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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Mit den Buren im Felde

Knallen der Peitschen, ein wüstes Schimpfen und Schreien über die entstandne
Stockung verhinderten einen, sein eignes Wort zu verstehn. Trotz der Nähe des
Ausgangs sah ich keine Möglichkeit, so bald ins freie Feld hinauszukommen.
Ich ging deshalb zu meinem Wagen zurück, ergriff den Leitochsen am Strick
und befahl dem Kaffern, mich dahin zu führen, wo er zur Mulde hinein¬
gefahren sei. Nach diesem einzigen, nach dem Feinde zu liegenden aber offne"
Ausgange der Mulde schlängelte ich mich mit dem Wagen durch, bald von
andern gefolgt. Wir fuhren dann um die Pfanne, An den Munitionslagern
machten wir noch einen kurzen Halt und luden einige Kisten Patronen auf.

Inzwischen our der versperrte Ausgang wieder frei geworden, und der
allgemeine Rückzug begann. Immer eiliger wurde der Schritt, bald war es
kein Rückzug mehr, sondern Flucht, Flucht in voller Panik. Zu sechs, zu acht,
zu zehn, zu so viel Wagen als nebeneinander Platz fanden und nnter ewigem
Antreiben der Ochsen ging es die. Nacht hindurch zurück. Wo die Wagen in¬
einander fuhren, wo sie auch nur eine geringfügige Beschädigung erlitten, hielt
man sich mit der Reparatur gar nicht mehr auf. Die Ochsen wurden aus¬
gespannt und "veiter getrieben. So ging die Jagd rückwärts bis zum Morgen,
als wir im Rücken Artilleriefell er erhielten. Nun hebt wieder ein Höllenlärm
bei den Wagen an, ein Drängeln, bis wir eine Hügelkette erreichen, die uns
dem feindlichen Feuer entzieht. Gegen Mittag sind wir dicht an dem Modder¬
fluß hinter einem großen Kopje unweit der Klipkraalsdrift angekommen, wo
Halt gemacht und ausgespannt wird. Die Leute werden in den Fluß geschickt,
der in scharfem Bogen eine Schleife um einen großen Teil unsers Kopjes
zieht. Man fürchtet einen Angriff von der Drift aus und will sich durch Be¬
setzung des Flußufers decken. In einer gegen den Feind zu vorspringenden
Uferecke des jenseitigen Ufers gehe ich mit einem Dutzend Buren vor, um das
Vorgelände besser übersehen zu können. Wenig hundert Schritte vor uus
liegt eine kleine Farm mit Haus und einem sich daranschließenden Kraal.
Von dort erhalten wir Feuer, während wir die Staubwolken marschierender
feindlicher Infanteriekolonnen beobachten. Wir fordern unsre Leute, von denen
mindestens tausend Mann im Flußbette stehn, auf, sich uns zu einem Angriff
auf die Farm anzuschließen, aber, traurig genug, nur wenige folgen der Auf-
forderung. Es schien, als Hütten die sonst so tapfern Leute, seitdem sie ohne
Pferde waren, ihren Mut verloren. So gehn wir denn allein gegen das
Häuschen vor, aus dem sich der etwa fünfzig Mann starke Feind, wohl eine
Seitendeckung der Hauptkolonne, eiligst längs der Mauer des Kraals davon
macht. Haus und Kraal werden abgesucht, doch finden wir niemand außer einigen
Toten und Verwundeten. Wir folgen nun den abziehenden Engländern bis
zu einer Höhe, auf der wir nnter dem feindlichen Artilleriefeuer eiuen Mann
verlieren.

