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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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tigem Nachtmarsch, unausgesetzt von den Posten angerufen. Gegen Morgen
treffe ich bei dem Obersten des kanadischen Regiments ein, dessen Leute mich
gefangen genommen hatten. Die Offiziere fitzen vor einem Farmhaus gerade
bei dem Frühstück, als ich vorgeführt werde. Es erfolgt eine eingehende Ver¬
nehmung mit allerhand Kreuz- und Querfragen, Ich bleibe dabei, daß ich
ein Bure sei, der sein davougelanfnes Pferd verfolgt habe. Ich sage aus, daß
die eingeschlossenen Buren mit Lebensmitteln und Munition in Hülle und Fülle
Versehen seien, was auch wahr war, und daß sie sich noch viele Tage halten
könnten und auch wollten. Man giebt mir darauf mein Eigentum bis auf die
Waffen zurück, meine Briefe erst, nachdem mau sie gelesen hat. Die Behand¬
lung seitens der Offiziere war liebenswürdig; man lud mich sogar zur Teil¬
nahme am Frühstück ein, und mehr aus Höflichkeit als aus Hunger "ahn ich
eine Tasse Thee und einen Biskuit.

Als das Regiment aufbrach, wurde ich in ein Zimmer des Farmhanscs
eingeschlossen, eine Schildwache kam zu mir, eine andre trat vor das Haus.
Erst am Nachmittag wurde ich ius englische Hauptlager befördert. In einem
Nachen setzte man mich über den Modderflnß, dann ging es in einer halben
Stunde zum Lager, fortwährend der Neugier und dem einigen Verhör aus¬
gesetzt. Im Lager wurde ich zu den in den letzten Tagen gefangnen Buren
geführt, siebenunddreißig fast ausschließlich verwundeten Leuten, die mich gegen
meinen Willen ius Gespräch zöge". Als es bekannt wird, daß ich Englisch spreche,
kommen von dein dicht vor uns liegenden Kopje, auf dem der optische Telegraph
stand, englische Offiziere zu mir. Wir besprechen natürlich den Krieg und die
Ereignisse der letzten Zeit. Ein Major, der sich besonders liebenswürdig gegen
mich zeigt, sagt mir, sie hätten auch ihre eignen Ansichten über die Ursachen
des Kriegs, da aber um einmal Krieg sei, müßten sie dem Befehle nachkommen.
Da erhebt sich plötzlich ein Lärm: Crouje habe sich soeben ergeben, heißt
es, und der Major schüttelt mir die Hand mit den Worten: "Wenn wir uns
im Leben wiedersehen, dann hoffentlich als Freunde." Ich erkläre noch die
Meldung für unmöglich richtig, als er sich mit zuversichtlichen Lächeln weg-
begiebt. Es dauerte noch keine Stunde, als der Major mit verschiednen Offi¬
zieren wieder an mir vorbeikommt. "Sie haben doch Recht gehabt," rief er
mir zu, "der Heliograph ist falsch abgelesen worden." Die Nacht verbrachte
ich im Lager. Ich litt darunter, denn sie war kalt, und ich hatte weder eine
Decke noch einen Regenmantel, um mich und meine Kleider vor niedergehenden
Regenschauern zu schützen.

Am dritten Tage wurden wir den Fluß abwärts nach Mvdderriverstation
geführt. Zwei Tage dauert der Marsch. Meine Bekleidung leidet sehr, meine
Stiefel sind durchgelaufen. Eine Schonung der Gefangnen auf diesem Marsche
giebt es uicht. Als wir von der ausgefahrnen, schmutzigen Straße herunter und
neben ihr hergehu, ruft ein vornehmer Offizier der Cith Imperial Volunteers
seinen Leuten näselnd zu: vo 70a ösoort tho xrisoneriZ or do tlro priMnsrs
vsoort, xou? So treibt man uns wieder auf die fast ungangbare Straße. Später


