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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Reisekosten und Tagegelder der Staatsbeamten

Die Zahl der Dienstreisen ist ins ungeheure gewachsen. Den schlagendsten
Beweis für diese Behauptung bietet die NeichSpostvcrwaltnng. Es dürfte
auch für weitere Kreise interessant sein, zu erfahren, eine wie hohe Stufe die
Kunst, Dienstreisen zu machen und anzuordnen, nnter Stephan erreicht hat.
Er reiste in jüngern Jahren selbst viel und gern, und zwar meist mit größeren
Gefolge von Geheimen Räten und Oberpostdirektoren, die ihrerseits wieder
Postinspektoren zur Begleitung hatten. Welchen dienstlichen Zweck die An¬
wesenheit so vieler Personen an einem Ort verfolgte, war nicht immer klar.
In spätern Jahren liebte es Stephan, das Vergnügen der Jagd mit den
Dienstreisen zu verknüpfen. Die Berliner Zeitungen, die die Abreise und die
Rückkunft der Minister und Staatssekretäre sonst mit großer Regelmäßigkeit
zu melden pflegten, wurden, wie es scheint, über die Reisen des Gencralpost-
meisters niemals unterrichtet. Erst durch Meldungen der Provinzinlblätter
erfuhr man, daß Se. Exzellenz in Oberschlesien einen feisten Bock oder in
Brücken"" einen Auerhahn erlegt und auch einige PostHäuser besichtigt habe.
Und als einmal im Sommer 1896 durch Berliner Blätter folgende Notiz
ging: "Der Staatssekretär des Reichspostamts hat eine Inspektionsreise nach
den schleslvig-holsteinischen und hanseatischen Oberpostdirektionsbezirken ange¬
treten," erschien schon wenig Tage später eine Berichtigung: "Wir werden
darauf aufmerksam gemacht, daß dies nicht zutreffen kann, da sich der Herr
Staatssekretär seit dem 15. dieses Monats in der Shlter Badezeitung als
Badegast Nummer 1660 verzeichnet findet und thatsächlich täglich in Wester-
land mit einem frei umherlaufenden Jagdhund gesehen wird." Allerdings
hat die Mehrzahl der Postbeamten ihren höchsten Chef nur im Jagdkostüm
kennen gelernt. Die fortwährende Verguickung vou Jagd- und Dienstreisen
hat nicht dazu beigetragen, das in den letzten Jahren ohnehin gesunkne An¬
sehen Stephans bei seinen Beamten wieder zu erhöhen. Unter diesen Um¬
ständen durfte es nicht auffallen, daß man auch die Räte des Reichspostamts
recht häufig auf Reisen sehen konnte. Wie hoch die Summe ist, die von den
Spitzen der Postverwaltung alljährlich verreist wird, ist aus dem Etat nicht
erkennbar, da der bei Titel 10 ausgeworfne Betrag von 245000 Mark auf¬
fallenderweise nicht nnr zur Bestreitung der Tagegelder und Fuhrkosten,
sondern auch zur Anschaffung von Ausstattungsgegeustäitden usw. dient.
Jedenfalls wird auch noch heute recht munter gereist; denn wir entnehmen der
Deutschen Verkehrszeitung, daß zur Einweihung der PostHäuser in Straßburg
(Elsaß) und in Potsdam außer dein Staatssekretär noch je vier und ans
gleicher Veranlassung nach Karlsruhe (Baden) noch drei Herren aus dem
Neichspostamt gereist siud. Eine Reise nach Straßburg wirft allein aus den
Kilometergeldern für jeden der Teilnehmer einen Reingewinn von 112 oder
von 137 Mark ab, je nachdem eine Rückfahrkarte erster oder zweiter Klasse
benutzt wird; eine Reise nach Karlsruhe 92 oder 114 Mark. Sollte bei
solchen Gelegenheiten nicht schon die Anwesenheit von zwei Herren aus Berlin
dem dienstlichen Bedürfnis Genüge leisten?


