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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Reisekosten mit Tagegelder der Staatsbeamte"

78 Pfennige vergütet, sodaß man mit einer Rundreise- oder Rückfahrkarte noch
immer einen Reingewinn hat. Die Beamten dieser Tarifklasse kommen aber,
abgesehen von Versetzungen, gar nicht in die Lage, Dienstreisen auf so weite
Entfernungen zu machen, die Vorteile fallen also mir den hohen und höhern
Beamten zu.

Noch deutlicher geht dies aus folgendem Beispiel hervor. Für eine zehn
Tage umfassende Dienstreise, bei der wir eine Entfernung von 300, also hin
und zurück 600 Kilometern, zu Grunde legen, beziehn die Staatsminister (I)
jetzt (600 x 9 54 Mark ->- 350 Mark Tagegelder) 404 Mark, während sie
früher nur (000 x 13 78 Mark -I- 300 Mark Tagegelder) 378 Mark be¬
zogen. Für die Tarifklassen II und 111 betragt die Erhöhung 16 Mark, bei
IV 6 und bei VI 2 Mark. Dagegen haben die Tarifklassen V eine Minder¬
einnahme von 6, VII von 15 und VIII von 2 Mark. Doch genug der Bei¬
spiele. Wir sehen schon jetzt zur Genüge, daß die Absicht des Gesetzes, den
Gewinn zu vermindern, den die Beamten bisher aus den Reisekosten hatten,
nur für einzelne .Klassen der niedern Beamten erreicht worden ist, und daß
durch dieses Gesetz der Etat für Reisekosten und Tagegelder großer geworden
ist, trotz der Millionen, die für Gehaltserhöhungen aufgewandt worden sind.
Diesen Erfolg hätte man an maßgebender Stelle durch die Aufstellung einiger
Rechnnngsbeispiele voraussehen können. Der Verdacht ist also wohl nicht
unbegründet, daß man gar nicht ernstlich beabsichtigt habe, dem Krebsschaden
der Kilometergeometrie, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, ein
Eude zu machen, weil man es nicht wagte, die Nebeneinnahmen der hohen
und der höchsten Beamten zu kürzen. Im Reichstag wäre dieses Gesetz, das
sich als der reine Hohn ans die früher geäußerten Wünsche der Volksvertretung
herausstellt, schwerlich angenommen worden.

Die Vergütungen, die die Beamten bei Dienstreisen erhalten, die nicht
auf Eisenbahnen, Kleinbahnen oder Dampfschiffen zurückgelegt werden können,
sind unverändert geblieben. Gegen die Hohe dieser Vergütungen könnte man
auch kaum Einwendungen machen. Handelt es sich um kleinere Entfernungen,
so wird der Beamte, wenn er den Weg nicht zu Fuß zurücklegen will und
Post oder Omnibus uicht zur Verfügung stehn, für einen Wagen meist ans
eigner Tasche zulegen müssen, bei Reisen aus größere Entfernungen dagegen
wird hier und da ein Gewinn bleiben, namentlich wenn derselbe Wagen hin
und zurück beuutzt werden kauu. Dagegen müßte die Vergütung in den
Fällen, wo derselbe Wagen? von mehreren Beamten gemeinsam benutzt wird,
nur zur Hälfte gewährt werden. Es ist doch geradezu ein Skandal, wenn
die Staatskasse für die Benutzung eines Wagens, der beispielsweise für
20 Kilometer hin und zurück 15 Mark kostet, mit zwei, drei oder gar vier mal
24 Mark belastet wird.

Wir gehn nun zu den Reichsbeamten über. Nach § 18 des Gesetzes
über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten von, 31. März 1873 wird die
Höhe der ihnen bei dienstlicher Beschäftigung außerhalb des Wohnorts zu-


Reisekosten mit Tagegelder der Staatsbeamte»

78 Pfennige vergütet, sodaß man mit einer Rundreise- oder Rückfahrkarte noch
immer einen Reingewinn hat. Die Beamten dieser Tarifklasse kommen aber,
abgesehen von Versetzungen, gar nicht in die Lage, Dienstreisen auf so weite
Entfernungen zu machen, die Vorteile fallen also mir den hohen und höhern
Beamten zu.

Noch deutlicher geht dies aus folgendem Beispiel hervor. Für eine zehn
Tage umfassende Dienstreise, bei der wir eine Entfernung von 300, also hin
und zurück 600 Kilometern, zu Grunde legen, beziehn die Staatsminister (I)
jetzt (600 x 9 54 Mark ->- 350 Mark Tagegelder) 404 Mark, während sie
früher nur (000 x 13 78 Mark -I- 300 Mark Tagegelder) 378 Mark be¬
zogen. Für die Tarifklassen II und 111 betragt die Erhöhung 16 Mark, bei
IV 6 und bei VI 2 Mark. Dagegen haben die Tarifklassen V eine Minder¬
einnahme von 6, VII von 15 und VIII von 2 Mark. Doch genug der Bei¬
spiele. Wir sehen schon jetzt zur Genüge, daß die Absicht des Gesetzes, den
Gewinn zu vermindern, den die Beamten bisher aus den Reisekosten hatten,
nur für einzelne .Klassen der niedern Beamten erreicht worden ist, und daß
durch dieses Gesetz der Etat für Reisekosten und Tagegelder großer geworden
ist, trotz der Millionen, die für Gehaltserhöhungen aufgewandt worden sind.
Diesen Erfolg hätte man an maßgebender Stelle durch die Aufstellung einiger
Rechnnngsbeispiele voraussehen können. Der Verdacht ist also wohl nicht
unbegründet, daß man gar nicht ernstlich beabsichtigt habe, dem Krebsschaden
der Kilometergeometrie, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, ein
Eude zu machen, weil man es nicht wagte, die Nebeneinnahmen der hohen
und der höchsten Beamten zu kürzen. Im Reichstag wäre dieses Gesetz, das
sich als der reine Hohn ans die früher geäußerten Wünsche der Volksvertretung
herausstellt, schwerlich angenommen worden.

