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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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uneben, zusammenzuzählen und in Geld umzurechnen, aber Verrücktheit zu glaube",
die Menschen würden sich durch diese Berechnung bestimmen lassen, in Zukunft
anders zu leben und damit dem Lauf der Weltgeschichte nicht allein eine andre
Richtung zu geben, sondern ihn auch zu beschleunigen (Novicow berechnet, daß
Europa jährlich um 61175 Millionen reicher werden würde, wenn das überflüssige
Geschreibsel der Bureaukratie, das Warten in den Gerichtssälen, die unzweckmäßigen
Schuleinrichtungen usw, wegfielen, und die Soldaten sich in Produzenten verwan¬
delten). Sein neustes Werk, Die Föderation Europas, hat er in deutscher
Sprache herausgegeben (Berlin und Bern, Dr, John Edelheiin, 1901; autorisierte
Übersetzung von Alfred H. Fried), und von diesem müssen wir sagen: es würde
dem weltberühmten satirischen Roman des Don Miguel de Cervantes Konkurrenz
machen, wenn sich der Verfasser hätte entschließen können, als Humorist statt als
Prediger zu schreiben. Gegenüber den großartigen Dummheiten der Völker, ihrer
Staaten und Regierungen Versagt die öl8 comica aller Jndividunlnarrheiten, und
man würde sich bei ihrem Anblick totlachen, wenn mau das Blut und das Elend
vergessen könnte, das sie verschulden. Bis jetzt ist uns aber noch niemand be¬
gegnet, der alle diese Dummheiten mit solchem Scharfblick ausgespäht und so grausam
aller Hüllen entkleidet hätte wie Novicow; um nur eine zu nennen: die Dumm¬
heit der Versuche herrschender Nationen, sich die beherrschten Teile andrer Nationen
zwangsweise zu assimilieren, da doch die Voraussetzung jeder Einverleibung Sym¬
pathie, Wahlverwandtschaft, und jeder auf die zu Assimilierenden ausgeübter Zwang,
weil er Haß erzeugt, das sicherste Mittel ist, die Assimilierung auf Jahrhunderte
hinaus zu hintertreiben. Hätte uns Novicow einen Staats-Don Quixote und seine
Abenteuer in einem lustigen Roman gezeichnet, er würde einen durchschlagende"
Erfolg erzielt haben. So aber ist er selber zu einem Don Quixote geworden, der
den Staaten predigt: Kindlein, liebet einander, und ihnen deu Rat giebt, die Ent¬
scheidung ihrer Streitigkeiten lieber einem Tribunal erleuchteter Juristen anzuver¬
trauen als der Kraft ihrer Kriegsheere, neunzehnhundert Jahre lang predigen
die Geistlichen dem einzelnen Menschen das Liebesgebot (was sie niemals gehindert
hat, selbst die ärgsten Zänker und die unversöhnlichsten Feinde zu sein) mit ver¬
zweifelt geringem Erfolg, und uun wendet sich dieser Russe mit derselben Predigt
gar an die Völker, die als millionenköpfige Kollektivwesen keine Spur von Ver¬
antwortlichkeitsgefühl und Gewissen haben! Was aber das hohe Tribunal anlangt,
so giebt es Menschen, ja es giebt Juristen (siehe im diesjährigen 28. Heft der
Grenzboten S. 68), die in Fällen, wo sie das sonnenklare Recht für sich haben,
nicht klagen mögen, weil "man immer nicht wissen könne, wie das Gericht die
Sache auffaßt."

Das Gesagte gilt aber nur für den ersten, größern Teil des Buchs. Der
kleinere letzte Teil, der darstellt, welche Kräfte thatsächlich an der Verminderung
der Kriege und an der Herstellung einer Föderation der Kulturstaaten arbeiten,
verträgt die ernsthafte Behandlung sehr gut. Daß der moderne Verkehr, die moderne
Technik, die modernen Handelsbeziehungen und Finanzen, die internationalen Sitten,
Moden und Gesellschaften, die internationale Litteratur eine Symbiose schaffen, die
sich ihrerseits wieder Organe schafft wie die Weltkongresse und den Weltpostverein,
daß diese Symbiose zusammen mit den modernen Heereseinrichtnngen und der
Zurückführung der Vielstaaterei auf eine kleine Anzahl von Großstaaten und Welt¬
reichen den Ausbruch vou Kriegen außerordentlich erschwert und eine Föderation
im Sinne Novicows nicht bloß anbahnt, sondern teilweise schon hergestellt hat, das
ist eine sehr ernste Thatsache. Die Menschen mögen so ungebärdig, so blind und
dumm und so selbstsüchtig sein und bleibe", wie sie wollen, es ist nicht allein denkbar,
sondern sogar wahrscheinlich, daß diese Entwicklung deu Kriegen ein Ende machen
und die vou Novicow empfvhlue Föderation herbeiführen wird. Ob sie die Menschen
glücklicher und zufriedner machen wird, das ist eine andre Frage. Wenn uun


