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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Bürgerliche und militärische Auffassung

eignet zum Offizier gehalten haben; wen" dies alles so ist, und die ihm zur
Last gelegte Verfehlung nicht allzu schlimm, aufzufassen war, so wäre unsers
Erachtens die Möglichkeit vorhanden gewesen, daß die Krone von ihrem schönen
Vorrecht, der Grube, Gebrauch machte, und was seiner Zeit als Fehltritt er¬
schienen ist, auslöschte im Gedächtnis der Menschen und in allen seinen Wir¬
kungen, Wenn freisinnige Blätter hierfür plädiert hätten, wenn sie weiter
den Spruch des ehemaligen Ehrengerichts angegriffen und ihn als vorschnell
und ungerecht hingestellt hätten, weil Kauffmann in Wahrheit nichts gethan
habe, das unwürdig der Offizierstellnng gewesen sei, wenn sie endlich ganz
allgemein gegen allzu große politische Engherzigkeit deS Offizierkorps geeifert
hätten, so hätten wir ihnen das nicht verübelt; im Gegenteil, eine solche Kritik,
wenn sie feste Grundlagen hat und von der Überzeugung ehrlicher Männer
getragen wird, kann Gutes wirken. Aber dagegen müssen wir auf das ent¬
schiedenste Front machen, daß es ganz in der Ordnung gesunde" wird,
wenn ein Mann erst aus dein deutschen Offizierkorps entfernt und dann ohne
weiteres zum Bürgermeister der Hauptstadt des Deutschen Reichs gemacht
wird. Es ist schlimm genug, wenn die Berliner Stadtverordneten das An¬
gehörige einer solchen Thatsache nicht einsehen, und wenn, nachdem die Ab¬
lehnung Kauffmanns bekannt wurde, darüber, gerade in der Annahme, daß
militärische Bedenken obgewaltet hatten, flammende Entrüstung in der frei¬
sinnigen Presse zum Ausdruck gebracht wurde.

Jedenfalls ist es gut, wenn vom deutschen Kaiser die unvermittelte
Gegenüberstellung von militärischem und bürgerlichem Werturteil als nicht in
der Ordnung betrachtet wird. Und wenn wir in andern Fällen dem Kaiser
zu danken gehabt haben, daß er auf die Volksmeinung gehört hat, so beim
Zedlitzischcu Schulgesetz, können wir in diesem Falle als Patrioten nicht
wünschen, daß die Meinung, die sich als die volkstümliche giebt, durchdringe,
Volksmeinung und Volksmeinung ist zweierlei; man muß genau hinhören, ob
die Meinung aus begründeter Überzeugung und uneigennütziger patriotischer
Gesinnung kommt; eine Sache, die Klerikalismus und Freisinn, diese beiden
Gegensätze, die in guten und positiven Dingen kaum eine Berührung haben,
zu gemeinsamem Vorgehn vereint, ist an sich schon verdächtig. Es ist gerade
umgekehrt überaus wichtig, daß der Kaiser von seiner Pflicht und seinem Recht,
das militärische Interesse zu währen, teilten Zoll zurückweicht. Hierin den
Monarchen weich zu machen, ist nicht die Aufgabe der vaterländischen Presse;
"Landgraf, bleibe hart!", muß ihr Wunsch sein. Wir wollen mit dem weitern
Wunsche schließen, es möge endlich, endlich einmal, anch der linke Liberalismus
die richtige Stellung zu den nülitärischen Dingen finden.




Bürgerliche und militärische Auffassung

eignet zum Offizier gehalten haben; wen» dies alles so ist, und die ihm zur
Last gelegte Verfehlung nicht allzu schlimm, aufzufassen war, so wäre unsers
Erachtens die Möglichkeit vorhanden gewesen, daß die Krone von ihrem schönen
Vorrecht, der Grube, Gebrauch machte, und was seiner Zeit als Fehltritt er¬
schienen ist, auslöschte im Gedächtnis der Menschen und in allen seinen Wir¬
kungen, Wenn freisinnige Blätter hierfür plädiert hätten, wenn sie weiter
den Spruch des ehemaligen Ehrengerichts angegriffen und ihn als vorschnell
und ungerecht hingestellt hätten, weil Kauffmann in Wahrheit nichts gethan
habe, das unwürdig der Offizierstellnng gewesen sei, wenn sie endlich ganz
allgemein gegen allzu große politische Engherzigkeit deS Offizierkorps geeifert
hätten, so hätten wir ihnen das nicht verübelt; im Gegenteil, eine solche Kritik,
wenn sie feste Grundlagen hat und von der Überzeugung ehrlicher Männer
getragen wird, kann Gutes wirken. Aber dagegen müssen wir auf das ent¬
schiedenste Front machen, daß es ganz in der Ordnung gesunde» wird,
wenn ein Mann erst aus dein deutschen Offizierkorps entfernt und dann ohne
weiteres zum Bürgermeister der Hauptstadt des Deutschen Reichs gemacht
wird. Es ist schlimm genug, wenn die Berliner Stadtverordneten das An¬
gehörige einer solchen Thatsache nicht einsehen, und wenn, nachdem die Ab¬
lehnung Kauffmanns bekannt wurde, darüber, gerade in der Annahme, daß
militärische Bedenken obgewaltet hatten, flammende Entrüstung in der frei¬
sinnigen Presse zum Ausdruck gebracht wurde.

Jedenfalls ist es gut, wenn vom deutschen Kaiser die unvermittelte
Gegenüberstellung von militärischem und bürgerlichem Werturteil als nicht in
der Ordnung betrachtet wird. Und wenn wir in andern Fällen dem Kaiser
zu danken gehabt haben, daß er auf die Volksmeinung gehört hat, so beim
Zedlitzischcu Schulgesetz, können wir in diesem Falle als Patrioten nicht
wünschen, daß die Meinung, die sich als die volkstümliche giebt, durchdringe,
Volksmeinung und Volksmeinung ist zweierlei; man muß genau hinhören, ob
die Meinung aus begründeter Überzeugung und uneigennütziger patriotischer
Gesinnung kommt; eine Sache, die Klerikalismus und Freisinn, diese beiden
Gegensätze, die in guten und positiven Dingen kaum eine Berührung haben,
zu gemeinsamem Vorgehn vereint, ist an sich schon verdächtig. Es ist gerade
umgekehrt überaus wichtig, daß der Kaiser von seiner Pflicht und seinem Recht,
das militärische Interesse zu währen, teilten Zoll zurückweicht. Hierin den
Monarchen weich zu machen, ist nicht die Aufgabe der vaterländischen Presse;
„Landgraf, bleibe hart!", muß ihr Wunsch sein. Wir wollen mit dem weitern
Wunsche schließen, es möge endlich, endlich einmal, anch der linke Liberalismus
die richtige Stellung zu den nülitärischen Dingen finden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/206>, abgerufen am 27.07.2024.