Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.ungemein häufig; dagegen waren sie sehr selten unter der Geltung des preu¬ Nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbnchs hat ein Beamter, der vorsätz¬ ungemein häufig; dagegen waren sie sehr selten unter der Geltung des preu¬ Nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbnchs hat ein Beamter, der vorsätz¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235404"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1026" prev="#ID_1025"> ungemein häufig; dagegen waren sie sehr selten unter der Geltung des preu¬<lb/> ßischen Prozeßrechts, Dieses bestimmte nämlich, daß der Jutcrvenient seine<lb/> Ansprüche nicht beim Pfändungsgläubiger, sondern beim Vollstreckungsgcricht<lb/> anmelden und sie zugleich bescheinigen müsse, also durch Vorlegung von Ver¬<lb/> tragsurkunden, von eidesstattlichen Versicherungen oder durch Zeugen, die so¬<lb/> fort abgehört werden konnten. Wenn dem Gericht hiernach der Anspruch des<lb/> Jutcrveuienten glaubhaft erschien, so stellte es die Zwangsvollstreckung einst¬<lb/> weilig ein; in jedem Falle forderte das Gericht unter Mitteilung der vom<lb/> Jntervenienten beigebrachten Bescheinigungsmittel den Gläubiger auf, sich<lb/> binnen zwei bis drei Wochen über den Jntcrventionsanspruch zu erklären.<lb/> Dieses Verfahren war sehr praktisch: binnen der vom Gericht gestellten Frist<lb/> konnte der Gläubiger aus deu Beschciuiguugsmittelu, ferner durch Einsicht<lb/> in andre Urkunden, sowie durch Erkundigungen bei Dritten mit Leichtigkeit<lb/> ein Urteil über die Vegründetheit des JnterventionsanspruchS gewinnen und<lb/> ohne Überstürzung sachgemäße Entschließung treffen, ohne der Gefahr aus¬<lb/> gesetzt zu sein, daß schon in wenig Tagen die Jnterventionsklage erhoben<lb/> wurde. Überzeugte er sich von der Vegründetheit des Anspruchs, so zeigte er<lb/> dies dem Gericht an, das hiervon wieder dem Jntervenienten Nachricht gab,<lb/> und so wurden zahlreiche Prozesse durch eine einfache und geringfügige<lb/> Thätigkeit des Gerichts vermieden, die die Zivilprozeßordnung zum Schaden<lb/> der Rechtsuchenden Wohl deshalb beseitigt hat, weil sie in den „Parteibctrieb"<lb/> nicht hineinpaßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1027" next="#ID_1028"> Nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbnchs hat ein Beamter, der vorsätz¬<lb/> lich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht<lb/> verletzt, dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Derartige<lb/> „Regreß"klagen gegen Beamte sind sehr schwierig, weil die als Verletzung der<lb/> Amtspflicht in Betracht kommende Handlung doch gewöhnlich eine rein innere<lb/> Angelegenheit des Dienstbetriebs ist, vou der der Verletzte wenigstens in ihren<lb/> Einzelheiten keine Kenntnis hat, oft sie auch gar nicht erlangen kann, für<lb/> deren Beurteilung ferner oft Dienstvorschriften und sonstige dem Verletzten un¬<lb/> bekannte Umstände in Betracht kommen; zudem entschließt sich der Verletzte<lb/> aus naheliegenden Gründen nicht gern zu einer Klage gegen Beamte. In<lb/> Würdigung alles dessen und des Umstandes, daß der Staat, als dessen Ver¬<lb/> treter der Beamte handelt, billigerweise zur Entschädigung des durch die Amts¬<lb/> handlung Verletzten amtlich mitzuwirken hat, bestimmten frühere Rechte, daß<lb/> die vorgesetzte höhere Dienstbehörde das Vorliegen einer Haftpflicht des Be¬<lb/> amten dienstlich festzustellen und ihn zur Schadloshaltung des Verletzten an¬<lb/> zuhalten habe. Noch heute besteht in Preußen und andern Bundesstaaten das<lb/> sogenannte Defektenverfahrein Wofern an fiskalischen oder anderm Vermögen,<lb/> das bei öffentlichen Kassen oder andern öffentlichen Verwaltungen verwahrt<lb/> oder verwaltet wird oder auch sonst vermöge besondrer amtlicher Anordnung<lb/> in die Gewahrsam eines Beamten gekommen ist, ein „Defekt" festgestellt wird,<lb/> so hat die höhere vorgesetzte Dienstbehörde zu ermitteln, ob ein Beamter hier-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0232]
