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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Nlnikolonisation Südamerikas

selbst konnte den Schatz nicht heben, Dazu hätte er mindestens fünf Leute
zur Hilfe gebraucht, Hütte er mit denen seinen Schatz teilen wollen, so wäre
ihnen allen längst geholfen gewesen. Aber das wollte er nicht. Einmal
glaubte er, fünf Dumme gefunden zu haben, die ihm umsonst dienen würden.
Die hatten ihm den Goldklumpen schon beinahe zu Tage gefordert, als ihnen
plötzlich einfiel, nach ihrem Lohn zu fragen. Darüber kam es nun zu keiner
Einigung, Schließlich ließen die fünf Mann den Goldklumpen wieder in den
Brunnen zurückfallen und gingen ihrer Wege. Die fünf Helfer hatten nichts
erworben, der Reichtum lag ungehoben in der Tiefe, nud der Eigentümer
wohnte nach wie vor in seiner elenden Hütte." Die Deutung dieser Parabel,
meint daS deutsch-brasilische Blatt, ist einfach genug: "Der Goldklumpen ist
der "och ungehvlme Reichtum Brasiliens, Die fünf Helfer sind die fleißigen
ausländischen Kolonisten, die durch ihre Arbeit Wohl zur Forderung des brasi¬
lianischen Wohlstands beitragen wollen, aber nicht umsonst. Der seinen viel¬
gerühmte", aber noch immer nngehobnen Schatz eifersüchtig bewachende Eigen¬
tümer, der lieber selbst arm bleibt, als daß er zugleich mit andern durch die
Ausnützung seines Eigentums reich wird, ist der brasilianische Nativist, der
die Einwandrer nur zu seinem Borten ausnützen möchte, ohne thuen genügenden
Besitz als freien Bürgern zu gewähren, ohne ihnen, deu Pionieren der euro¬
päischem Kultur, neben ihren harten Pflichten auch die Rechte eines brasilia¬
nischen VollbürgerS einzuräumen."

So rückständig das hier gekennzeichnete Gebare" der südamerikanischen
Knonmothings von? politischen Standpunkt aus auch sein mag, so kann man es
doch immerhin versteh". Direkt komisch werde" diese Herre" erst, wenn sie
in ihrer Presse oder von der Rednertribüne herab die Gefahr einer feindlichen
Invasion europäischer Mächte an die Wand male". Nach de" Erfahrungen,
die Napoleon III, i" Mexiko, die Engländer in Südafrika, die Verbündeten
Mächte in China gemacht haben, werde" europäische Staate" es sich doppelt
und dreifach überlegen, ehe sie sich an die Eroberung von Riesenreichen jen¬
seits des Ozeans heranwagen. Auch würden etwaige AnnexwnSgelüste Deutsch¬
lands z.B. bei de" meist demokratisch gesinnten "Dcutschländern" SndbrasilienS
keine Gegenliebe finden. In den südamerikanischen Staaten, die schon eine
stärkere Einwandrung aufgenommen haben, wird sich aber ganz von selbst ein
Vermischuugöprozeß vollziehn, nud die Brasilier oder die Argentiner von morgen
werde" nicht die von heute sein. So wie jetzt schon nur wenig reine Kreolen
vorhanden sind -- man rechnet von den 318361 Argentiner" in Buenos Aires
kaum ein Sechstel zur reinen spanischen Rasse --, so wird sich der Verschmel-
zuugsprvzeß zum mindesten in den Gebieten, wo keine kompakten fremdsprach¬
lichen Siedlungen besteh", in entsprechendem Verhältnis weiter fortsetzen, und
eine ne"e Mischrasse wird allmählich entsteh", die sich von den alten "echten"
Söhnen des Landes ethnologisch wesentlich unterscheiden wird.

