Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
MeihnachttM vor Paris

gewandt hatte, sofort als "Sechser" erkannt und von dem Befragten -- das schien
so norddeutscher Vranch zu sein -- mehr oder weniger mit der besondern Rücksicht
behandelt worden, die dem Zirkusaugnst von der Seite des Stallpersonals zu teil
wird. Es war keine in verletzender Absicht an den Tag gelegte Geringschätzung,
v ganz und gnr nicht, aber Paul, der von dem letzten Faustkämpfe her noch etwas
reizbar und händelsüchtig war und durch die Farbenpracht der auf seinem Antlitz
aufgesetzten Palette zu witzigen Bemerkungen Anlaß gab, hatte mehr als einmal
die Hand in der Tasche seines Jacketts geballt, um, wenn die Milchsuppe bei ihm
überliefe, trotz seiner Mindermnchtigkeit "aufzubegehren" und lieber ehrenvoll zu sterben,
als beschimpft zu leben. Der gute Junge, der im übrigen ganz unser Mann ist,
wußte noch nicht, daß Großschnauzigkeit, ohne die uun einmal Einzelne wie Völker
schwer vorwärts kommen, angeboren sein muß, wenn sie anmutig und wirkungsvoll
sein soll, und daß deshalb noch Generationen über Generationen kleiner Paulkinder
und Paulenkel bei dem herablassenden Stallpersonal in die Schule würden gehn
müssen, ehe im norddeutschen Vokabularium der Sechser dein Sachsen Platz machte.

Um so großer war Vater Hahns und Pauls Jnbel, als man in Frouard,
wo nach vielstündigen Warten ihr über Metz gekommner Zug mit einem ans
Avrieonrt eingetroffueu zur Weiterfahrt nach Chalous f. M. zusammeugeschustert
worden war, in einem Coupee dritter Klasse mit zwei engern Landsleuten zusammen¬
traf, zwei Jeans, deren Patroni, vier Liebesgabenritter, etwas weiter hinten in
einer ersten Klasse Skat spielten und rauchten. Vier Kavaliere hätten eigentlich
nach dem Vorgang der Dumasschen Musketiere auch vier Diener haben sollen, aber
wir sind im Verhältnis zu unsern Vorfahren, was Bedienung anlangt, notgedrungen
sehr bescheiden geworden, und die vier Ritter hatten sich sogar eigentlich mit einem
einzigen Jean begnügen Wollen, dem braven Gottlieb, einem Burschen aus der
reichen und fruchtbaren Lvmmatzschcr Pflege, den man nach dem ersten Jahre wegen
Krampfadern wieder von der Fahne entlassen hatte, und der seitdem bei dem einen
von ihnen als Diener eine besondre Vertrauensstellung einnahm. Aber zu diesem
einen war ans seine Empfehlung im letzten Augenblick eine Nummer zwei ge¬
kommen, in Bezug auf deren Geschlecht wir den Leser zu mystifizieren in Ver¬
suchung waren, ein Streich, der uns um so sichrer gelungen wäre, als wir ihm
ja von den kleinen Händen und zierlichen Füßen des jungen Menschen und von
allem andern, das einem scharfen Ange an seiner Figur auffallen konnte, nichts zu
sagen brauchten. Sind doch bisweilen junge Damen als alte Herren und junge
Burschen als alte Damen gestorben, nachdem einige von ihnen in den höchsten,
andre in den breitern Schichten der Gesellschaft mit ihrer Umgebung in so ver¬
trautem täglichem Verkehr gestanden haben, daß man sich fragt, wo diese die Augen
und die doch sonst selten vermißte Spürhuudsnnse gehabt hat, daß man jahrelang
neben einem Manne her leben konnte, den man für eine Frau hielt, oder umgekehrt
ueben einer Frau, die man ans Treu und Glauben für einen Mann gelten ließ,
weil sie sich dafür ausgab?

