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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die fehlerhafte Organisation der Sparkassen für den Hypothekarkredit

Versteigerung noch kein Geld erhalten. Daß etwa die Grundstücke von der
Sparkasse selbst erstanden werden, erscheint darum ausgeschlossen, weil zweck¬
widrig, denn dies würde nur neue Ausgaben erzeugen aber keine Kapital¬
einnahmen ergeben. Die Sparkassen werden also dann zusehen müssen, wie
die Grundstücke zu billigen Preisen, zu Spottpreisen unter Verlust eines Teils
der Hypotheken Dritten zugeschlagen werden, die noch so glücklich sind, flüssige
Kapitalien in der Hand zu haben.

Durch diese Maßnahmen und durch die Verluste, die die Sparkassen
dann erleiden werden, werden sie nicht bloß einen großen Teil der Grund¬
besitzer ihrer Gemeinde zum Bankrott bringen, sondern auch die Gemeinde
selbst. Da nun so ziemlich in allen Gemeinden -- wenigstens in Preußen --
derartige Sparkassen bestehn, so werden bei einem länger anhaltenden Kriege
oder länger anhaltenden Notstände so ziemlich alle Gemeinden bankerott
werden; damit wird aber auch der Staatskredit aufs empfindlichste in Mit¬
leidenschaft gezogen werden. Denn ein Auferlegen von Kriegssteuern oder
Zwangsanleihen auf die Gemeinden wird sich dann als undurchführbar er¬
weisen. Aber auch wenn dies nicht notwendig eintreten sollte, so wird doch
die Kriegsfreudigkeit in einem Lande, wo die Sparkassen und die Gemeinden
bankerott sind, sehr abnehmen, und damit die Ausdauer und Zähigkeit im
Kriege sehr stark geschwächt werden. Aber nur der Staat wird in einem
spätern Kriege als der Sieger hervorgehn, der den Krieg am längsten aus¬
halten kann. Friedrich der Große würde nach siebenjähriger Kriegführung nicht
einen so ehrenvollen Frieden erzielt haben, wenn seine Geldmittel erschöpft
und seine Städte und Gemeinden bankerott gewesen wären. Nach dem Aus¬
spruch eines berühmten Feldherrn gehören zur Kriegführung drei Dinge: erstens
Geld, zweitens Geld und zum dritten Geld! Wir bereiten uns in Deutsch¬
land zwar dadurch auf den Krieg vor, daß wir Regimenter einexerzieren,
Kanonen gießen und Flotten ausrüsten. Es fragt sich aber, ob wir weise
handeln, daß wir uns nur dadurch zur Kriegführung vorbereiten, Weiser würden
wir sicherlich dann handeln, wenn wir auch unser Geldsystem und insbesondre
unser Kreditsystem so einrichteten, daß es nicht schon beim Ausbruch eines
Kriegs vollständig versagte und bei einigen Niederlagen geradezu eine Gefahr
für unser kriegführendes Land und dessen Macht würde.

Unsre Hypothekenbanken haben, als der Neichsbantdiskont ein Jahr lang
auf 5 Prozent stand, obgleich es in Europa keinen Krieg gab, doch ihr Hypo-
thekenbeleihungsgeschäft eingestellt, Hypotheken teilweise gekündigt und sind zum
Teil in Zahlungsschwierigkeit geraten; sie werden und müssen schon bei dem
Beginn eines Kriegs das Hypothekengeschäft einstellen und damit ihre Haupt¬
thätigkeit. Ob sie einen längern Krieg überdauern würden, ist sehr fraglich.
Die Sparkassen können vielleicht bei dem Beginn eines Kriegs ihre Aufgaben
erfüllen, bei längerer Dauer werden sie versagen, sie werden dann nicht bloß
selbst bankerott werden, sondern auch die Grundbesitzer, denen sie Hypotheken
geliehen haben, bankerott machen und die Gemeinden selbst zum Ruin führen.


