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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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ist auch im Gang der Geschichte nicht ohne einige Bedeutung geblieben, Uio
I)rü8U8 'lubMtibus I<ZM8 Zvrixsit heißt eine alte Inschrift ans einem der
riesigen Felsblöcke, die der Schloßmauer im Norden vorgelagert sind. Obgleich
diese Urkunde aus einer spätern Zeit stammt und von der Wissenschaft schon
lange als eine Täuschung erkannt ist, ist es doch thatsächlich, daß die Boden¬
erhebung von Beutheim den Römern in ihren germanischen Kriegen ein
wichtiger strategischer Punkt war. Ans der Grenze zwischen dem Lande der
Bataver und den mittlern Emsgebieten liegend und die sonst ebne Gegend
nach allen Himmelsrichtungen hin beherrschend, diente sie sowohl den von der
Nordsee wie den vom Nnterrhein her eindringenden Nömerheeren zum Stütz¬
punkt. Die Lage war für die Erbauung eines Kastells wie geschaffen, und
wie immer dessen Anlage beschaffen gewesen sein mag, es war damals für die
römischen Feldherrn dasselbe, was im letzten Jahrzehnt des achtzehnten Jahr¬
hunderts das feste Schloß der Bentheimer Fürsten für die eindringenden
Franzosen gewesen ist. Hierüber giebt uns kein Geringerer Bericht, als der
spätere Feldmarschall Fürst Blücher, der kurz vor dem Basler Frieden als
Generalmajor im nördlichen Westfalen gegen die Franzosen im Felde lag und
ihnen einmal in nächtlicher Überrumplung das Schloß Bentheim wegnahm.

Stolz erhebt sich noch jetzt dasselbe starke Gemäuer mit seinen dräuenden
Zinnen und riesigen Türmen über das flache Land und gewährt dem Besucher
von seinen Höhen einen prächtigen Ausblick. Zunächst über den Bentheimer
Wald, der sich stundenweit in die Länge und die Breite ausdehnt und in
seinen Tiefen manche urwaldmäßige, malerische Partie eingeschlossen hält. Über
ihn hinaus schweift das Auge nach Norden in die Niederungen der untern
Grafschaft Bentheim, deren charakteristische Eigenschaften die Heide und das
Moor sind. Beide haben in ihrer grauen Eintönigkeit nichts verlockendes für
den Blick, lieber haftet er an den Ufern des kleinen Flusses, der in sanften
Windungen durch das Lund zieht. Nicht immer kann man ihn sehen, aber
trotzdem läßt sich sein Lauf genau verfolgen. Denn hintereinander liegen um
ihm die Heimstätten der Bewohner, die einzelnen Gehöfte der großen Banern-
schaftcn und die zusammenliegenden Häuser der kleinen Städte.

Ganz in seiner Nähe -- aber von dem hohen Standpunkte, den nur bis
jetzt eingenommen haben, kann man es nicht sehen - liegt auch das kleine
Ackcrstüdtchen Neueuhaus, wo Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahr¬
hunderts der heimgegangne Minister Miqnel geboren ist. Damals war es
klein und ist jetzt nicht größer, eher kleiner geworden, aber immer noch liegt
es in derselben, nur selten unterbrochner Ruhe, in derselben Freundlichkeit
seiner holz- und wasserreichen Umgebung. Denn von allen Seiten drängen
die Bauernschaften hart an ihre längst niedergelegten, jetzt mit hohen Eichen
und Ulmen bestandnen Wälle heran, und von ihren Thoren führen prächtige,
schattige Alleen zu deu benachbarte" Ortschaften.