Eine Jnvnsionsgefahr freilich besteht nicht nnr in der überreizten Phantasie
der Patrioten, sondern sie malt sich immer deutlicher am politischen Himmel


Die Nlnikolonisation Südamerikas

selbst konnte den Schatz nicht heben, Dazu hätte er mindestens fünf Leute
zur Hilfe gebraucht, Hütte er mit denen seinen Schatz teilen wollen, so wäre
ihnen allen längst geholfen gewesen. Aber das wollte er nicht. Einmal
glaubte er, fünf Dumme gefunden zu haben, die ihm umsonst dienen würden.
Die hatten ihm den Goldklumpen schon beinahe zu Tage gefordert, als ihnen
plötzlich einfiel, nach ihrem Lohn zu fragen. Darüber kam es nun zu keiner
Einigung, Schließlich ließen die fünf Mann den Goldklumpen wieder in den
Brunnen zurückfallen und gingen ihrer Wege. Die fünf Helfer hatten nichts
erworben, der Reichtum lag ungehoben in der Tiefe, nud der Eigentümer
wohnte nach wie vor in seiner elenden Hütte." Die Deutung dieser Parabel,
meint daS deutsch-brasilische Blatt, ist einfach genug: „Der Goldklumpen ist
der »och ungehvlme Reichtum Brasiliens, Die fünf Helfer sind die fleißigen
ausländischen Kolonisten, die durch ihre Arbeit Wohl zur Forderung des brasi¬
lianischen Wohlstands beitragen wollen, aber nicht umsonst. Der seinen viel¬
gerühmte», aber noch immer nngehobnen Schatz eifersüchtig bewachende Eigen¬
tümer, der lieber selbst arm bleibt, als daß er zugleich mit andern durch die
Ausnützung seines Eigentums reich wird, ist der brasilianische Nativist, der
die Einwandrer nur zu seinem Borten ausnützen möchte, ohne thuen genügenden
Besitz als freien Bürgern zu gewähren, ohne ihnen, deu Pionieren der euro¬
päischem Kultur, neben ihren harten Pflichten auch die Rechte eines brasilia¬
nischen VollbürgerS einzuräumen."

So rückständig das hier gekennzeichnete Gebare» der südamerikanischen
Knonmothings von? politischen Standpunkt aus auch sein mag, so kann man es
doch immerhin versteh». Direkt komisch werde» diese Herre» erst, wenn sie
in ihrer Presse oder von der Rednertribüne herab die Gefahr einer feindlichen
Invasion europäischer Mächte an die Wand male». Nach de» Erfahrungen,
die Napoleon III, i» Mexiko, die Engländer in Südafrika, die Verbündeten
Mächte in China gemacht haben, werde» europäische Staate» es sich doppelt
und dreifach überlegen, ehe sie sich an die Eroberung von Riesenreichen jen¬
seits des Ozeans heranwagen. Auch würden etwaige AnnexwnSgelüste Deutsch¬
lands z.B. bei de» meist demokratisch gesinnten „Dcutschländern" SndbrasilienS
keine Gegenliebe finden. In den südamerikanischen Staaten, die schon eine
stärkere Einwandrung aufgenommen haben, wird sich aber ganz von selbst ein
Vermischuugöprozeß vollziehn, nud die Brasilier oder die Argentiner von morgen
werde» nicht die von heute sein. So wie jetzt schon nur wenig reine Kreolen
vorhanden sind — man rechnet von den 318361 Argentiner» in Buenos Aires
kaum ein Sechstel zur reinen spanischen Rasse —, so wird sich der Verschmel-
zuugsprvzeß zum mindesten in den Gebieten, wo keine kompakten fremdsprach¬
lichen Siedlungen besteh», in entsprechendem Verhältnis weiter fortsetzen, und
eine ne»e Mischrasse wird allmählich entsteh», die sich von den alten „echten"
Söhnen des Landes ethnologisch wesentlich unterscheiden wird.