Reisekosten und Tagegelder der Staatsbeamten

Die Zahl der Dienstreisen ist ins ungeheure gewachsen. Den schlagendsten
Beweis für diese Behauptung bietet die NeichSpostvcrwaltnng. Es dürfte
auch für weitere Kreise interessant sein, zu erfahren, eine wie hohe Stufe die
Kunst, Dienstreisen zu machen und anzuordnen, nnter Stephan erreicht hat.
Er reiste in jüngern Jahren selbst viel und gern, und zwar meist mit größeren
Gefolge von Geheimen Räten und Oberpostdirektoren, die ihrerseits wieder
Postinspektoren zur Begleitung hatten. Welchen dienstlichen Zweck die An¬
wesenheit so vieler Personen an einem Ort verfolgte, war nicht immer klar.
In spätern Jahren liebte es Stephan, das Vergnügen der Jagd mit den
Dienstreisen zu verknüpfen. Die Berliner Zeitungen, die die Abreise und die
Rückkunft der Minister und Staatssekretäre sonst mit großer Regelmäßigkeit
zu melden pflegten, wurden, wie es scheint, über die Reisen des Gencralpost-
meisters niemals unterrichtet. Erst durch Meldungen der Provinzinlblätter
erfuhr man, daß Se. Exzellenz in Oberschlesien einen feisten Bock oder in
Brücken«» einen Auerhahn erlegt und auch einige PostHäuser besichtigt habe.
Und als einmal im Sommer 1896 durch Berliner Blätter folgende Notiz
ging: „Der Staatssekretär des Reichspostamts hat eine Inspektionsreise nach
den schleslvig-holsteinischen und hanseatischen Oberpostdirektionsbezirken ange¬
treten," erschien schon wenig Tage später eine Berichtigung: „Wir werden
darauf aufmerksam gemacht, daß dies nicht zutreffen kann, da sich der Herr
Staatssekretär seit dem 15. dieses Monats in der Shlter Badezeitung als
Badegast Nummer 1660 verzeichnet findet und thatsächlich täglich in Wester-
land mit einem frei umherlaufenden Jagdhund gesehen wird." Allerdings
hat die Mehrzahl der Postbeamten ihren höchsten Chef nur im Jagdkostüm
kennen gelernt. Die fortwährende Verguickung vou Jagd- und Dienstreisen
hat nicht dazu beigetragen, das in den letzten Jahren ohnehin gesunkne An¬
sehen Stephans bei seinen Beamten wieder zu erhöhen. Unter diesen Um¬
ständen durfte es nicht auffallen, daß man auch die Räte des Reichspostamts
recht häufig auf Reisen sehen konnte. Wie hoch die Summe ist, die von den
Spitzen der Postverwaltung alljährlich verreist wird, ist aus dem Etat nicht
erkennbar, da der bei Titel 10 ausgeworfne Betrag von 245000 Mark auf¬
fallenderweise nicht nnr zur Bestreitung der Tagegelder und Fuhrkosten,
sondern auch zur Anschaffung von Ausstattungsgegeustäitden usw. dient.
Jedenfalls wird auch noch heute recht munter gereist; denn wir entnehmen der
Deutschen Verkehrszeitung, daß zur Einweihung der PostHäuser in Straßburg
(Elsaß) und in Potsdam außer dein Staatssekretär noch je vier und ans
gleicher Veranlassung nach Karlsruhe (Baden) noch drei Herren aus dem
Neichspostamt gereist siud. Eine Reise nach Straßburg wirft allein aus den
Kilometergeldern für jeden der Teilnehmer einen Reingewinn von 112 oder
von 137 Mark ab, je nachdem eine Rückfahrkarte erster oder zweiter Klasse
benutzt wird; eine Reise nach Karlsruhe 92 oder 114 Mark. Sollte bei
solchen Gelegenheiten nicht schon die Anwesenheit von zwei Herren aus Berlin
dem dienstlichen Bedürfnis Genüge leisten?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/610>, abgerufen am 03.07.2024.