Nein, wir ziehn vor, den Leser einzuweihen. Nummer zwei, Julius, wie ihn
Gottlieb und die vier Ritter riefen, hieß "eigentlich" Rosa und war die einzige
Tochter der Frau Patzschmann, eiuer reichen Lvmmatzscher Bäuerin, ans deren sehr
an ein Rittergut erinnernden Gutshöfe Gottlieb sechs Jahre gedient und sich auch,
weil er schon als Junge soviel hatte leisten wollen wie ein ausgewachsener Knecht,
den ersten Ansatz zu den oben erwähnten Krampfadern geholt hatte. Ein Brief
von ihm, worin er Frau Patzschmann beuachrichtete, daß er im Begriff sei, seinen
"Herrn" und drei von dessen Freunden, die mit Liebesgaben zum zwölften Korps
nach Frankreich gingen, als Karawanenschech zu begleiten, war an demselben Tage
angekommen, wie ein Feldpostbrief Eugen Zeisigs von der vierten von hundertund¬
acht -- beiläufig gesagt der dritte vou derselbe" Hand und von demselben Tage,
der uus begegnet - , durch den Fräulein Rosa zu ihrem sofort durch wildeste


MeihnachttM vor Paris

gewandt hatte, sofort als „Sechser" erkannt und von dem Befragten — das schien
so norddeutscher Vranch zu sein — mehr oder weniger mit der besondern Rücksicht
behandelt worden, die dem Zirkusaugnst von der Seite des Stallpersonals zu teil
wird. Es war keine in verletzender Absicht an den Tag gelegte Geringschätzung,
v ganz und gnr nicht, aber Paul, der von dem letzten Faustkämpfe her noch etwas
reizbar und händelsüchtig war und durch die Farbenpracht der auf seinem Antlitz
aufgesetzten Palette zu witzigen Bemerkungen Anlaß gab, hatte mehr als einmal
die Hand in der Tasche seines Jacketts geballt, um, wenn die Milchsuppe bei ihm
überliefe, trotz seiner Mindermnchtigkeit „aufzubegehren" und lieber ehrenvoll zu sterben,
als beschimpft zu leben. Der gute Junge, der im übrigen ganz unser Mann ist,
wußte noch nicht, daß Großschnauzigkeit, ohne die uun einmal Einzelne wie Völker
schwer vorwärts kommen, angeboren sein muß, wenn sie anmutig und wirkungsvoll
sein soll, und daß deshalb noch Generationen über Generationen kleiner Paulkinder
und Paulenkel bei dem herablassenden Stallpersonal in die Schule würden gehn
müssen, ehe im norddeutschen Vokabularium der Sechser dein Sachsen Platz machte.

Um so großer war Vater Hahns und Pauls Jnbel, als man in Frouard,
wo nach vielstündigen Warten ihr über Metz gekommner Zug mit einem ans
Avrieonrt eingetroffueu zur Weiterfahrt nach Chalous f. M. zusammeugeschustert
worden war, in einem Coupee dritter Klasse mit zwei engern Landsleuten zusammen¬
traf, zwei Jeans, deren Patroni, vier Liebesgabenritter, etwas weiter hinten in
einer ersten Klasse Skat spielten und rauchten. Vier Kavaliere hätten eigentlich
nach dem Vorgang der Dumasschen Musketiere auch vier Diener haben sollen, aber
wir sind im Verhältnis zu unsern Vorfahren, was Bedienung anlangt, notgedrungen
sehr bescheiden geworden, und die vier Ritter hatten sich sogar eigentlich mit einem
einzigen Jean begnügen Wollen, dem braven Gottlieb, einem Burschen aus der
reichen und fruchtbaren Lvmmatzschcr Pflege, den man nach dem ersten Jahre wegen
Krampfadern wieder von der Fahne entlassen hatte, und der seitdem bei dem einen
von ihnen als Diener eine besondre Vertrauensstellung einnahm. Aber zu diesem
einen war ans seine Empfehlung im letzten Augenblick eine Nummer zwei ge¬
kommen, in Bezug auf deren Geschlecht wir den Leser zu mystifizieren in Ver¬
suchung waren, ein Streich, der uns um so sichrer gelungen wäre, als wir ihm
ja von den kleinen Händen und zierlichen Füßen des jungen Menschen und von
allem andern, das einem scharfen Ange an seiner Figur auffallen konnte, nichts zu
sagen brauchten. Sind doch bisweilen junge Damen als alte Herren und junge
Burschen als alte Damen gestorben, nachdem einige von ihnen in den höchsten,
andre in den breitern Schichten der Gesellschaft mit ihrer Umgebung in so ver¬
trautem täglichem Verkehr gestanden haben, daß man sich fragt, wo diese die Augen
und die doch sonst selten vermißte Spürhuudsnnse gehabt hat, daß man jahrelang
neben einem Manne her leben konnte, den man für eine Frau hielt, oder umgekehrt
ueben einer Frau, die man ans Treu und Glauben für einen Mann gelten ließ,
weil sie sich dafür ausgab?

