Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.der Reichsinteresfcu --, vermieden würden, da der Kaiser mis Inhaber der Der Gedanke einer Personalunion zwischen Preußen und dem Reichslande Was nun die Vorschläge deS Abgeordneten Riff im einzelnen betrifft, so Die von Riff vorgcschlagne Reform deS Wahlsystems zum Landesaus¬ Erst vor kurzem hat der berühmteste aller deutschen Staatsrechtslehrer der Reichsinteresfcu —, vermieden würden, da der Kaiser mis Inhaber der Der Gedanke einer Personalunion zwischen Preußen und dem Reichslande Was nun die Vorschläge deS Abgeordneten Riff im einzelnen betrifft, so Die von Riff vorgcschlagne Reform deS Wahlsystems zum Landesaus¬ Erst vor kurzem hat der berühmteste aller deutschen Staatsrechtslehrer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0283" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236105"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1099" prev="#ID_1098"> der Reichsinteresfcu —, vermieden würden, da der Kaiser mis Inhaber der<lb/> Regierungsgewalt im Reichslande keine Zivilliste bezieht und als Landesherr<lb/> von Elsaß-Lothringen niemals ein Partikularist werden könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1100"> Der Gedanke einer Personalunion zwischen Preußen und dem Reichslande<lb/> ist schon früher von deutscher Seite verfochten worden, zum Beispiel von dem<lb/> Verfasser der Schrift „Elsaß-Lothringen, seine Vergangenheit und seine Zukunft."<lb/> Auch der Oberpräsident von Möller soll ein Anhänger dieser Idee gewesen<lb/> sein, wie Schricker in seiner Broschüre „Eduard von Möller. Ein Lebensbild"<lb/> (1881) Seite 28 angiebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1101"> Was nun die Vorschläge deS Abgeordneten Riff im einzelnen betrifft, so<lb/> hat die Errichtung eines Oberverwnltnngsgerichts und eines Rechnungshofes<lb/> mit der geplanten Berfassnngsänderung nicht das mindeste zu thun. Die<lb/> genannten Behörden können jederzeit geschaffen werden, auch wenn Elsaß-<lb/> Lothringen in seiner gegenwärtigen Stellung mis Reichsland bleibt. Die Not¬<lb/> wendigkeit eines Oberhauses wird nicht einmal von allen eingebornen Politikern<lb/> anerkannt. Der Abgeordnete Petri hat in der Sitzung des LandesansschusseS<lb/> vom 1. Februar 1894 erklärt, er halte die Bildung einer ersten Kammer nicht<lb/> für erforderlich, dn im Reichslande der historische Boden dafür fehle. Wenn<lb/> Niff auf die Erfahrungen hinweist, die Frankreich 179Z mit der Tyrannei<lb/> des Konvents und 1848 mit den Konflikten zwischen Exekutivgewalt und<lb/> Nationalversammlung gemacht hat, so kaun dieser Beweisführung unter anderm<lb/> entgegengehalten werden, daß ein Sturm auf hoher See anders zu wirken<lb/> Pflegt als ein Sturm im Glase Wasser.</p><lb/> <p xml:id="ID_1102"> Die von Riff vorgcschlagne Reform deS Wahlsystems zum Landesaus¬<lb/> schuß entspricht deu Antrügen, die wiederholt von der elsaß-lothringischen<lb/> Gruppe und von der sozialdemokratischen Fraktion im Reichstage gestellt<lb/> worden sind. Die meisten dieser Anträge - z. B. der Antrag Cotbus und<lb/> Genossen vom 6. Dezember 1894, Auer und Genossen vom 9. Dezember 1895,<lb/> Charton und Genossen vom 1. Dezember 1897 — sind nicht zur Verhandlung<lb/> gekommen; am 28. Februar und am 22. März 1900 hat aber der Reichstag<lb/> einen Antrag Küchly und Genossen wegen der Neuregelung der Wahlen zum<lb/> Landesnusschuß beraten und angenommen. Obwohl die Autorität des Reichs¬<lb/> tags dein Abgeordneten Riff zur Seite steht, so kann doch die Thatsache nicht<lb/> bestritten werden, daß das allgemeine, gleiche Wahlrecht bei vielen Gelehrten<lb/> und Politikern, die zu den besten Männern unsers Volks gehören, als ein<lb/> veraltetes und überlebtes Wahlsystem gilt, das im höchsten Grade reform¬<lb/> bedürftig erscheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_1103" next="#ID_1104"> Erst vor kurzem hat der berühmteste aller deutschen Staatsrechtslehrer<lb/> — der Straßburger Professor Paul Laband — in der Deutschen Juristen¬<lb/> zeitung vom 15. Mai 1900 das allgemeine gleiche Wahlrecht mis „roh" und<lb/> „ungerecht" bezeichnet. Auch nlle und erfnhrne Parlamentarier, darunter<lb/> Männer von erprobter liberaler Gesinnung wie Hans Viktor von Unruh — der<lb/> „Gegenkönig" Friedrich Wilhelms IV. aus dem Jahre 1848 —, ferner der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0283]
der Reichsinteresfcu —, vermieden würden, da der Kaiser mis Inhaber der
Regierungsgewalt im Reichslande keine Zivilliste bezieht und als Landesherr
von Elsaß-Lothringen niemals ein Partikularist werden könnte.
