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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Hahns waren eben ganz ehrbare Leute, deren Tageseinteilung anßer was die
Hauptmahlzeiten anlangte -- zwischen Arbeit und Ruhe, zwischen dursterzeugcnder
Thätigkeit und durstlöschender Feier in einem steten Wechsel verlief, der durch das
Kommen und Gehn der Kunden bestimmt wurde. Die erste Nachfrage jedes
Stammgasts ging jedesmal nach "Gustav" oder "Karl," die denn auch alsbald
mit dem Schleier oder dem Roten durch Frau Hahn -- die Heune, wie die
nähern Bekannten sie nannten -- oder die Kucheumamsells beschafft wurden.

Die Kucheumamsells. -- Ja, die Kucheumamsells. - Die Kucheumamsells
waren natürlich immer jung und immer ehrbar, aber . . , Was, ein aber? -- Nein,
kein aber, . , Sie waren immer jung, ehrbar und umgänglich. Hinter dem "um¬
gänglich" lauert kein Satyr; sie waren umgänglich, insoweit als es die gute Meißner
Sitte vor dreißig Jahren erlaubte, und insoweit als der Gast selbst nüchtern, ver¬
nünftig und deu berüchtigte" schaulustigen Greifen des Alten Testaments nicht in
einer Weise ähnlich war, die ihre Gefühle hätte verletzen können. Es waren gute
brave Mädchen, und auch wenn sie das uicht gewesen wären, aber sie waren es,
so hätten sie es werden müssen, denn es gab - wir sind uns der Häßlichkeit des
Pinselstrichs, zu dem wir ausholen, bewußt - denn es gab viel Aufsicht. Sie
sahen sich gegenseitig sehr scharf auf die Finger, Herr Hahn hatte ein Auge auf
sie, auf die Kunden,' auf Karl, uns die Gesellen und die Jungen, Karls Anwesen¬
heit war ein stetes Memento für dessen Vater, und Frau Hahn beaufsichtigte sie
allesamt mit Argusaugen.

Die Kuchen, der Schleier, die Gäste und die Mamsells Ware" nicht spurlos
an Karl vorübergegangen, sie hatten ans ihn abgefärbt in einer Weise, von der
die abhärtende Wirkuug der lykurgischen Erziehungsmaßregeln auf die spartanischen
Epheben und der Stadtende Einfluß der Lichterfelder Disziplin auf die königlich
preußischen der gerade Gegensatz sind. Karl war als Soldat, ohne geradezu
weichlich zu sein, ein bischen sehr nachsichtig für sich und andre, etwas "pappig,"
wie sich die Unteroffiziere der vierten Kompagnie ausdrückten, und deswegen war
er auch uicht Gefreiter geworden, obwohl mau thu allgemein gern hatte, und ihm
außer verzeihlichen kleinen Nachlässigkeiten bezüglich der Instandhaltung seines Ge¬
wehrs und seines "Zeugs" nichts vorzuwerfen gewesen war.

Frau Hahn hatte beim Empfang von Eugens Brief den von uus eben dem
Lefer zulieb gemachten Abstecher in die Vergangenheit nicht nötig gehabt: Karl,
mit allem, was ihn betraf, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, war ihr zu
jeder Stunde des Tags und der Nacht "komplett" gegenwärtig, und da ihre Vor¬
stellung von einer besonders schrecklichen Verwundung in einem über das ganze
Gesicht weggehenden Säbelhieb bestand, so trat ihr auch sofort sein nettes gutmütiges
Gesicht mit einer solchen klaffenden Wunde vor die Augen.

Sie hatte sich wegen des ihr in die Kniee gefahrnen Schrecks kaum für
ein paar Sekunden auf einem Stuhl niedergelassen, als sie sich wieder aufraffte
und sich anschickte, ihrem Mann den Brief hinter in die Backstube zu tragen.
Sie hatte eben die Hausflur betreten, als in der Umrahmung der altertümlich
überwölbten Hausthür ruckweise, wie Samiel aus der Versenkung, eine Frau mit
einem große" schweren Handkorb sichtbar wurde, die Eiermülleru. Das ruckweise
von unten her zum Vorschein kommen darf uns ebensowenig zu einem voreiligen
Schluß auf unerlaubte Beziehungen der guten Dame zur Unterwelt veranlasse",
wie es am Platze wäre, wenn man nach der Analogie der Ausdrücke Öl- und Ge¬
treide-, Wind- und Wassermttllcr annehmen wollte, daß die Eiermüllern Eier oder
mit Hilfe von Eiern mahlte. Einmal nämlich erschien jedermann, der Herr Pfarrer
nicht ausgenommen, in dieser Thürumrahmung wie Samiel aus der Versenkung,
weil von der Straße Stufen nach der Hausflur hinaufführten, das andremal mahlte
die Handkorbträgerin überhaupt nicht, vielmehr deutete nur der Familienname
Müller darauf hin, daß ihre Ahnen etwas mit diesem einträglichen Erwerbszweige


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Hahns waren eben ganz ehrbare Leute, deren Tageseinteilung anßer was die
Hauptmahlzeiten anlangte — zwischen Arbeit und Ruhe, zwischen dursterzeugcnder
Thätigkeit und durstlöschender Feier in einem steten Wechsel verlief, der durch das
Kommen und Gehn der Kunden bestimmt wurde. Die erste Nachfrage jedes
Stammgasts ging jedesmal nach „Gustav" oder „Karl," die denn auch alsbald
mit dem Schleier oder dem Roten durch Frau Hahn — die Heune, wie die
nähern Bekannten sie nannten — oder die Kucheumamsells beschafft wurden.

