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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Die Haltung der Prinzessin von Preußen
in den Jahren 1^8 und ^9
G. Schuster Von

le kürzlich erschienenen "Denkwürdigkeiten" des Ministers Otto
von Manteuffel enthalten keineswegs, wie nur nach dem Titel
annehmen könnte, persönliche tagebnchartige Aufzeichnungen des
bekannten Staatsmanns, sondern sie sind der Hauptsache nach
eine Sammlung von Akten und Briefen. Die Bearbeitung dieser
Dokumente läßt allerdings viel zu wünschen übrig und entspricht keineswegs
wissenschaftlichen Anforderungen. Doch hiervon bei andrer Gelegenheit. Wir
verdanken den Aufzeichnungen eine Reihe von Briefen und Aktenstücken, die
zum Teil recht wertvoll sind und vielfach neues Licht über eine interessante,
aber keineswegs glänzende Periode der preußischen Geschichte verbreiten. Von
hervorragender Bedeutung sind namentlich die im ersten Baude veröffentlichten
Briefe der Prinzessin Augusta von Preußen und eine von ihr verfaßte politische
Denkschrift. An der Hand dieser geschichtlichen Dokumente wird es möglich
sein, das uns überlieferte Bild von dem persönlichen Wirken und der Haltung
Augustas hauptsächlich in den Jahren 1848/49 wesentlich zu vervollständigen.

Die feingelüldete Weimarer Prinzessin war die Enkelin Karl Augusts, der
ja zuerst von allen deutschen Fürsten seinem kleinen Staate eine Verfassung
gegeben hatte. Sie war eine entschiedne Vertreterin des Herderschen Humcini-
tätsgedankens, und so war sie gleichsam mit freiern Anschauungen über das
Verhältnis von Fürst und Volk, als man sonst an den deutschen Fürstenhöfen
zu hören gewohnt war, nach Berlin gekommen. An dieser Auffassung hielt
Augusta auch in ihrem neuen Wirkungskreise fest, um so mehr, als sie durch
einen lungern Aufenthalt in England im Jahre l.846, wo sie dessen staatliche
Einrichtungen mit eifrigem Interesse studiert hatte, darin bestärkt worden war.
In ihrer besondern Vorliebe für englische Dinge begegnete sie sich übrigens mit
ihrem liebenswürdigen Schwager, dem König Friedrich Wilhelm IV., so sehr auch
sonst diese beiden Charaktere ihrer ganzen Naturanlage nach voneinander ab-


Grcnzboten IV 1901 , S2


Die Haltung der Prinzessin von Preußen
in den Jahren 1^8 und ^9
G. Schuster Von

le kürzlich erschienenen „Denkwürdigkeiten" des Ministers Otto
von Manteuffel enthalten keineswegs, wie nur nach dem Titel
annehmen könnte, persönliche tagebnchartige Aufzeichnungen des
bekannten Staatsmanns, sondern sie sind der Hauptsache nach
eine Sammlung von Akten und Briefen. Die Bearbeitung dieser
Dokumente läßt allerdings viel zu wünschen übrig und entspricht keineswegs
wissenschaftlichen Anforderungen. Doch hiervon bei andrer Gelegenheit. Wir
verdanken den Aufzeichnungen eine Reihe von Briefen und Aktenstücken, die
zum Teil recht wertvoll sind und vielfach neues Licht über eine interessante,
aber keineswegs glänzende Periode der preußischen Geschichte verbreiten. Von
hervorragender Bedeutung sind namentlich die im ersten Baude veröffentlichten
Briefe der Prinzessin Augusta von Preußen und eine von ihr verfaßte politische
Denkschrift. An der Hand dieser geschichtlichen Dokumente wird es möglich
sein, das uns überlieferte Bild von dem persönlichen Wirken und der Haltung
Augustas hauptsächlich in den Jahren 1848/49 wesentlich zu vervollständigen.

Die feingelüldete Weimarer Prinzessin war die Enkelin Karl Augusts, der
ja zuerst von allen deutschen Fürsten seinem kleinen Staate eine Verfassung
gegeben hatte. Sie war eine entschiedne Vertreterin des Herderschen Humcini-
tätsgedankens, und so war sie gleichsam mit freiern Anschauungen über das
Verhältnis von Fürst und Volk, als man sonst an den deutschen Fürstenhöfen
zu hören gewohnt war, nach Berlin gekommen. An dieser Auffassung hielt
Augusta auch in ihrem neuen Wirkungskreise fest, um so mehr, als sie durch
einen lungern Aufenthalt in England im Jahre l.846, wo sie dessen staatliche
Einrichtungen mit eifrigem Interesse studiert hatte, darin bestärkt worden war.
In ihrer besondern Vorliebe für englische Dinge begegnete sie sich übrigens mit
ihrem liebenswürdigen Schwager, dem König Friedrich Wilhelm IV., so sehr auch
sonst diese beiden Charaktere ihrer ganzen Naturanlage nach voneinander ab-


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[0417] [Abbildung] Die Haltung der Prinzessin von Preußen in den Jahren 1^8 und ^9 G. Schuster Von le kürzlich erschienenen „Denkwürdigkeiten" des Ministers Otto von Manteuffel enthalten keineswegs, wie nur nach dem Titel annehmen könnte, persönliche tagebnchartige Aufzeichnungen des bekannten Staatsmanns, sondern sie sind der Hauptsache nach eine Sammlung von Akten und Briefen. Die Bearbeitung dieser Dokumente läßt allerdings viel zu wünschen übrig und entspricht keineswegs wissenschaftlichen Anforderungen. Doch hiervon bei andrer Gelegenheit. Wir verdanken den Aufzeichnungen eine Reihe von Briefen und Aktenstücken, die zum Teil recht wertvoll sind und vielfach neues Licht über eine interessante, aber keineswegs glänzende Periode der preußischen Geschichte verbreiten. Von hervorragender Bedeutung sind namentlich die im ersten Baude veröffentlichten Briefe der Prinzessin Augusta von Preußen und eine von ihr verfaßte politische Denkschrift. An der Hand dieser geschichtlichen Dokumente wird es möglich sein, das uns überlieferte Bild von dem persönlichen Wirken und der Haltung Augustas hauptsächlich in den Jahren 1848/49 wesentlich zu vervollständigen. Die feingelüldete Weimarer Prinzessin war die Enkelin Karl Augusts, der ja zuerst von allen deutschen Fürsten seinem kleinen Staate eine Verfassung gegeben hatte. Sie war eine entschiedne Vertreterin des Herderschen Humcini- tätsgedankens, und so war sie gleichsam mit freiern Anschauungen über das Verhältnis von Fürst und Volk, als man sonst an den deutschen Fürstenhöfen zu hören gewohnt war, nach Berlin gekommen. An dieser Auffassung hielt Augusta auch in ihrem neuen Wirkungskreise fest, um so mehr, als sie durch einen lungern Aufenthalt in England im Jahre l.846, wo sie dessen staatliche Einrichtungen mit eifrigem Interesse studiert hatte, darin bestärkt worden war. In ihrer besondern Vorliebe für englische Dinge begegnete sie sich übrigens mit ihrem liebenswürdigen Schwager, dem König Friedrich Wilhelm IV., so sehr auch sonst diese beiden Charaktere ihrer ganzen Naturanlage nach voneinander ab- Grcnzboten IV 1901 , S2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/417>, abgerufen am 28.07.2024.