Die fehlerhafte Organisation der Sparkassen für den Hypothekarkredit

Versteigerung noch kein Geld erhalten. Daß etwa die Grundstücke von der
Sparkasse selbst erstanden werden, erscheint darum ausgeschlossen, weil zweck¬
widrig, denn dies würde nur neue Ausgaben erzeugen aber keine Kapital¬
einnahmen ergeben. Die Sparkassen werden also dann zusehen müssen, wie
die Grundstücke zu billigen Preisen, zu Spottpreisen unter Verlust eines Teils
der Hypotheken Dritten zugeschlagen werden, die noch so glücklich sind, flüssige
Kapitalien in der Hand zu haben.

Durch diese Maßnahmen und durch die Verluste, die die Sparkassen
dann erleiden werden, werden sie nicht bloß einen großen Teil der Grund¬
besitzer ihrer Gemeinde zum Bankrott bringen, sondern auch die Gemeinde
selbst. Da nun so ziemlich in allen Gemeinden — wenigstens in Preußen —
derartige Sparkassen bestehn, so werden bei einem länger anhaltenden Kriege
oder länger anhaltenden Notstände so ziemlich alle Gemeinden bankerott
werden; damit wird aber auch der Staatskredit aufs empfindlichste in Mit¬
leidenschaft gezogen werden. Denn ein Auferlegen von Kriegssteuern oder
Zwangsanleihen auf die Gemeinden wird sich dann als undurchführbar er¬
weisen. Aber auch wenn dies nicht notwendig eintreten sollte, so wird doch
die Kriegsfreudigkeit in einem Lande, wo die Sparkassen und die Gemeinden
bankerott sind, sehr abnehmen, und damit die Ausdauer und Zähigkeit im
Kriege sehr stark geschwächt werden. Aber nur der Staat wird in einem
spätern Kriege als der Sieger hervorgehn, der den Krieg am längsten aus¬
halten kann. Friedrich der Große würde nach siebenjähriger Kriegführung nicht
einen so ehrenvollen Frieden erzielt haben, wenn seine Geldmittel erschöpft
und seine Städte und Gemeinden bankerott gewesen wären. Nach dem Aus¬
spruch eines berühmten Feldherrn gehören zur Kriegführung drei Dinge: erstens
Geld, zweitens Geld und zum dritten Geld! Wir bereiten uns in Deutsch¬
land zwar dadurch auf den Krieg vor, daß wir Regimenter einexerzieren,
Kanonen gießen und Flotten ausrüsten. Es fragt sich aber, ob wir weise
handeln, daß wir uns nur dadurch zur Kriegführung vorbereiten, Weiser würden
wir sicherlich dann handeln, wenn wir auch unser Geldsystem und insbesondre
unser Kreditsystem so einrichteten, daß es nicht schon beim Ausbruch eines
Kriegs vollständig versagte und bei einigen Niederlagen geradezu eine Gefahr
für unser kriegführendes Land und dessen Macht würde.

Unsre Hypothekenbanken haben, als der Neichsbantdiskont ein Jahr lang
auf 5 Prozent stand, obgleich es in Europa keinen Krieg gab, doch ihr Hypo-
thekenbeleihungsgeschäft eingestellt, Hypotheken teilweise gekündigt und sind zum
Teil in Zahlungsschwierigkeit geraten; sie werden und müssen schon bei dem
Beginn eines Kriegs das Hypothekengeschäft einstellen und damit ihre Haupt¬
thätigkeit. Ob sie einen längern Krieg überdauern würden, ist sehr fraglich.
Die Sparkassen können vielleicht bei dem Beginn eines Kriegs ihre Aufgaben
erfüllen, bei längerer Dauer werden sie versagen, sie werden dann nicht bloß
selbst bankerott werden, sondern auch die Grundbesitzer, denen sie Hypotheken
geliehen haben, bankerott machen und die Gemeinden selbst zum Ruin führen.