Die Kucheumamsells. — Ja, die Kucheumamsells. - Die Kucheumamsells
waren natürlich immer jung und immer ehrbar, aber . . , Was, ein aber? — Nein,
kein aber, . , Sie waren immer jung, ehrbar und umgänglich. Hinter dem „um¬
gänglich" lauert kein Satyr; sie waren umgänglich, insoweit als es die gute Meißner
Sitte vor dreißig Jahren erlaubte, und insoweit als der Gast selbst nüchtern, ver¬
nünftig und deu berüchtigte» schaulustigen Greifen des Alten Testaments nicht in
einer Weise ähnlich war, die ihre Gefühle hätte verletzen können. Es waren gute
brave Mädchen, und auch wenn sie das uicht gewesen wären, aber sie waren es,
so hätten sie es werden müssen, denn es gab - wir sind uns der Häßlichkeit des
Pinselstrichs, zu dem wir ausholen, bewußt - denn es gab viel Aufsicht. Sie
sahen sich gegenseitig sehr scharf auf die Finger, Herr Hahn hatte ein Auge auf
sie, auf die Kunden,' auf Karl, uns die Gesellen und die Jungen, Karls Anwesen¬
heit war ein stetes Memento für dessen Vater, und Frau Hahn beaufsichtigte sie
allesamt mit Argusaugen.

Die Kuchen, der Schleier, die Gäste und die Mamsells Ware» nicht spurlos
an Karl vorübergegangen, sie hatten ans ihn abgefärbt in einer Weise, von der
die abhärtende Wirkuug der lykurgischen Erziehungsmaßregeln auf die spartanischen
Epheben und der Stadtende Einfluß der Lichterfelder Disziplin auf die königlich
preußischen der gerade Gegensatz sind. Karl war als Soldat, ohne geradezu
weichlich zu sein, ein bischen sehr nachsichtig für sich und andre, etwas „pappig,"
wie sich die Unteroffiziere der vierten Kompagnie ausdrückten, und deswegen war
er auch uicht Gefreiter geworden, obwohl mau thu allgemein gern hatte, und ihm
außer verzeihlichen kleinen Nachlässigkeiten bezüglich der Instandhaltung seines Ge¬
wehrs und seines „Zeugs" nichts vorzuwerfen gewesen war.

Frau Hahn hatte beim Empfang von Eugens Brief den von uus eben dem
Lefer zulieb gemachten Abstecher in die Vergangenheit nicht nötig gehabt: Karl,
mit allem, was ihn betraf, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, war ihr zu
jeder Stunde des Tags und der Nacht „komplett" gegenwärtig, und da ihre Vor¬
stellung von einer besonders schrecklichen Verwundung in einem über das ganze
Gesicht weggehenden Säbelhieb bestand, so trat ihr auch sofort sein nettes gutmütiges
Gesicht mit einer solchen klaffenden Wunde vor die Augen.

Sie hatte sich wegen des ihr in die Kniee gefahrnen Schrecks kaum für
ein paar Sekunden auf einem Stuhl niedergelassen, als sie sich wieder aufraffte
und sich anschickte, ihrem Mann den Brief hinter in die Backstube zu tragen.
Sie hatte eben die Hausflur betreten, als in der Umrahmung der altertümlich
überwölbten Hausthür ruckweise, wie Samiel aus der Versenkung, eine Frau mit
einem große» schweren Handkorb sichtbar wurde, die Eiermülleru. Das ruckweise
von unten her zum Vorschein kommen darf uns ebensowenig zu einem voreiligen
Schluß auf unerlaubte Beziehungen der guten Dame zur Unterwelt veranlasse»,
wie es am Platze wäre, wenn man nach der Analogie der Ausdrücke Öl- und Ge¬
treide-, Wind- und Wassermttllcr annehmen wollte, daß die Eiermüllern Eier oder
mit Hilfe von Eiern mahlte. Einmal nämlich erschien jedermann, der Herr Pfarrer
nicht ausgenommen, in dieser Thürumrahmung wie Samiel aus der Versenkung,
weil von der Straße Stufen nach der Hausflur hinaufführten, das andremal mahlte
die Handkorbträgerin überhaupt nicht, vielmehr deutete nur der Familienname
Müller darauf hin, daß ihre Ahnen etwas mit diesem einträglichen Erwerbszweige