tigem Nachtmarsch, unausgesetzt von den Posten angerufen. Gegen Morgen
treffe ich bei dem Obersten des kanadischen Regiments ein, dessen Leute mich
gefangen genommen hatten. Die Offiziere fitzen vor einem Farmhaus gerade
bei dem Frühstück, als ich vorgeführt werde. Es erfolgt eine eingehende Ver¬
nehmung mit allerhand Kreuz- und Querfragen, Ich bleibe dabei, daß ich
ein Bure sei, der sein davougelanfnes Pferd verfolgt habe. Ich sage aus, daß
die eingeschlossenen Buren mit Lebensmitteln und Munition in Hülle und Fülle
Versehen seien, was auch wahr war, und daß sie sich noch viele Tage halten
könnten und auch wollten. Man giebt mir darauf mein Eigentum bis auf die
Waffen zurück, meine Briefe erst, nachdem mau sie gelesen hat. Die Behand¬
lung seitens der Offiziere war liebenswürdig; man lud mich sogar zur Teil¬
nahme am Frühstück ein, und mehr aus Höflichkeit als aus Hunger »ahn ich
eine Tasse Thee und einen Biskuit.

Als das Regiment aufbrach, wurde ich in ein Zimmer des Farmhanscs
eingeschlossen, eine Schildwache kam zu mir, eine andre trat vor das Haus.
Erst am Nachmittag wurde ich ius englische Hauptlager befördert. In einem
Nachen setzte man mich über den Modderflnß, dann ging es in einer halben
Stunde zum Lager, fortwährend der Neugier und dem einigen Verhör aus¬
gesetzt. Im Lager wurde ich zu den in den letzten Tagen gefangnen Buren
geführt, siebenunddreißig fast ausschließlich verwundeten Leuten, die mich gegen
meinen Willen ius Gespräch zöge». Als es bekannt wird, daß ich Englisch spreche,
kommen von dein dicht vor uns liegenden Kopje, auf dem der optische Telegraph
stand, englische Offiziere zu mir. Wir besprechen natürlich den Krieg und die
Ereignisse der letzten Zeit. Ein Major, der sich besonders liebenswürdig gegen
mich zeigt, sagt mir, sie hätten auch ihre eignen Ansichten über die Ursachen
des Kriegs, da aber um einmal Krieg sei, müßten sie dem Befehle nachkommen.
Da erhebt sich plötzlich ein Lärm: Crouje habe sich soeben ergeben, heißt
es, und der Major schüttelt mir die Hand mit den Worten: „Wenn wir uns
im Leben wiedersehen, dann hoffentlich als Freunde." Ich erkläre noch die
Meldung für unmöglich richtig, als er sich mit zuversichtlichen Lächeln weg-
begiebt. Es dauerte noch keine Stunde, als der Major mit verschiednen Offi¬
zieren wieder an mir vorbeikommt. „Sie haben doch Recht gehabt," rief er
mir zu, „der Heliograph ist falsch abgelesen worden." Die Nacht verbrachte
ich im Lager. Ich litt darunter, denn sie war kalt, und ich hatte weder eine
Decke noch einen Regenmantel, um mich und meine Kleider vor niedergehenden
Regenschauern zu schützen.

Am dritten Tage wurden wir den Fluß abwärts nach Mvdderriverstation
geführt. Zwei Tage dauert der Marsch. Meine Bekleidung leidet sehr, meine
Stiefel sind durchgelaufen. Eine Schonung der Gefangnen auf diesem Marsche
giebt es uicht. Als wir von der ausgefahrnen, schmutzigen Straße herunter und
neben ihr hergehu, ruft ein vornehmer Offizier der Cith Imperial Volunteers
seinen Leuten näselnd zu: vo 70a ösoort tho xrisoneriZ or do tlro priMnsrs
vsoort, xou? So treibt man uns wieder auf die fast ungangbare Straße. Später


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/333>, abgerufen am 22.07.2024.