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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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pancratlus Laxitolinus

Kampf, nicht um geduldiges Leiden zu thun. Er überlegte, ob er wohl einen Ausfall
wagen dürfe, sagte sich aber schließlich selbst, daß er bei einem solchen Wagnis nicht
nur das eigne Leben, sondern auch das Besitztum seines Herrn zwecklos auf das
Spiel setzen würde.

An Vorräten zum Teil sehr appetitlicher Natur fehlte es Pancratius, wie wir
wissen, nicht. Es galt uun, hiervon auch die Belagerer zu überzeugen. Er durfte
seine Würste und Schinken, sein Sauerkraut und seine Stockfische nicht unter den
Scheffel stellen. Ani dem Feinde einen Begriff von seinen kulinarischen Schätzen
zu geben, beschloß er eine große Ausstellung der schönsten Piecen der Vorratskammer
zu veranstalten. Zu diesem Zwecke zog er von einem Mansardenfenster zum andern
einen starken Strick, spannte ihn so straff wie möglich und behängte ihn mit den
auserlesensten Stücken. In lieblicher Abwechslung prangten, durch Fleischhaken um
Stricke befestigt, Speckseiten, Würste und Schinken ans der dunkeln Hnuswand, ver¬
goldet vom Scheine der Abendsonne, die, gleichsam als wollte auch sie sich an diesen
Meisterwerken der schöpferischen Nntnr erfreuen, kurz vor ihrem Untergange aus
den Wolken brach.

Kurz vor ihrem Untergange! Während wir diese vier Worte niederschreiben,
überfällt uus eine bange Ahnung. Hat die Muse, deren Inspiration wir unsre
Feder leihn, mich wirklich mir den Untergang der Sonne gemeint? Onon non
ireeixiinus!

Die Nacht verfloß still und ereignislos. Pnneratius blieb ans seinem Posten
und schlief erst gegen Morgen ein. Da! Was war das? Aus dem Hofe schallten
plötzlich Gewehrsälven. Gingen die Belagerer zum Sturm über? War ihnen eine
Entsatzarmee in den Rücken gefallen? Unser Freund griff zur Entenflinte und
stürzte halb schlaftrunken ans Fenster. Er sah wohl zehn Gewehrmündungcn nach
oben gerichtet. Griffen die Götter selbst in den Kampf ein? Waren Retter in
einer Montgölfiere erschienen? Glaubten die Gallier, durch irgend eine Sinnes-
täuschung verwirrt, auf dem Dache der Burg Verteidiger zu sehen? Ju diesem
Augenblick krachte eine neue Salve, und vom Triumphgeschrei der Barbaren be¬
grüßt prasselte ein ganzer Regen von Schinken, Würsten und Speckseiten in den Hof
hinab. Jetzt wurde dem Belagerten verständlich, welchem Ziele die Salven ge¬
golten hatten. Die tückische" Gegner hatten den Strick durchschossen, der Pancratius
köstlichsten Besitz getragen hatte! Nun mußte er zusehen, wie beutegierige Vandalen
sich um all die schönen Dinge balgten, mit denen er sein Dasein noch wvchen-
uud monatelang zu fristen gehofft hatte. Was sind Vorsätze, was sind Entwürfe!

Ohne an seine eigne Sicherheit zu denken, die in dieser Minute freilich auch
weniger gefährdet war als je, blieb unser Freund am Fenster stehn und schaute
auf das Gewirr raffender Hände hinab. In diesem Gewirr waren zwei zu kurz
gekommen, und diese zwei gehörten dem Friedensengel. Eine Leberwurst, die er
nach heißem Ringen glücklich erhascht hatte, wurde ihm mit brutaler Gewalt buch¬
stäblich vor dem Munde weggerissen. Ohne Püffe ging es ohnehin nicht ab, und
so stand der arme Flachskopf, seines Raubes beraubt, mitten im Hofe und schaute
wehmütig zu der Höhe empor, aus der ein so reicher Segen auf Gerechte und Un¬
gerechte herabgekommen war. Pancratius, in dessen Riesenkörper das Gemüt eines
Kindes wohnte, und der sein gutes Herz auch in dieser kriegerischen Zeit nicht ver¬
leugnete, empfand mit der Jammergestalt dort unten aufrichtiges Mitleid. Dieser
Man, den das Schicksal ausersehen hatte, auf jene historische Frage in der Sprache
Latinas die historische Antwort zu geben, er sollte darben, während das genieine
Kriegsvolk im Überflusse schwelgte! Das durfte uicht geschehn. Gab es im Himmel
keine Gerechtigkeit mehr, er, Pancratius Sackmann aus Denn wußte, was er zu
thun hatte! Er eilte in die Vorratskammer, wählte ans dem, was ihm geblieben
war, den größten Schwartemcigen aus, kehrte zum Fenster zurück und warf ihn
dem freudig Erschrocknen vor die Füße. Dieser raffte ihn auf, suchte und fand den


pancratlus Laxitolinus

Kampf, nicht um geduldiges Leiden zu thun. Er überlegte, ob er wohl einen Ausfall
wagen dürfe, sagte sich aber schließlich selbst, daß er bei einem solchen Wagnis nicht
nur das eigne Leben, sondern auch das Besitztum seines Herrn zwecklos auf das
Spiel setzen würde.