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[0621] !vel!;n^chton vor z^alis Hahns waren eben ganz ehrbare Leute, deren Tageseinteilung anßer was die Hauptmahlzeiten anlangte — zwischen Arbeit und Ruhe, zwischen dursterzeugcnder Thätigkeit und durstlöschender Feier in einem steten Wechsel verlief, der durch das Kommen und Gehn der Kunden bestimmt wurde. Die erste Nachfrage jedes Stammgasts ging jedesmal nach „Gustav" oder „Karl," die denn auch alsbald mit dem Schleier oder dem Roten durch Frau Hahn — die Heune, wie die nähern Bekannten sie nannten — oder die Kucheumamsells beschafft wurden. Die Kucheumamsells. — Ja, die Kucheumamsells. - Die Kucheumamsells waren natürlich immer jung und immer ehrbar, aber . . , Was, ein aber? — Nein, kein aber, . , Sie waren immer jung, ehrbar und umgänglich. Hinter dem „um¬ gänglich" lauert kein Satyr; sie waren umgänglich, insoweit als es die gute Meißner Sitte vor dreißig Jahren erlaubte, und insoweit als der Gast selbst nüchtern, ver¬ nünftig und deu berüchtigte» schaulustigen Greifen des Alten Testaments nicht in einer Weise ähnlich war, die ihre Gefühle hätte verletzen können. Es waren gute brave Mädchen, und auch wenn sie das uicht gewesen wären, aber sie waren es, so hätten sie es werden müssen, denn es gab - wir sind uns der Häßlichkeit des Pinselstrichs, zu dem wir ausholen, bewußt - denn es gab viel Aufsicht. Sie sahen sich gegenseitig sehr scharf auf die Finger, Herr Hahn hatte ein Auge auf sie, auf die Kunden,' auf Karl, uns die Gesellen und die Jungen, Karls Anwesen¬ heit war ein stetes Memento für dessen Vater, und Frau Hahn beaufsichtigte sie allesamt mit Argusaugen. Die Kuchen, der Schleier, die Gäste und die Mamsells Ware» nicht spurlos an Karl vorübergegangen, sie hatten ans ihn abgefärbt in einer Weise, von der die abhärtende Wirkuug der lykurgischen Erziehungsmaßregeln auf die spartanischen Epheben und der Stadtende Einfluß der Lichterfelder Disziplin auf die königlich preußischen der gerade Gegensatz sind. Karl war als Soldat, ohne geradezu weichlich zu sein, ein bischen sehr nachsichtig für sich und andre, etwas „pappig," wie sich die Unteroffiziere der vierten Kompagnie ausdrückten, und deswegen war er auch uicht Gefreiter geworden, obwohl mau thu allgemein gern hatte, und ihm außer verzeihlichen kleinen Nachlässigkeiten bezüglich der Instandhaltung seines Ge¬ wehrs und seines „Zeugs" nichts vorzuwerfen gewesen war. Frau Hahn hatte beim Empfang von Eugens Brief den von uus eben dem Lefer zulieb gemachten Abstecher in die Vergangenheit nicht nötig gehabt: Karl, mit allem, was ihn betraf, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, war ihr zu jeder Stunde des Tags und der Nacht „komplett" gegenwärtig, und da ihre Vor¬ stellung von einer besonders schrecklichen Verwundung in einem über das ganze Gesicht weggehenden Säbelhieb bestand, so trat ihr auch sofort sein nettes gutmütiges Gesicht mit einer solchen klaffenden Wunde vor die Augen. Sie hatte sich wegen des ihr in die Kniee gefahrnen Schrecks kaum für ein paar Sekunden auf einem Stuhl niedergelassen, als sie sich wieder aufraffte und sich anschickte, ihrem Mann den Brief hinter in die Backstube zu tragen. Sie hatte eben die Hausflur betreten, als in der Umrahmung der altertümlich überwölbten Hausthür ruckweise, wie Samiel aus der Versenkung, eine Frau mit einem große» schweren Handkorb sichtbar wurde, die Eiermülleru. Das ruckweise von unten her zum Vorschein kommen darf uns ebensowenig zu einem voreiligen Schluß auf unerlaubte Beziehungen der guten Dame zur Unterwelt veranlasse», wie es am Platze wäre, wenn man nach der Analogie der Ausdrücke Öl- und Ge¬ treide-, Wind- und Wassermttllcr annehmen wollte, daß die Eiermüllern Eier oder mit Hilfe von Eiern mahlte. Einmal nämlich erschien jedermann, der Herr Pfarrer nicht ausgenommen, in dieser Thürumrahmung wie Samiel aus der Versenkung, weil von der Straße Stufen nach der Hausflur hinaufführten, das andremal mahlte die Handkorbträgerin überhaupt nicht, vielmehr deutete nur der Familienname Müller darauf hin, daß ihre Ahnen etwas mit diesem einträglichen Erwerbszweige

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/621>, abgerufen am 28.07.2024.