Der Gedanke einer Personalunion zwischen Preußen und dem Reichslande
ist schon früher von deutscher Seite verfochten worden, zum Beispiel von dem
Verfasser der Schrift „Elsaß-Lothringen, seine Vergangenheit und seine Zukunft."
Auch der Oberpräsident von Möller soll ein Anhänger dieser Idee gewesen
sein, wie Schricker in seiner Broschüre „Eduard von Möller. Ein Lebensbild"
(1881) Seite 28 angiebt.
Was nun die Vorschläge deS Abgeordneten Riff im einzelnen betrifft, so
hat die Errichtung eines Oberverwnltnngsgerichts und eines Rechnungshofes
mit der geplanten Berfassnngsänderung nicht das mindeste zu thun. Die
genannten Behörden können jederzeit geschaffen werden, auch wenn Elsaß-
Lothringen in seiner gegenwärtigen Stellung mis Reichsland bleibt. Die Not¬
wendigkeit eines Oberhauses wird nicht einmal von allen eingebornen Politikern
anerkannt. Der Abgeordnete Petri hat in der Sitzung des LandesansschusseS
vom 1. Februar 1894 erklärt, er halte die Bildung einer ersten Kammer nicht
für erforderlich, dn im Reichslande der historische Boden dafür fehle. Wenn
Niff auf die Erfahrungen hinweist, die Frankreich 179Z mit der Tyrannei
des Konvents und 1848 mit den Konflikten zwischen Exekutivgewalt und
Nationalversammlung gemacht hat, so kaun dieser Beweisführung unter anderm
entgegengehalten werden, daß ein Sturm auf hoher See anders zu wirken
Pflegt als ein Sturm im Glase Wasser.
Die von Riff vorgcschlagne Reform deS Wahlsystems zum Landesaus¬
schuß entspricht deu Antrügen, die wiederholt von der elsaß-lothringischen
Gruppe und von der sozialdemokratischen Fraktion im Reichstage gestellt
worden sind. Die meisten dieser Anträge - z. B. der Antrag Cotbus und
Genossen vom 6. Dezember 1894, Auer und Genossen vom 9. Dezember 1895,
Charton und Genossen vom 1. Dezember 1897 — sind nicht zur Verhandlung
gekommen; am 28. Februar und am 22. März 1900 hat aber der Reichstag
einen Antrag Küchly und Genossen wegen der Neuregelung der Wahlen zum
Landesnusschuß beraten und angenommen. Obwohl die Autorität des Reichs¬
tags dein Abgeordneten Riff zur Seite steht, so kann doch die Thatsache nicht
bestritten werden, daß das allgemeine, gleiche Wahlrecht bei vielen Gelehrten
und Politikern, die zu den besten Männern unsers Volks gehören, als ein
veraltetes und überlebtes Wahlsystem gilt, das im höchsten Grade reform¬
bedürftig erscheint.
Erst vor kurzem hat der berühmteste aller deutschen Staatsrechtslehrer
— der Straßburger Professor Paul Laband — in der Deutschen Juristen¬
zeitung vom 15. Mai 1900 das allgemeine gleiche Wahlrecht mis „roh" und
„ungerecht" bezeichnet. Auch nlle und erfnhrne Parlamentarier, darunter
Männer von erprobter liberaler Gesinnung wie Hans Viktor von Unruh — der
„Gegenkönig" Friedrich Wilhelms IV. aus dem Jahre 1848 —, ferner der
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