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[0357] Die fehlerhafte Organisation der Sparkassen für den Hypothekarkredit Versteigerung noch kein Geld erhalten. Daß etwa die Grundstücke von der Sparkasse selbst erstanden werden, erscheint darum ausgeschlossen, weil zweck¬ widrig, denn dies würde nur neue Ausgaben erzeugen aber keine Kapital¬ einnahmen ergeben. Die Sparkassen werden also dann zusehen müssen, wie die Grundstücke zu billigen Preisen, zu Spottpreisen unter Verlust eines Teils der Hypotheken Dritten zugeschlagen werden, die noch so glücklich sind, flüssige Kapitalien in der Hand zu haben. Durch diese Maßnahmen und durch die Verluste, die die Sparkassen dann erleiden werden, werden sie nicht bloß einen großen Teil der Grund¬ besitzer ihrer Gemeinde zum Bankrott bringen, sondern auch die Gemeinde selbst. Da nun so ziemlich in allen Gemeinden — wenigstens in Preußen — derartige Sparkassen bestehn, so werden bei einem länger anhaltenden Kriege oder länger anhaltenden Notstände so ziemlich alle Gemeinden bankerott werden; damit wird aber auch der Staatskredit aufs empfindlichste in Mit¬ leidenschaft gezogen werden. Denn ein Auferlegen von Kriegssteuern oder Zwangsanleihen auf die Gemeinden wird sich dann als undurchführbar er¬ weisen. Aber auch wenn dies nicht notwendig eintreten sollte, so wird doch die Kriegsfreudigkeit in einem Lande, wo die Sparkassen und die Gemeinden bankerott sind, sehr abnehmen, und damit die Ausdauer und Zähigkeit im Kriege sehr stark geschwächt werden. Aber nur der Staat wird in einem spätern Kriege als der Sieger hervorgehn, der den Krieg am längsten aus¬ halten kann. Friedrich der Große würde nach siebenjähriger Kriegführung nicht einen so ehrenvollen Frieden erzielt haben, wenn seine Geldmittel erschöpft und seine Städte und Gemeinden bankerott gewesen wären. Nach dem Aus¬ spruch eines berühmten Feldherrn gehören zur Kriegführung drei Dinge: erstens Geld, zweitens Geld und zum dritten Geld! Wir bereiten uns in Deutsch¬ land zwar dadurch auf den Krieg vor, daß wir Regimenter einexerzieren, Kanonen gießen und Flotten ausrüsten. Es fragt sich aber, ob wir weise handeln, daß wir uns nur dadurch zur Kriegführung vorbereiten, Weiser würden wir sicherlich dann handeln, wenn wir auch unser Geldsystem und insbesondre unser Kreditsystem so einrichteten, daß es nicht schon beim Ausbruch eines Kriegs vollständig versagte und bei einigen Niederlagen geradezu eine Gefahr für unser kriegführendes Land und dessen Macht würde. Unsre Hypothekenbanken haben, als der Neichsbantdiskont ein Jahr lang auf 5 Prozent stand, obgleich es in Europa keinen Krieg gab, doch ihr Hypo- thekenbeleihungsgeschäft eingestellt, Hypotheken teilweise gekündigt und sind zum Teil in Zahlungsschwierigkeit geraten; sie werden und müssen schon bei dem Beginn eines Kriegs das Hypothekengeschäft einstellen und damit ihre Haupt¬ thätigkeit. Ob sie einen längern Krieg überdauern würden, ist sehr fraglich. Die Sparkassen können vielleicht bei dem Beginn eines Kriegs ihre Aufgaben erfüllen, bei längerer Dauer werden sie versagen, sie werden dann nicht bloß selbst bankerott werden, sondern auch die Grundbesitzer, denen sie Hypotheken geliehen haben, bankerott machen und die Gemeinden selbst zum Ruin führen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/357>, abgerufen am 25.08.2024.