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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Die ersten Lebenszeichen der Neuen Bachgesellschaft

Versicherungsgesetzes bewegen, und auf dieser durch seine hohen Ziele und Auf
gaben gegebnen Grundlinie muß eine alle Parteien, die Unternehmer, Arbeiter,
Ärzte und Kassenbeamte versöhnende Lösung gefunden werdend)




Die ersten Lebenszeichen der Neuen Bachgesellschast

^lie Neue Bachgesellschnst, über deren Gründung und Zweck die
Leser seiner Zeit unterrichtet worden siud, hat kürzlich ihre ersten
Hefte veröffentlicht und ihr erstes Wachsest abgehalten, ihre öffent¬
liche Thätigkeit also begonnen.

Die Hefte bringen fünfundsiebzig von Sebastian Bach kom¬
ponierte oder bearbeitete geistliche Lieder und Arien in doppelter Form. Das
erste Heft legt sie als Sologesänge mit Begleitung des Klaviers (auch für
Harmonium oder Orgel zu gebrauchen), das zweite als vierstimmige Chvr-
gesänge vor. Die Quellen dafür sind das Schemellische Gesangbuch und das
zweite "Notenbuch" von Anna Magdalena Bach, des Komponisten zweiter
Frau. Aus Schemelli stammen neunundsechzig, ans dem Notenbuch sechs
Stück. An beiden Stellen sind sie in dein abgekürzten Stil des achtzehnten
Jahrhunderts notiert, d. h. im zweistimmigen Satz: Sopran und Baß. Und
so sind sie im Laufe unsers Jahrhunderts wiederholt, zuletzt noch in der Bach¬
ausgabe (39. Jahrgang) nengedruckt worden. Auch jeder bessere Dilettant ver¬
stand sich zu Bachs Zeit darauf, den Baß bei leichtern Kompositionen vom
Blatt "auszusetzen," durch volle Harmonien und Kontrapunkte zu ergänzen.
Die zahlreichen Sammlungen deutscher Lieder, die wir von den dreißiger
Jahren des siebzehnten Jahrhunderts ab besitzen, sind alle in dieser unvoll¬
ständigen Weise gedruckt; erst als sich am Ende deö achtzehnten Jahrhunderts
die Berliner Schule an die große Menge wendet, wird allmählich der be¬
zifferte Baß durch ein ausgeführtes Accompagnement ersetzt, die Klavierpartie
ans zwei Systemen, so wie sie klingen sollte, mitgeteilt. Von da ab ist die
Kunst nach dem bloßen Baß zu spiele" in Laienkreisen mehr und mehr aus¬
gestorben, infolgedessen sind auch die originalgetreuen Neudrucke der Bachschen
Lieder fast gänzlich unbenutzt geblieben, und Bachs Beiträge zu Schemellis
Gesnugbuch habe" el" bloß sagenhaftes Dasein geführt. Es war ein glück¬
licher Gedanke der Neuen Bachgesellschaft, hier einzugreifen lind ihren Mit¬
gliedern diesen Schatz geistlicher Hausmnsik in der Fassung vorzulegen, in
der ihn die Gegenwart einzig gebrauchen kann. Denn die Hausmusik ist



^) Die Znhleunngabeu sind entnouunen der "Statistik des Deutschen Reichs/' heraus-
gegeben vom Kaiserlichen Sintistischen Amt. Neue Folge. Band 1896.
Die ersten Lebenszeichen der Neuen Bachgesellschaft

Versicherungsgesetzes bewegen, und auf dieser durch seine hohen Ziele und Auf
gaben gegebnen Grundlinie muß eine alle Parteien, die Unternehmer, Arbeiter,
Ärzte und Kassenbeamte versöhnende Lösung gefunden werdend)




Die ersten Lebenszeichen der Neuen Bachgesellschast

^lie Neue Bachgesellschnst, über deren Gründung und Zweck die
Leser seiner Zeit unterrichtet worden siud, hat kürzlich ihre ersten
Hefte veröffentlicht und ihr erstes Wachsest abgehalten, ihre öffent¬
liche Thätigkeit also begonnen.

Die Hefte bringen fünfundsiebzig von Sebastian Bach kom¬
ponierte oder bearbeitete geistliche Lieder und Arien in doppelter Form. Das
erste Heft legt sie als Sologesänge mit Begleitung des Klaviers (auch für
Harmonium oder Orgel zu gebrauchen), das zweite als vierstimmige Chvr-
gesänge vor. Die Quellen dafür sind das Schemellische Gesangbuch und das
zweite „Notenbuch" von Anna Magdalena Bach, des Komponisten zweiter
Frau. Aus Schemelli stammen neunundsechzig, ans dem Notenbuch sechs
Stück. An beiden Stellen sind sie in dein abgekürzten Stil des achtzehnten
Jahrhunderts notiert, d. h. im zweistimmigen Satz: Sopran und Baß. Und
so sind sie im Laufe unsers Jahrhunderts wiederholt, zuletzt noch in der Bach¬
ausgabe (39. Jahrgang) nengedruckt worden. Auch jeder bessere Dilettant ver¬
stand sich zu Bachs Zeit darauf, den Baß bei leichtern Kompositionen vom
Blatt „auszusetzen," durch volle Harmonien und Kontrapunkte zu ergänzen.
Die zahlreichen Sammlungen deutscher Lieder, die wir von den dreißiger
Jahren des siebzehnten Jahrhunderts ab besitzen, sind alle in dieser unvoll¬
ständigen Weise gedruckt; erst als sich am Ende deö achtzehnten Jahrhunderts
die Berliner Schule an die große Menge wendet, wird allmählich der be¬
zifferte Baß durch ein ausgeführtes Accompagnement ersetzt, die Klavierpartie
ans zwei Systemen, so wie sie klingen sollte, mitgeteilt. Von da ab ist die
Kunst nach dem bloßen Baß zu spiele» in Laienkreisen mehr und mehr aus¬
gestorben, infolgedessen sind auch die originalgetreuen Neudrucke der Bachschen
Lieder fast gänzlich unbenutzt geblieben, und Bachs Beiträge zu Schemellis
Gesnugbuch habe« el» bloß sagenhaftes Dasein geführt. Es war ein glück¬
licher Gedanke der Neuen Bachgesellschaft, hier einzugreifen lind ihren Mit¬
gliedern diesen Schatz geistlicher Hausmnsik in der Fassung vorzulegen, in
der ihn die Gegenwart einzig gebrauchen kann. Denn die Hausmusik ist



^) Die Znhleunngabeu sind entnouunen der „Statistik des Deutschen Reichs/' heraus-
gegeben vom Kaiserlichen Sintistischen Amt. Neue Folge. Band 1896.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/323>, abgerufen am 22.07.2024.