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uneben, zusammenzuzählen und in Geld umzurechnen, aber Verrücktheit zu glaube«,
die Menschen würden sich durch diese Berechnung bestimmen lassen, in Zukunft
anders zu leben und damit dem Lauf der Weltgeschichte nicht allein eine andre
Richtung zu geben, sondern ihn auch zu beschleunigen (Novicow berechnet, daß
Europa jährlich um 61175 Millionen reicher werden würde, wenn das überflüssige
Geschreibsel der Bureaukratie, das Warten in den Gerichtssälen, die unzweckmäßigen
Schuleinrichtungen usw, wegfielen, und die Soldaten sich in Produzenten verwan¬
delten). Sein neustes Werk, Die Föderation Europas, hat er in deutscher
Sprache herausgegeben (Berlin und Bern, Dr, John Edelheiin, 1901; autorisierte
Übersetzung von Alfred H. Fried), und von diesem müssen wir sagen: es würde
dem weltberühmten satirischen Roman des Don Miguel de Cervantes Konkurrenz
machen, wenn sich der Verfasser hätte entschließen können, als Humorist statt als
Prediger zu schreiben. Gegenüber den großartigen Dummheiten der Völker, ihrer
Staaten und Regierungen Versagt die öl8 comica aller Jndividunlnarrheiten, und
man würde sich bei ihrem Anblick totlachen, wenn mau das Blut und das Elend
vergessen könnte, das sie verschulden. Bis jetzt ist uns aber noch niemand be¬
gegnet, der alle diese Dummheiten mit solchem Scharfblick ausgespäht und so grausam
aller Hüllen entkleidet hätte wie Novicow; um nur eine zu nennen: die Dumm¬
heit der Versuche herrschender Nationen, sich die beherrschten Teile andrer Nationen
zwangsweise zu assimilieren, da doch die Voraussetzung jeder Einverleibung Sym¬
pathie, Wahlverwandtschaft, und jeder auf die zu Assimilierenden ausgeübter Zwang,
weil er Haß erzeugt, das sicherste Mittel ist, die Assimilierung auf Jahrhunderte
hinaus zu hintertreiben. Hätte uns Novicow einen Staats-Don Quixote und seine
Abenteuer in einem lustigen Roman gezeichnet, er würde einen durchschlagende»
Erfolg erzielt haben. So aber ist er selber zu einem Don Quixote geworden, der
den Staaten predigt: Kindlein, liebet einander, und ihnen deu Rat giebt, die Ent¬
scheidung ihrer Streitigkeiten lieber einem Tribunal erleuchteter Juristen anzuver¬
trauen als der Kraft ihrer Kriegsheere, neunzehnhundert Jahre lang predigen
die Geistlichen dem einzelnen Menschen das Liebesgebot (was sie niemals gehindert
hat, selbst die ärgsten Zänker und die unversöhnlichsten Feinde zu sein) mit ver¬
zweifelt geringem Erfolg, und uun wendet sich dieser Russe mit derselben Predigt
gar an die Völker, die als millionenköpfige Kollektivwesen keine Spur von Ver¬
antwortlichkeitsgefühl und Gewissen haben! Was aber das hohe Tribunal anlangt,
so giebt es Menschen, ja es giebt Juristen (siehe im diesjährigen 28. Heft der
Grenzboten S. 68), die in Fällen, wo sie das sonnenklare Recht für sich haben,
nicht klagen mögen, weil „man immer nicht wissen könne, wie das Gericht die
Sache auffaßt."

Das Gesagte gilt aber nur für den ersten, größern Teil des Buchs. Der
kleinere letzte Teil, der darstellt, welche Kräfte thatsächlich an der Verminderung
der Kriege und an der Herstellung einer Föderation der Kulturstaaten arbeiten,
verträgt die ernsthafte Behandlung sehr gut. Daß der moderne Verkehr, die moderne
Technik, die modernen Handelsbeziehungen und Finanzen, die internationalen Sitten,
Moden und Gesellschaften, die internationale Litteratur eine Symbiose schaffen, die
sich ihrerseits wieder Organe schafft wie die Weltkongresse und den Weltpostverein,
daß diese Symbiose zusammen mit den modernen Heereseinrichtnngen und der
Zurückführung der Vielstaaterei auf eine kleine Anzahl von Großstaaten und Welt¬
reichen den Ausbruch vou Kriegen außerordentlich erschwert und eine Föderation
im Sinne Novicows nicht bloß anbahnt, sondern teilweise schon hergestellt hat, das
ist eine sehr ernste Thatsache. Die Menschen mögen so ungebärdig, so blind und
dumm und so selbstsüchtig sein und bleibe», wie sie wollen, es ist nicht allein denkbar,
sondern sogar wahrscheinlich, daß diese Entwicklung deu Kriegen ein Ende machen
und die vou Novicow empfvhlue Föderation herbeiführen wird. Ob sie die Menschen
glücklicher und zufriedner machen wird, das ist eine andre Frage. Wenn uun