An Vorräten zum Teil sehr appetitlicher Natur fehlte es Pancratius, wie wir
wissen, nicht. Es galt uun, hiervon auch die Belagerer zu überzeugen. Er durfte
seine Würste und Schinken, sein Sauerkraut und seine Stockfische nicht unter den
Scheffel stellen. Ani dem Feinde einen Begriff von seinen kulinarischen Schätzen
zu geben, beschloß er eine große Ausstellung der schönsten Piecen der Vorratskammer
zu veranstalten. Zu diesem Zwecke zog er von einem Mansardenfenster zum andern
einen starken Strick, spannte ihn so straff wie möglich und behängte ihn mit den
auserlesensten Stücken. In lieblicher Abwechslung prangten, durch Fleischhaken um
Stricke befestigt, Speckseiten, Würste und Schinken ans der dunkeln Hnuswand, ver¬
goldet vom Scheine der Abendsonne, die, gleichsam als wollte auch sie sich an diesen
Meisterwerken der schöpferischen Nntnr erfreuen, kurz vor ihrem Untergange aus
den Wolken brach.

Kurz vor ihrem Untergange! Während wir diese vier Worte niederschreiben,
überfällt uus eine bange Ahnung. Hat die Muse, deren Inspiration wir unsre
Feder leihn, mich wirklich mir den Untergang der Sonne gemeint? Onon non
ireeixiinus!

Die Nacht verfloß still und ereignislos. Pnneratius blieb ans seinem Posten
und schlief erst gegen Morgen ein. Da! Was war das? Aus dem Hofe schallten
plötzlich Gewehrsälven. Gingen die Belagerer zum Sturm über? War ihnen eine
Entsatzarmee in den Rücken gefallen? Unser Freund griff zur Entenflinte und
stürzte halb schlaftrunken ans Fenster. Er sah wohl zehn Gewehrmündungcn nach
oben gerichtet. Griffen die Götter selbst in den Kampf ein? Waren Retter in
einer Montgölfiere erschienen? Glaubten die Gallier, durch irgend eine Sinnes-
täuschung verwirrt, auf dem Dache der Burg Verteidiger zu sehen? Ju diesem
Augenblick krachte eine neue Salve, und vom Triumphgeschrei der Barbaren be¬
grüßt prasselte ein ganzer Regen von Schinken, Würsten und Speckseiten in den Hof
hinab. Jetzt wurde dem Belagerten verständlich, welchem Ziele die Salven ge¬
golten hatten. Die tückische« Gegner hatten den Strick durchschossen, der Pancratius
köstlichsten Besitz getragen hatte! Nun mußte er zusehen, wie beutegierige Vandalen
sich um all die schönen Dinge balgten, mit denen er sein Dasein noch wvchen-
uud monatelang zu fristen gehofft hatte. Was sind Vorsätze, was sind Entwürfe!

Ohne an seine eigne Sicherheit zu denken, die in dieser Minute freilich auch
weniger gefährdet war als je, blieb unser Freund am Fenster stehn und schaute
auf das Gewirr raffender Hände hinab. In diesem Gewirr waren zwei zu kurz
gekommen, und diese zwei gehörten dem Friedensengel. Eine Leberwurst, die er
nach heißem Ringen glücklich erhascht hatte, wurde ihm mit brutaler Gewalt buch¬
stäblich vor dem Munde weggerissen. Ohne Püffe ging es ohnehin nicht ab, und
so stand der arme Flachskopf, seines Raubes beraubt, mitten im Hofe und schaute
wehmütig zu der Höhe empor, aus der ein so reicher Segen auf Gerechte und Un¬
gerechte herabgekommen war. Pancratius, in dessen Riesenkörper das Gemüt eines
Kindes wohnte, und der sein gutes Herz auch in dieser kriegerischen Zeit nicht ver¬
leugnete, empfand mit der Jammergestalt dort unten aufrichtiges Mitleid. Dieser
Man, den das Schicksal ausersehen hatte, auf jene historische Frage in der Sprache
Latinas die historische Antwort zu geben, er sollte darben, während das genieine
Kriegsvolk im Überflusse schwelgte! Das durfte uicht geschehn. Gab es im Himmel
keine Gerechtigkeit mehr, er, Pancratius Sackmann aus Denn wußte, was er zu
thun hatte! Er eilte in die Vorratskammer, wählte ans dem, was ihm geblieben
war, den größten Schwartemcigen aus, kehrte zum Fenster zurück und warf ihn
dem freudig Erschrocknen vor die Füße. Dieser raffte ihn auf, suchte und fand den


