir glauben, denn ich weiß das, ich habe mich damit<lb/>
beschäftigt, das Fnbrikwesen hat der Satan erfunden. Denn was kommt dabei in<lb/>
die Höhe? Die Juden und die Demokraten. Und hier wird es genau so werdeu.<lb/>
Mit Kanonen müßte mau dazwischen schießen. Wer ein guter Christ und ein guter<lb/>
Patriot ist, der mußte den lieben Gott alle &#x2014; Tage &#x2014; auf den Knieen &#x2014; bitten,<lb/>
daß er Feuer und Schwefel zwischen die Bande regnen ließe. Und mein Rat ist,<lb/>
und ihr könnt mir glauben, ich kenne den Zauber: verkauft diesem Konsortium<lb/>
keine Rute Land.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_423"> Ob die Rede nachhaltigen Eindruck machte war nicht zu sehen. Die einen<lb/>
sahen hierhin, und die andern dorthin; die einen schienen zuzustimmen, und die<lb/>
andern Mißtrauen zu hegen. Da man nun zu einem Schlüsse kommen mußte, und<lb/>
niemand etwas bestimmtes für oder Wider beibrachte, so beschloß man, erst einmal<lb/>
zu sehen, ob man nicht noch einen höhern Kaufpreis herausschlagen könnte, denn<lb/>
gänzlich das Geschäft ablehnen, das konnte man doch auch nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_424"> Nachdem dieser Beschluß gefaßt war, kam die Diskussion in Gang. Jetzt floß<lb/>
Weisheit aus allen Brunnen. Der Schulze und der Herr Oberstleutnant mußten<lb/>
sich hinter ihrem Rücken alles mögliche sagen lassen: Wenn der Schulze und der<lb/>
Oberstleutnant nur Feld in der Gegend des Rottethals hätten, hieß es, würden sie<lb/>
nicht gegen den Verkauf gesprochen haben. Und der Kaufmann und der Bäcker<lb/>
und der Fleischer zahlten auch ihre Steuern und wollten ihren Verdienst haben.<lb/>
Und achttausend Mark haben, und nicht haben, sei ein Unterschied, besonders wenn<lb/>
man das Fehlende durch Steuern aufbringen müßte. Und wenn der Arbeiter und<lb/>
der kleine Mann Gelegenheit zu Verdienst finden könnte, dann sollte man nicht<lb/>
sagen, die Industrie wäre vom Teufel; der Geiz sei auch vom Teufel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_425"> Der Herr Kantor legte also die Beantwortung des Schreibens erst einmal<lb/>
beiseite, einesteils, um eine besonders gesammelte Stimmung abzuwarten, andern-<lb/>
teils, um zu sehen, wie sich die öffentliche Meinung gestalten würde. Darauf baute<lb/>
er ein Schreiben, worin er dem laufenden Konsortium alle möglichen Bedingungen<lb/>
stellte und alle möglichen Schwierigkeiten machte, und erhielt prompt die Antwort,<lb/>
wan reflektiere nicht mehr auf die vier Morgen, man habe schon von andrer<lb/>
Hand gekauft. Die klugen Leute in der Gemeinde waren starr. Wer aber war<lb/>
der Übelthäter gewesen?  Natürlich Fritze Poplitz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_426"> Na ja, Fritze Poplitz, der wird wohl einmal wieder Geld gebraucht haben,<lb/>
sagte man nicht ohne Berechtigung. Im übrigen war man sittlich nicht sehr ent¬<lb/>
rüstet in dem Bewußtsein, es an seiner Stelle wahrscheinlich ebenso gemacht zu<lb/>
haben, und zweitens fühlte man einige Erleichterung, daß einer mit dem Land¬<lb/>
verkaufe den Bann gebrochen hatte, man konnte also jetzt beruhigt nachfolgen. Und<lb/>
so war denn anch kein Halten mehr. Wer etwas zu verkaufen hatte, verkaufte es<lb/>
an die Gesellschaft, und erfuhr hinterher, daß er geleimt worden war, und daß er<lb/>
das Doppelte hätte bekommen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_427"> Na ja, sagte auch der Herr Oberstleutnant, es ist den Leuten ganz recht geschehn,<lb/>
wenn ihnen das Fell über die Ohren gezogen worden ist, warum lassen sie sich<lb/>
wie diesem Kor&#x2014;fortium ein. Dabei erwog er im stillen, ob er nicht auch mit der<lb/>
Gesellschaft ein Geschäft machen könne. Er machte dieses Geschäft und wurde auch<lb/>
geleimt.  Doch davon später.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_428" next="#ID_429"> Nach wenig Jahren hatte sich das Aussehen des Rottethals gänzlich verändert.<lb/>
Wo einst &#x201E;süße" Blumen gewachsen waren, da lagen jetzt Schutt, Baumaterial und<lb/>
Maschinenteile, da erhob sich ein Gebände neben dem andern, sodaß eine ganze<lb/>
kleine Stadt entstand. Und wie eine Schnecke ihre Fühlhörner, so steckte das Stein-<lb/>
Wesen, das sich im Rottethale angesiedelt hatte, einen Schornstein nach dem andern<lb/>
w die Luft. In der Nacht und bei dunkelm Himmel sah man schon von weitem<lb/>