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[0366] MasMl'nahes und NnmasMbliches uneben, zusammenzuzählen und in Geld umzurechnen, aber Verrücktheit zu glaube«, die Menschen würden sich durch diese Berechnung bestimmen lassen, in Zukunft anders zu leben und damit dem Lauf der Weltgeschichte nicht allein eine andre Richtung zu geben, sondern ihn auch zu beschleunigen (Novicow berechnet, daß Europa jährlich um 61175 Millionen reicher werden würde, wenn das überflüssige Geschreibsel der Bureaukratie, das Warten in den Gerichtssälen, die unzweckmäßigen Schuleinrichtungen usw, wegfielen, und die Soldaten sich in Produzenten verwan¬ delten). Sein neustes Werk, Die Föderation Europas, hat er in deutscher Sprache herausgegeben (Berlin und Bern, Dr, John Edelheiin, 1901; autorisierte Übersetzung von Alfred H. Fried), und von diesem müssen wir sagen: es würde dem weltberühmten satirischen Roman des Don Miguel de Cervantes Konkurrenz machen, wenn sich der Verfasser hätte entschließen können, als Humorist statt als Prediger zu schreiben. Gegenüber den großartigen Dummheiten der Völker, ihrer Staaten und Regierungen Versagt die öl8 comica aller Jndividunlnarrheiten, und man würde sich bei ihrem Anblick totlachen, wenn mau das Blut und das Elend vergessen könnte, das sie verschulden. Bis jetzt ist uns aber noch niemand be¬ gegnet, der alle diese Dummheiten mit solchem Scharfblick ausgespäht und so grausam aller Hüllen entkleidet hätte wie Novicow; um nur eine zu nennen: die Dumm¬ heit der Versuche herrschender Nationen, sich die beherrschten Teile andrer Nationen zwangsweise zu assimilieren, da doch die Voraussetzung jeder Einverleibung Sym¬ pathie, Wahlverwandtschaft, und jeder auf die zu Assimilierenden ausgeübter Zwang, weil er Haß erzeugt, das sicherste Mittel ist, die Assimilierung auf Jahrhunderte hinaus zu hintertreiben. Hätte uns Novicow einen Staats-Don Quixote und seine Abenteuer in einem lustigen Roman gezeichnet, er würde einen durchschlagende» Erfolg erzielt haben. So aber ist er selber zu einem Don Quixote geworden, der den Staaten predigt: Kindlein, liebet einander, und ihnen deu Rat giebt, die Ent¬ scheidung ihrer Streitigkeiten lieber einem Tribunal erleuchteter Juristen anzuver¬ trauen als der Kraft ihrer Kriegsheere, neunzehnhundert Jahre lang predigen die Geistlichen dem einzelnen Menschen das Liebesgebot (was sie niemals gehindert hat, selbst die ärgsten Zänker und die unversöhnlichsten Feinde zu sein) mit ver¬ zweifelt geringem Erfolg, und uun wendet sich dieser Russe mit derselben Predigt gar an die Völker, die als millionenköpfige Kollektivwesen keine Spur von Ver¬ antwortlichkeitsgefühl und Gewissen haben! Was aber das hohe Tribunal anlangt, so giebt es Menschen, ja es giebt Juristen (siehe im diesjährigen 28. Heft der Grenzboten S. 68), die in Fällen, wo sie das sonnenklare Recht für sich haben, nicht klagen mögen, weil „man immer nicht wissen könne, wie das Gericht die Sache auffaßt." Das Gesagte gilt aber nur für den ersten, größern Teil des Buchs. Der kleinere letzte Teil, der darstellt, welche Kräfte thatsächlich an der Verminderung der Kriege und an der Herstellung einer Föderation der Kulturstaaten arbeiten, verträgt die ernsthafte Behandlung sehr gut. Daß der moderne Verkehr, die moderne Technik, die modernen Handelsbeziehungen und Finanzen, die internationalen Sitten, Moden und Gesellschaften, die internationale Litteratur eine Symbiose schaffen, die sich ihrerseits wieder Organe schafft wie die Weltkongresse und den Weltpostverein, daß diese Symbiose zusammen mit den modernen Heereseinrichtnngen und der Zurückführung der Vielstaaterei auf eine kleine Anzahl von Großstaaten und Welt¬ reichen den Ausbruch vou Kriegen außerordentlich erschwert und eine Föderation im Sinne Novicows nicht bloß anbahnt, sondern teilweise schon hergestellt hat, das ist eine sehr ernste Thatsache. Die Menschen mögen so ungebärdig, so blind und dumm und so selbstsüchtig sein und bleibe», wie sie wollen, es ist nicht allein denkbar, sondern sogar wahrscheinlich, daß diese Entwicklung deu Kriegen ein Ende machen und die vou Novicow empfvhlue Föderation herbeiführen wird. Ob sie die Menschen glücklicher und zufriedner machen wird, das ist eine andre Frage. Wenn uun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/366>, abgerufen am 27.07.2024.