Zu dem Schatten der Bäume kommt die Frische des Wassers, das Nenen-
haus von allen Seiten umgiebt. Unmittelbar oberhalb der Stadt nämlich
teilt sich ein ungemein wasserreiches Flüßchen, das dein andern vorher genannten


ist auch im Gang der Geschichte nicht ohne einige Bedeutung geblieben, Uio
I)rü8U8 'lubMtibus I<ZM8 Zvrixsit heißt eine alte Inschrift ans einem der
riesigen Felsblöcke, die der Schloßmauer im Norden vorgelagert sind. Obgleich
diese Urkunde aus einer spätern Zeit stammt und von der Wissenschaft schon
lange als eine Täuschung erkannt ist, ist es doch thatsächlich, daß die Boden¬
erhebung von Beutheim den Römern in ihren germanischen Kriegen ein
wichtiger strategischer Punkt war. Ans der Grenze zwischen dem Lande der
Bataver und den mittlern Emsgebieten liegend und die sonst ebne Gegend
nach allen Himmelsrichtungen hin beherrschend, diente sie sowohl den von der
Nordsee wie den vom Nnterrhein her eindringenden Nömerheeren zum Stütz¬
punkt. Die Lage war für die Erbauung eines Kastells wie geschaffen, und
wie immer dessen Anlage beschaffen gewesen sein mag, es war damals für die
römischen Feldherrn dasselbe, was im letzten Jahrzehnt des achtzehnten Jahr¬
hunderts das feste Schloß der Bentheimer Fürsten für die eindringenden
Franzosen gewesen ist. Hierüber giebt uns kein Geringerer Bericht, als der
spätere Feldmarschall Fürst Blücher, der kurz vor dem Basler Frieden als
Generalmajor im nördlichen Westfalen gegen die Franzosen im Felde lag und
ihnen einmal in nächtlicher Überrumplung das Schloß Bentheim wegnahm.

Stolz erhebt sich noch jetzt dasselbe starke Gemäuer mit seinen dräuenden
Zinnen und riesigen Türmen über das flache Land und gewährt dem Besucher
von seinen Höhen einen prächtigen Ausblick. Zunächst über den Bentheimer
Wald, der sich stundenweit in die Länge und die Breite ausdehnt und in
seinen Tiefen manche urwaldmäßige, malerische Partie eingeschlossen hält. Über
ihn hinaus schweift das Auge nach Norden in die Niederungen der untern
Grafschaft Bentheim, deren charakteristische Eigenschaften die Heide und das
Moor sind. Beide haben in ihrer grauen Eintönigkeit nichts verlockendes für
den Blick, lieber haftet er an den Ufern des kleinen Flusses, der in sanften
Windungen durch das Lund zieht. Nicht immer kann man ihn sehen, aber
trotzdem läßt sich sein Lauf genau verfolgen. Denn hintereinander liegen um
ihm die Heimstätten der Bewohner, die einzelnen Gehöfte der großen Banern-
schaftcn und die zusammenliegenden Häuser der kleinen Städte.

Ganz in seiner Nähe — aber von dem hohen Standpunkte, den nur bis
jetzt eingenommen haben, kann man es nicht sehen - liegt auch das kleine
Ackcrstüdtchen Neueuhaus, wo Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahr¬
hunderts der heimgegangne Minister Miqnel geboren ist. Damals war es
klein und ist jetzt nicht größer, eher kleiner geworden, aber immer noch liegt
es in derselben, nur selten unterbrochner Ruhe, in derselben Freundlichkeit
seiner holz- und wasserreichen Umgebung. Denn von allen Seiten drängen
die Bauernschaften hart an ihre längst niedergelegten, jetzt mit hohen Eichen
und Ulmen bestandnen Wälle heran, und von ihren Thoren führen prächtige,
schattige Alleen zu deu benachbarte« Ortschaften.

Zu dem Schatten der Bäume kommt die Frische des Wassers, das Nenen-
haus von allen Seiten umgiebt. Unmittelbar oberhalb der Stadt nämlich
teilt sich ein ungemein wasserreiches Flüßchen, das dein andern vorher genannten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/392>, abgerufen am 27.07.2024.