einen verdächtigen, lichten Schein über dem Rottethale stehn, wenn man aber nahe</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0115] Doktor Vuttmüller und ein Freund erst einmal vier—undzwcm—zig Stunden unter die Plum—pe nehmen sollte, um es in ein menschenwürdiges Dasein zu versetzen — ich kann so etwas um die Welt nicht ausstehn. Ihr könnt mir glauben, denn ich weiß das, ich habe mich damit beschäftigt, das Fnbrikwesen hat der Satan erfunden. Denn was kommt dabei in die Höhe? Die Juden und die Demokraten. Und hier wird es genau so werdeu. Mit Kanonen müßte mau dazwischen schießen. Wer ein guter Christ und ein guter Patriot ist, der mußte den lieben Gott alle — Tage — auf den Knieen — bitten, daß er Feuer und Schwefel zwischen die Bande regnen ließe. Und mein Rat ist, und ihr könnt mir glauben, ich kenne den Zauber: verkauft diesem Konsortium keine Rute Land. Ob die Rede nachhaltigen Eindruck machte war nicht zu sehen. Die einen sahen hierhin, und die andern dorthin; die einen schienen zuzustimmen, und die andern Mißtrauen zu hegen. Da man nun zu einem Schlüsse kommen mußte, und niemand etwas bestimmtes für oder Wider beibrachte, so beschloß man, erst einmal zu sehen, ob man nicht noch einen höhern Kaufpreis herausschlagen könnte, denn gänzlich das Geschäft ablehnen, das konnte man doch auch nicht. Nachdem dieser Beschluß gefaßt war, kam die Diskussion in Gang. Jetzt floß Weisheit aus allen Brunnen. Der Schulze und der Herr Oberstleutnant mußten sich hinter ihrem Rücken alles mögliche sagen lassen: Wenn der Schulze und der Oberstleutnant nur Feld in der Gegend des Rottethals hätten, hieß es, würden sie nicht gegen den Verkauf gesprochen haben. Und der Kaufmann und der Bäcker und der Fleischer zahlten auch ihre Steuern und wollten ihren Verdienst haben. Und achttausend Mark haben, und nicht haben, sei ein Unterschied, besonders wenn man das Fehlende durch Steuern aufbringen müßte. Und wenn der Arbeiter und der kleine Mann Gelegenheit zu Verdienst finden könnte, dann sollte man nicht sagen, die Industrie wäre vom Teufel; der Geiz sei auch vom Teufel. Der Herr Kantor legte also die Beantwortung des Schreibens erst einmal beiseite, einesteils, um eine besonders gesammelte Stimmung abzuwarten, andern- teils, um zu sehen, wie sich die öffentliche Meinung gestalten würde. Darauf baute er ein Schreiben, worin er dem laufenden Konsortium alle möglichen Bedingungen stellte und alle möglichen Schwierigkeiten machte, und erhielt prompt die Antwort, wan reflektiere nicht mehr auf die vier Morgen, man habe schon von andrer Hand gekauft. Die klugen Leute in der Gemeinde waren starr. Wer aber war der Übelthäter gewesen? Natürlich Fritze Poplitz. Na ja, Fritze Poplitz, der wird wohl einmal wieder Geld gebraucht haben, sagte man nicht ohne Berechtigung. Im übrigen war man sittlich nicht sehr ent¬ rüstet in dem Bewußtsein, es an seiner Stelle wahrscheinlich ebenso gemacht zu haben, und zweitens fühlte man einige Erleichterung, daß einer mit dem Land¬ verkaufe den Bann gebrochen hatte, man konnte also jetzt beruhigt nachfolgen. Und so war denn anch kein Halten mehr. Wer etwas zu verkaufen hatte, verkaufte es an die Gesellschaft, und erfuhr hinterher, daß er geleimt worden war, und daß er das Doppelte hätte bekommen können. Na ja, sagte auch der Herr Oberstleutnant, es ist den Leuten ganz recht geschehn, wenn ihnen das Fell über die Ohren gezogen worden ist, warum lassen sie sich wie diesem Kor—fortium ein. Dabei erwog er im stillen, ob er nicht auch mit der Gesellschaft ein Geschäft machen könne. Er machte dieses Geschäft und wurde auch geleimt. Doch davon später. Nach wenig Jahren hatte sich das Aussehen des Rottethals gänzlich verändert. Wo einst „süße" Blumen gewachsen waren, da lagen jetzt Schutt, Baumaterial und Maschinenteile, da erhob sich ein Gebände neben dem andern, sodaß eine ganze kleine Stadt entstand. Und wie eine Schnecke ihre Fühlhörner, so steckte das Stein- Wesen, das sich im Rottethale angesiedelt hatte, einen Schornstein nach dem andern w die Luft. In der Nacht und bei dunkelm Himmel sah man schon von weitem einen verdächtigen, lichten Schein über dem Rottethale stehn, wenn man aber nahe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/115
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/115>, abgerufen am 27.09.2024.