Eine Jnvnsionsgefahr freilich besteht nicht nnr in der überreizten Phantasie
der Patrioten, sondern sie malt sich immer deutlicher am politischen Himmel


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[0178] Die Nlnikolonisation Südamerikas selbst konnte den Schatz nicht heben, Dazu hätte er mindestens fünf Leute zur Hilfe gebraucht, Hütte er mit denen seinen Schatz teilen wollen, so wäre ihnen allen längst geholfen gewesen. Aber das wollte er nicht. Einmal glaubte er, fünf Dumme gefunden zu haben, die ihm umsonst dienen würden. Die hatten ihm den Goldklumpen schon beinahe zu Tage gefordert, als ihnen plötzlich einfiel, nach ihrem Lohn zu fragen. Darüber kam es nun zu keiner Einigung, Schließlich ließen die fünf Mann den Goldklumpen wieder in den Brunnen zurückfallen und gingen ihrer Wege. Die fünf Helfer hatten nichts erworben, der Reichtum lag ungehoben in der Tiefe, nud der Eigentümer wohnte nach wie vor in seiner elenden Hütte." Die Deutung dieser Parabel, meint daS deutsch-brasilische Blatt, ist einfach genug: „Der Goldklumpen ist der »och ungehvlme Reichtum Brasiliens, Die fünf Helfer sind die fleißigen ausländischen Kolonisten, die durch ihre Arbeit Wohl zur Forderung des brasi¬ lianischen Wohlstands beitragen wollen, aber nicht umsonst. Der seinen viel¬ gerühmte», aber noch immer nngehobnen Schatz eifersüchtig bewachende Eigen¬ tümer, der lieber selbst arm bleibt, als daß er zugleich mit andern durch die Ausnützung seines Eigentums reich wird, ist der brasilianische Nativist, der die Einwandrer nur zu seinem Borten ausnützen möchte, ohne thuen genügenden Besitz als freien Bürgern zu gewähren, ohne ihnen, deu Pionieren der euro¬ päischem Kultur, neben ihren harten Pflichten auch die Rechte eines brasilia¬ nischen VollbürgerS einzuräumen." So rückständig das hier gekennzeichnete Gebare» der südamerikanischen Knonmothings von? politischen Standpunkt aus auch sein mag, so kann man es doch immerhin versteh». Direkt komisch werde» diese Herre» erst, wenn sie in ihrer Presse oder von der Rednertribüne herab die Gefahr einer feindlichen Invasion europäischer Mächte an die Wand male». Nach de» Erfahrungen, die Napoleon III, i» Mexiko, die Engländer in Südafrika, die Verbündeten Mächte in China gemacht haben, werde» europäische Staate» es sich doppelt und dreifach überlegen, ehe sie sich an die Eroberung von Riesenreichen jen¬ seits des Ozeans heranwagen. Auch würden etwaige AnnexwnSgelüste Deutsch¬ lands z.B. bei de» meist demokratisch gesinnten „Dcutschländern" SndbrasilienS keine Gegenliebe finden. In den südamerikanischen Staaten, die schon eine stärkere Einwandrung aufgenommen haben, wird sich aber ganz von selbst ein Vermischuugöprozeß vollziehn, nud die Brasilier oder die Argentiner von morgen werde» nicht die von heute sein. So wie jetzt schon nur wenig reine Kreolen vorhanden sind — man rechnet von den 318361 Argentiner» in Buenos Aires kaum ein Sechstel zur reinen spanischen Rasse —, so wird sich der Verschmel- zuugsprvzeß zum mindesten in den Gebieten, wo keine kompakten fremdsprach¬ lichen Siedlungen besteh», in entsprechendem Verhältnis weiter fortsetzen, und eine ne»e Mischrasse wird allmählich entsteh», die sich von den alten „echten" Söhnen des Landes ethnologisch wesentlich unterscheiden wird. Eine Jnvnsionsgefahr freilich besteht nicht nnr in der überreizten Phantasie der Patrioten, sondern sie malt sich immer deutlicher am politischen Himmel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/178>, abgerufen am 22.07.2024.