Die Vergütungen, die die Beamten bei Dienstreisen erhalten, die nicht
auf Eisenbahnen, Kleinbahnen oder Dampfschiffen zurückgelegt werden können,
sind unverändert geblieben. Gegen die Hohe dieser Vergütungen könnte man
auch kaum Einwendungen machen. Handelt es sich um kleinere Entfernungen,
so wird der Beamte, wenn er den Weg nicht zu Fuß zurücklegen will und
Post oder Omnibus uicht zur Verfügung stehn, für einen Wagen meist ans
eigner Tasche zulegen müssen, bei Reisen aus größere Entfernungen dagegen
wird hier und da ein Gewinn bleiben, namentlich wenn derselbe Wagen hin
und zurück beuutzt werden kauu. Dagegen müßte die Vergütung in den
Fällen, wo derselbe Wagen? von mehreren Beamten gemeinsam benutzt wird,
nur zur Hälfte gewährt werden. Es ist doch geradezu ein Skandal, wenn
die Staatskasse für die Benutzung eines Wagens, der beispielsweise für
20 Kilometer hin und zurück 15 Mark kostet, mit zwei, drei oder gar vier mal
24 Mark belastet wird.

Wir gehn nun zu den Reichsbeamten über. Nach § 18 des Gesetzes
über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten von, 31. März 1873 wird die
Höhe der ihnen bei dienstlicher Beschäftigung außerhalb des Wohnorts zu-


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[0608] Reisekosten mit Tagegelder der Staatsbeamte» 78 Pfennige vergütet, sodaß man mit einer Rundreise- oder Rückfahrkarte noch immer einen Reingewinn hat. Die Beamten dieser Tarifklasse kommen aber, abgesehen von Versetzungen, gar nicht in die Lage, Dienstreisen auf so weite Entfernungen zu machen, die Vorteile fallen also mir den hohen und höhern Beamten zu. Noch deutlicher geht dies aus folgendem Beispiel hervor. Für eine zehn Tage umfassende Dienstreise, bei der wir eine Entfernung von 300, also hin und zurück 600 Kilometern, zu Grunde legen, beziehn die Staatsminister (I) jetzt (600 x 9 54 Mark ->- 350 Mark Tagegelder) 404 Mark, während sie früher nur (000 x 13 78 Mark -I- 300 Mark Tagegelder) 378 Mark be¬ zogen. Für die Tarifklassen II und 111 betragt die Erhöhung 16 Mark, bei IV 6 und bei VI 2 Mark. Dagegen haben die Tarifklassen V eine Minder¬ einnahme von 6, VII von 15 und VIII von 2 Mark. Doch genug der Bei¬ spiele. Wir sehen schon jetzt zur Genüge, daß die Absicht des Gesetzes, den Gewinn zu vermindern, den die Beamten bisher aus den Reisekosten hatten, nur für einzelne .Klassen der niedern Beamten erreicht worden ist, und daß durch dieses Gesetz der Etat für Reisekosten und Tagegelder großer geworden ist, trotz der Millionen, die für Gehaltserhöhungen aufgewandt worden sind. Diesen Erfolg hätte man an maßgebender Stelle durch die Aufstellung einiger Rechnnngsbeispiele voraussehen können. Der Verdacht ist also wohl nicht unbegründet, daß man gar nicht ernstlich beabsichtigt habe, dem Krebsschaden der Kilometergeometrie, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, ein Eude zu machen, weil man es nicht wagte, die Nebeneinnahmen der hohen und der höchsten Beamten zu kürzen. Im Reichstag wäre dieses Gesetz, das sich als der reine Hohn ans die früher geäußerten Wünsche der Volksvertretung herausstellt, schwerlich angenommen worden. Die Vergütungen, die die Beamten bei Dienstreisen erhalten, die nicht auf Eisenbahnen, Kleinbahnen oder Dampfschiffen zurückgelegt werden können, sind unverändert geblieben. Gegen die Hohe dieser Vergütungen könnte man auch kaum Einwendungen machen. Handelt es sich um kleinere Entfernungen, so wird der Beamte, wenn er den Weg nicht zu Fuß zurücklegen will und Post oder Omnibus uicht zur Verfügung stehn, für einen Wagen meist ans eigner Tasche zulegen müssen, bei Reisen aus größere Entfernungen dagegen wird hier und da ein Gewinn bleiben, namentlich wenn derselbe Wagen hin und zurück beuutzt werden kauu. Dagegen müßte die Vergütung in den Fällen, wo derselbe Wagen? von mehreren Beamten gemeinsam benutzt wird, nur zur Hälfte gewährt werden. Es ist doch geradezu ein Skandal, wenn die Staatskasse für die Benutzung eines Wagens, der beispielsweise für 20 Kilometer hin und zurück 15 Mark kostet, mit zwei, drei oder gar vier mal 24 Mark belastet wird. Wir gehn nun zu den Reichsbeamten über. Nach § 18 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten von, 31. März 1873 wird die Höhe der ihnen bei dienstlicher Beschäftigung außerhalb des Wohnorts zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/608>, abgerufen am 03.07.2024.