Nein, wir ziehn vor, den Leser einzuweihen. Nummer zwei, Julius, wie ihn
Gottlieb und die vier Ritter riefen, hieß „eigentlich" Rosa und war die einzige
Tochter der Frau Patzschmann, eiuer reichen Lvmmatzscher Bäuerin, ans deren sehr
an ein Rittergut erinnernden Gutshöfe Gottlieb sechs Jahre gedient und sich auch,
weil er schon als Junge soviel hatte leisten wollen wie ein ausgewachsener Knecht,
den ersten Ansatz zu den oben erwähnten Krampfadern geholt hatte. Ein Brief
von ihm, worin er Frau Patzschmann beuachrichtete, daß er im Begriff sei, seinen
„Herrn" und drei von dessen Freunden, die mit Liebesgaben zum zwölften Korps
nach Frankreich gingen, als Karawanenschech zu begleiten, war an demselben Tage
angekommen, wie ein Feldpostbrief Eugen Zeisigs von der vierten von hundertund¬
acht — beiläufig gesagt der dritte vou derselbe» Hand und von demselben Tage,
der uus begegnet - , durch den Fräulein Rosa zu ihrem sofort durch wildeste


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0672" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236494"/>
          <fw type="header" place="top"> MeihnachttM vor Paris</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2544" prev="#ID_2543"> gewandt hatte, sofort als &#x201E;Sechser" erkannt und von dem Befragten &#x2014; das schien<lb/>
so norddeutscher Vranch zu sein &#x2014; mehr oder weniger mit der besondern Rücksicht<lb/>
behandelt worden, die dem Zirkusaugnst von der Seite des Stallpersonals zu teil<lb/>
wird. Es war keine in verletzender Absicht an den Tag gelegte Geringschätzung,<lb/>
v ganz und gnr nicht, aber Paul, der von dem letzten Faustkämpfe her noch etwas<lb/>
reizbar und händelsüchtig war und durch die Farbenpracht der auf seinem Antlitz<lb/>
aufgesetzten Palette zu witzigen Bemerkungen Anlaß gab, hatte mehr als einmal<lb/>
die Hand in der Tasche seines Jacketts geballt, um, wenn die Milchsuppe bei ihm<lb/>
überliefe, trotz seiner Mindermnchtigkeit &#x201E;aufzubegehren" und lieber ehrenvoll zu sterben,<lb/>
als beschimpft zu leben. Der gute Junge, der im übrigen ganz unser Mann ist,<lb/>
wußte noch nicht, daß Großschnauzigkeit, ohne die uun einmal Einzelne wie Völker<lb/>
schwer vorwärts kommen, angeboren sein muß, wenn sie anmutig und wirkungsvoll<lb/>
sein soll, und daß deshalb noch Generationen über Generationen kleiner Paulkinder<lb/>
und Paulenkel bei dem herablassenden Stallpersonal in die Schule würden gehn<lb/>
müssen, ehe im norddeutschen Vokabularium der Sechser dein Sachsen Platz machte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2545"> Um so großer war Vater Hahns und Pauls Jnbel, als man in Frouard,<lb/>
wo nach vielstündigen Warten ihr über Metz gekommner Zug mit einem ans<lb/>
Avrieonrt eingetroffueu zur Weiterfahrt nach Chalous f. M. zusammeugeschustert<lb/>
worden war, in einem Coupee dritter Klasse mit zwei engern Landsleuten zusammen¬<lb/>
traf, zwei Jeans, deren Patroni, vier Liebesgabenritter, etwas weiter hinten in<lb/>
einer ersten Klasse Skat spielten und rauchten. Vier Kavaliere hätten eigentlich<lb/>
nach dem Vorgang der Dumasschen Musketiere auch vier Diener haben sollen, aber<lb/>
wir sind im Verhältnis zu unsern Vorfahren, was Bedienung anlangt, notgedrungen<lb/>
sehr bescheiden geworden, und die vier Ritter hatten sich sogar eigentlich mit einem<lb/>
einzigen Jean begnügen Wollen, dem braven Gottlieb, einem Burschen aus der<lb/>