ungemein häufig; dagegen waren sie sehr selten unter der Geltung des preu¬
ßischen Prozeßrechts, Dieses bestimmte nämlich, daß der Jutcrvenient seine
Ansprüche nicht beim Pfändungsgläubiger, sondern beim Vollstreckungsgcricht
anmelden und sie zugleich bescheinigen müsse, also durch Vorlegung von Ver¬
tragsurkunden, von eidesstattlichen Versicherungen oder durch Zeugen, die so¬
fort abgehört werden konnten. Wenn dem Gericht hiernach der Anspruch des
Jutcrveuienten glaubhaft erschien, so stellte es die Zwangsvollstreckung einst¬
weilig ein; in jedem Falle forderte das Gericht unter Mitteilung der vom
Jntervenienten beigebrachten Bescheinigungsmittel den Gläubiger auf, sich
binnen zwei bis drei Wochen über den Jntcrventionsanspruch zu erklären.
Dieses Verfahren war sehr praktisch: binnen der vom Gericht gestellten Frist
konnte der Gläubiger aus deu Beschciuiguugsmittelu, ferner durch Einsicht
in andre Urkunden, sowie durch Erkundigungen bei Dritten mit Leichtigkeit
ein Urteil über die Vegründetheit des JnterventionsanspruchS gewinnen und
ohne Überstürzung sachgemäße Entschließung treffen, ohne der Gefahr aus¬
gesetzt zu sein, daß schon in wenig Tagen die Jnterventionsklage erhoben
wurde. Überzeugte er sich von der Vegründetheit des Anspruchs, so zeigte er
dies dem Gericht an, das hiervon wieder dem Jntervenienten Nachricht gab,
und so wurden zahlreiche Prozesse durch eine einfache und geringfügige
Thätigkeit des Gerichts vermieden, die die Zivilprozeßordnung zum Schaden
der Rechtsuchenden Wohl deshalb beseitigt hat, weil sie in den „Parteibctrieb"
nicht hineinpaßt.
Nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbnchs hat ein Beamter, der vorsätz¬
lich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht
verletzt, dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Derartige
„Regreß"klagen gegen Beamte sind sehr schwierig, weil die als Verletzung der
Amtspflicht in Betracht kommende Handlung doch gewöhnlich eine rein innere
Angelegenheit des Dienstbetriebs ist, vou der der Verletzte wenigstens in ihren
Einzelheiten keine Kenntnis hat, oft sie auch gar nicht erlangen kann, für
deren Beurteilung ferner oft Dienstvorschriften und sonstige dem Verletzten un¬
bekannte Umstände in Betracht kommen; zudem entschließt sich der Verletzte
aus naheliegenden Gründen nicht gern zu einer Klage gegen Beamte. In
Würdigung alles dessen und des Umstandes, daß der Staat, als dessen Ver¬
treter der Beamte handelt, billigerweise zur Entschädigung des durch die Amts¬
handlung Verletzten amtlich mitzuwirken hat, bestimmten frühere Rechte, daß
die vorgesetzte höhere Dienstbehörde das Vorliegen einer Haftpflicht des Be¬
amten dienstlich festzustellen und ihn zur Schadloshaltung des Verletzten an¬
zuhalten habe. Noch heute besteht in Preußen und andern Bundesstaaten das
sogenannte Defektenverfahrein Wofern an fiskalischen oder anderm Vermögen,
das bei öffentlichen Kassen oder andern öffentlichen Verwaltungen verwahrt
oder verwaltet wird oder auch sonst vermöge besondrer amtlicher Anordnung
in die Gewahrsam eines Beamten gekommen ist, ein „Defekt" festgestellt wird,
so hat die höhere vorgesetzte Dienstbehörde zu ermitteln, ob ein Beamter hier-
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