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[0524] pancratlus Laxitolinus Kampf, nicht um geduldiges Leiden zu thun. Er überlegte, ob er wohl einen Ausfall wagen dürfe, sagte sich aber schließlich selbst, daß er bei einem solchen Wagnis nicht nur das eigne Leben, sondern auch das Besitztum seines Herrn zwecklos auf das Spiel setzen würde. An Vorräten zum Teil sehr appetitlicher Natur fehlte es Pancratius, wie wir wissen, nicht. Es galt uun, hiervon auch die Belagerer zu überzeugen. Er durfte seine Würste und Schinken, sein Sauerkraut und seine Stockfische nicht unter den Scheffel stellen. Ani dem Feinde einen Begriff von seinen kulinarischen Schätzen zu geben, beschloß er eine große Ausstellung der schönsten Piecen der Vorratskammer zu veranstalten. Zu diesem Zwecke zog er von einem Mansardenfenster zum andern einen starken Strick, spannte ihn so straff wie möglich und behängte ihn mit den auserlesensten Stücken. In lieblicher Abwechslung prangten, durch Fleischhaken um Stricke befestigt, Speckseiten, Würste und Schinken ans der dunkeln Hnuswand, ver¬ goldet vom Scheine der Abendsonne, die, gleichsam als wollte auch sie sich an diesen Meisterwerken der schöpferischen Nntnr erfreuen, kurz vor ihrem Untergange aus den Wolken brach. Kurz vor ihrem Untergange! Während wir diese vier Worte niederschreiben, überfällt uus eine bange Ahnung. Hat die Muse, deren Inspiration wir unsre Feder leihn, mich wirklich mir den Untergang der Sonne gemeint? Onon non ireeixiinus! Die Nacht verfloß still und ereignislos. Pnneratius blieb ans seinem Posten und schlief erst gegen Morgen ein. Da! Was war das? Aus dem Hofe schallten plötzlich Gewehrsälven. Gingen die Belagerer zum Sturm über? War ihnen eine Entsatzarmee in den Rücken gefallen? Unser Freund griff zur Entenflinte und stürzte halb schlaftrunken ans Fenster. Er sah wohl zehn Gewehrmündungcn nach oben gerichtet. Griffen die Götter selbst in den Kampf ein? Waren Retter in einer Montgölfiere erschienen? Glaubten die Gallier, durch irgend eine Sinnes- täuschung verwirrt, auf dem Dache der Burg Verteidiger zu sehen? Ju diesem Augenblick krachte eine neue Salve, und vom Triumphgeschrei der Barbaren be¬ grüßt prasselte ein ganzer Regen von Schinken, Würsten und Speckseiten in den Hof hinab. Jetzt wurde dem Belagerten verständlich, welchem Ziele die Salven ge¬ golten hatten. Die tückische« Gegner hatten den Strick durchschossen, der Pancratius köstlichsten Besitz getragen hatte! Nun mußte er zusehen, wie beutegierige Vandalen sich um all die schönen Dinge balgten, mit denen er sein Dasein noch wvchen- uud monatelang zu fristen gehofft hatte. Was sind Vorsätze, was sind Entwürfe! Ohne an seine eigne Sicherheit zu denken, die in dieser Minute freilich auch weniger gefährdet war als je, blieb unser Freund am Fenster stehn und schaute auf das Gewirr raffender Hände hinab. In diesem Gewirr waren zwei zu kurz gekommen, und diese zwei gehörten dem Friedensengel. Eine Leberwurst, die er nach heißem Ringen glücklich erhascht hatte, wurde ihm mit brutaler Gewalt buch¬ stäblich vor dem Munde weggerissen. Ohne Püffe ging es ohnehin nicht ab, und so stand der arme Flachskopf, seines Raubes beraubt, mitten im Hofe und schaute wehmütig zu der Höhe empor, aus der ein so reicher Segen auf Gerechte und Un¬ gerechte herabgekommen war. Pancratius, in dessen Riesenkörper das Gemüt eines Kindes wohnte, und der sein gutes Herz auch in dieser kriegerischen Zeit nicht ver¬ leugnete, empfand mit der Jammergestalt dort unten aufrichtiges Mitleid. Dieser Man, den das Schicksal ausersehen hatte, auf jene historische Frage in der Sprache Latinas die historische Antwort zu geben, er sollte darben, während das genieine Kriegsvolk im Überflusse schwelgte! Das durfte uicht geschehn. Gab es im Himmel keine Gerechtigkeit mehr, er, Pancratius Sackmann aus Denn wußte, was er zu thun hatte! Er eilte in die Vorratskammer, wählte ans dem, was ihm geblieben war, den größten Schwartemcigen aus, kehrte zum Fenster zurück und warf ihn dem freudig Erschrocknen vor die Füße. Dieser raffte ihn auf, suchte und fand den

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/524>, abgerufen am 24.08.2024.