reichen und fruchtbaren Lvmmatzschcr Pflege, den man nach dem ersten Jahre wegen<lb/>
Krampfadern wieder von der Fahne entlassen hatte, und der seitdem bei dem einen<lb/>
von ihnen als Diener eine besondre Vertrauensstellung einnahm. Aber zu diesem<lb/>
einen war ans seine Empfehlung im letzten Augenblick eine Nummer zwei ge¬<lb/>
kommen, in Bezug auf deren Geschlecht wir den Leser zu mystifizieren in Ver¬<lb/>
suchung waren, ein Streich, der uns um so sichrer gelungen wäre, als wir ihm<lb/>
ja von den kleinen Händen und zierlichen Füßen des jungen Menschen und von<lb/>
allem andern, das einem scharfen Ange an seiner Figur auffallen konnte, nichts zu<lb/>
sagen brauchten. Sind doch bisweilen junge Damen als alte Herren und junge<lb/>
Burschen als alte Damen gestorben, nachdem einige von ihnen in den höchsten,<lb/>
andre in den breitern Schichten der Gesellschaft mit ihrer Umgebung in so ver¬<lb/>
trautem täglichem Verkehr gestanden haben, daß man sich fragt, wo diese die Augen<lb/>
und die doch sonst selten vermißte Spürhuudsnnse gehabt hat, daß man jahrelang<lb/>
neben einem Manne her leben konnte, den man für eine Frau hielt, oder umgekehrt<lb/>
ueben einer Frau, die man ans Treu und Glauben für einen Mann gelten ließ,<lb/>
weil sie sich dafür ausgab?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2546" next="#ID_2547"> Nein, wir ziehn vor, den Leser einzuweihen. Nummer zwei, Julius, wie ihn<lb/>
Gottlieb und die vier Ritter riefen, hieß &#x201E;eigentlich" Rosa und war die einzige<lb/>
Tochter der Frau Patzschmann, eiuer reichen Lvmmatzscher Bäuerin, ans deren sehr<lb/>
an ein Rittergut erinnernden Gutshöfe Gottlieb sechs Jahre gedient und sich auch,<lb/>
weil er schon als Junge soviel hatte leisten wollen wie ein ausgewachsener Knecht,<lb/>
den ersten Ansatz zu den oben erwähnten Krampfadern geholt hatte. Ein Brief<lb/>
von ihm, worin er Frau Patzschmann beuachrichtete, daß er im Begriff sei, seinen<lb/>
&#x201E;Herrn" und drei von dessen Freunden, die mit Liebesgaben zum zwölften Korps<lb/>
nach Frankreich gingen, als Karawanenschech zu begleiten, war an demselben Tage<lb/>
angekommen, wie ein Feldpostbrief Eugen Zeisigs von der vierten von hundertund¬<lb/>
acht &#x2014; beiläufig gesagt der dritte vou derselbe» Hand und von demselben Tage,<lb/>
der uus begegnet -  , durch den Fräulein Rosa zu ihrem sofort durch wildeste</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0672] MeihnachttM vor Paris gewandt hatte, sofort als „Sechser" erkannt und von dem Befragten — das schien so norddeutscher Vranch zu sein — mehr oder weniger mit der besondern Rücksicht behandelt worden, die dem Zirkusaugnst von der Seite des Stallpersonals zu teil wird. Es war keine in verletzender Absicht an den Tag gelegte Geringschätzung, v ganz und gnr nicht, aber Paul, der von dem letzten Faustkämpfe her noch etwas reizbar und händelsüchtig war und durch die Farbenpracht der auf seinem Antlitz aufgesetzten Palette zu witzigen Bemerkungen Anlaß gab, hatte mehr als einmal die Hand in der Tasche seines Jacketts geballt, um, wenn die Milchsuppe bei ihm überliefe, trotz seiner Mindermnchtigkeit „aufzubegehren" und lieber ehrenvoll zu sterben, als beschimpft zu leben. Der gute Junge, der im übrigen ganz unser Mann ist, wußte noch nicht, daß Großschnauzigkeit, ohne die uun einmal Einzelne wie Völker schwer