Bei eintretender Dunkelheit geht es zum Lager zurück, das sich zum Auf¬
bruch anschickt. Nun rücke" nur wieder die ganze Nacht hindurch flußauf¬
wärts, bis wir am 18. Februar gegen Mittag dicht um Modderriver unweit


Mit den Buren im Felde

Knallen der Peitschen, ein wüstes Schimpfen und Schreien über die entstandne
Stockung verhinderten einen, sein eignes Wort zu verstehn. Trotz der Nähe des
Ausgangs sah ich keine Möglichkeit, so bald ins freie Feld hinauszukommen.
Ich ging deshalb zu meinem Wagen zurück, ergriff den Leitochsen am Strick
und befahl dem Kaffern, mich dahin zu führen, wo er zur Mulde hinein¬
gefahren sei. Nach diesem einzigen, nach dem Feinde zu liegenden aber offne»
Ausgange der Mulde schlängelte ich mich mit dem Wagen durch, bald von
andern gefolgt. Wir fuhren dann um die Pfanne, An den Munitionslagern
machten wir noch einen kurzen Halt und luden einige Kisten Patronen auf.

Inzwischen our der versperrte Ausgang wieder frei geworden, und der
allgemeine Rückzug begann. Immer eiliger wurde der Schritt, bald war es
kein Rückzug mehr, sondern Flucht, Flucht in voller Panik. Zu sechs, zu acht,
zu zehn, zu so viel Wagen als nebeneinander Platz fanden und nnter ewigem
Antreiben der Ochsen ging es die. Nacht hindurch zurück. Wo die Wagen in¬
einander fuhren, wo sie auch nur eine geringfügige Beschädigung erlitten, hielt
man sich mit der Reparatur gar nicht mehr auf. Die Ochsen wurden aus¬
gespannt und »veiter getrieben. So ging die Jagd rückwärts bis zum Morgen,
als wir im Rücken Artilleriefell er erhielten. Nun hebt wieder ein Höllenlärm
bei den Wagen an, ein Drängeln, bis wir eine Hügelkette erreichen, die uns
dem feindlichen Feuer entzieht. Gegen Mittag sind wir dicht an dem Modder¬
fluß hinter einem großen Kopje unweit der Klipkraalsdrift angekommen, wo
Halt gemacht und ausgespannt wird. Die Leute werden in den Fluß geschickt,
der in scharfem Bogen eine Schleife um einen großen Teil unsers Kopjes
zieht. Man fürchtet einen Angriff von der Drift aus und will sich durch Be¬
setzung des Flußufers decken. In einer gegen den Feind zu vorspringenden
Uferecke des jenseitigen Ufers gehe ich mit einem Dutzend Buren vor, um das
Vorgelände besser übersehen zu können. Wenig hundert Schritte vor uus
liegt eine kleine Farm mit Haus und einem sich daranschließenden Kraal.
Von dort erhalten wir Feuer, während wir die Staubwolken marschierender
feindlicher Infanteriekolonnen beobachten. Wir fordern unsre Leute, von denen
mindestens tausend Mann im Flußbette stehn, auf, sich uns zu einem Angriff
auf die Farm anzuschließen, aber, traurig genug, nur wenige folgen der Auf-
forderung. Es schien, als Hütten die sonst so tapfern Leute, seitdem sie ohne
Pferde waren, ihren Mut verloren. So gehn wir denn allein gegen das
Häuschen vor, aus dem sich der etwa fünfzig Mann starke Feind, wohl eine
Seitendeckung der Hauptkolonne, eiligst längs der Mauer des Kraals davon
macht. Haus und Kraal werden abgesucht, doch finden wir niemand außer einigen
Toten und Verwundeten. Wir folgen nun den abziehenden Engländern bis
zu einer Höhe, auf der wir nnter dem feindlichen Artilleriefeuer eiuen Mann
verlieren.

Bei eintretender Dunkelheit geht es zum Lager zurück, das sich zum Auf¬
bruch anschickt. Nun rücke» nur wieder die ganze Nacht hindurch flußauf¬
wärts, bis wir am 18. Februar gegen Mittag dicht um Modderriver unweit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/282>, abgerufen am 01.07.2024.