vorwärts kommen, angeboren sein muß, wenn sie anmutig und wirkungsvoll sein soll, und daß deshalb noch Generationen über Generationen kleiner Paulkinder und Paulenkel bei dem herablassenden Stallpersonal in die Schule würden gehn müssen, ehe im norddeutschen Vokabularium der Sechser dein Sachsen Platz machte. Um so großer war Vater Hahns und Pauls Jnbel, als man in Frouard, wo nach vielstündigen Warten ihr über Metz gekommner Zug mit einem ans Avrieonrt eingetroffueu zur Weiterfahrt nach Chalous f. M. zusammeugeschustert worden war, in einem Coupee dritter Klasse mit zwei engern Landsleuten zusammen¬ traf, zwei Jeans, deren Patroni, vier Liebesgabenritter, etwas weiter hinten in einer ersten Klasse Skat spielten und rauchten. Vier Kavaliere hätten eigentlich nach dem Vorgang der Dumasschen Musketiere auch vier Diener haben sollen, aber wir sind im Verhältnis zu unsern Vorfahren, was Bedienung anlangt, notgedrungen sehr bescheiden geworden, und die vier Ritter hatten sich sogar eigentlich mit einem einzigen Jean begnügen Wollen, dem braven Gottlieb, einem Burschen aus der reichen und fruchtbaren Lvmmatzschcr Pflege, den man nach dem ersten Jahre wegen Krampfadern wieder von der Fahne entlassen hatte, und der seitdem bei dem einen von ihnen als Diener eine besondre Vertrauensstellung einnahm. Aber zu diesem einen war ans seine Empfehlung im letzten Augenblick eine Nummer zwei ge¬ kommen, in Bezug auf deren Geschlecht wir den Leser zu mystifizieren in Ver¬ suchung waren, ein Streich, der uns um so sichrer gelungen wäre, als wir ihm ja von den kleinen Händen und zierlichen Füßen des jungen Menschen und von allem andern, das einem scharfen Ange an seiner Figur auffallen konnte, nichts zu sagen brauchten. Sind doch bisweilen junge Damen als alte Herren und junge Burschen als alte Damen gestorben, nachdem einige von ihnen in den höchsten, andre in den breitern Schichten der Gesellschaft mit ihrer Umgebung in so ver¬ trautem täglichem Verkehr gestanden haben, daß man sich fragt, wo diese die Augen und die doch sonst selten vermißte Spürhuudsnnse gehabt hat, daß man jahrelang neben einem Manne her leben konnte, den man für eine Frau hielt, oder umgekehrt ueben einer Frau, die man ans Treu und Glauben für einen Mann gelten ließ, weil sie sich dafür ausgab? Nein, wir ziehn vor, den Leser einzuweihen. Nummer zwei, Julius, wie ihn Gottlieb und die vier Ritter riefen, hieß „eigentlich" Rosa und war die einzige Tochter der Frau Patzschmann, eiuer reichen Lvmmatzscher Bäuerin, ans deren sehr an ein Rittergut erinnernden Gutshöfe Gottlieb sechs Jahre gedient und sich auch, weil er schon als Junge soviel hatte leisten wollen wie ein ausgewachsener Knecht, den ersten Ansatz zu den oben erwähnten Krampfadern geholt hatte. Ein Brief von ihm, worin er Frau Patzschmann beuachrichtete, daß er im Begriff sei, seinen „Herrn" und drei von dessen Freunden, die mit Liebesgaben zum zwölften Korps nach Frankreich gingen, als Karawanenschech zu begleiten, war an demselben Tage angekommen, wie ein Feldpostbrief Eugen Zeisigs von der vierten von hundertund¬ acht — beiläufig gesagt der dritte vou derselbe» Hand und von demselben Tage, der uus begegnet - , durch den Fräulein Rosa zu ihrem sofort durch wildeste

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/672
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/672>, abgerufen am 01.09.2024.