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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Galopp bis zum nächsten rückwärts liegenden Hanse. Ein Schlag auf den Hals
des Pferdes, es steht sofort still, man springt ab und schießt auf die wohl
auch schon von andrer Seite in das Dorf gedrungnen Feinde. Dann geht es
wieder auf das Pferd hinauf und weiter, immer hinauf und hinab, wo sich
eine Gelegenheit bietet, einen guten Schuß anzubringen, an Hausenten, Mauern
und dergleichen. Diese Art des Kampfes in dem Orte selbst hatte etwas auf¬
regendes und wildes, wenigstens steht es mir so in Erinnerung. Hinter dem
letzten Hause des Dorfes ging es mit äußerster Anstrengung des Pferdes unter
heftigem Verfolgungsfeuer zum nächsten Kopfe, dort wurde" wir heftig aber
vollständig wirkungslos mir von der Artillerie beschossen.

Hinter dem Kopfe sammelte Oven Tom unser Kommando; wir waren immer
noch mit ihm einundzwanzig Mann, hatten also niemand verloren. Im Schritt
ging es dann auf immer matter werdendem Pferde nördlich nach Rondaveldrift
und dnrch die Furt über den Moddcrflnß. Hinter einem am Flußufer liegenden
Kopfe verbrachten wir die Nacht vom 15. zum 16. Februar so ermattet, daß
wir, obgleich uoch seit frühstem Morgen nüchtern, doch nichts zu essen ver¬
mochten. Meine Stimmung war schlecht. Wir hörten zwar, daß unser Lager
bei Magersfontein endlich aufgebrochen aber nicht weit genug zurückgegangen
sei, uns die Aussicht auf ein Durchkommen zu eröffnen. Nach wenig Meilen
hatte es wieder Halt gemacht, während unsre Hauptmacht immer noch die
Magcrsfonteiner Stellung hielt. Auf die Nachricht eines Rapportgüngers,
die weiter rückwärts von uns liegende Klipdrift sei in Gefahr, von den Eng¬
ländern besetzt zu werden, ordnete Oven Tour aus eigner Initiative an, der
Besetzung dieses Modderflnßübergangs zuvorzukommen. Wir beschleunigten
unsern Ritt, erfuhren jedoch an der Drift angekommen, daß die ganze Kavallerie
des Generals French am Tage vorher die Drift passiert habe und, wie sich
später bestätigte, auf Kimbcrleh weiter gegangen sei. Die Furt selbst fanden
wir gegen die nachrückende feindliche Infanterie von Leuten des Lagers besetzt;
aber nur ein Teil von vierzig bis fünfzig Mann schien die Verteidigung ernst
zu nehmen, denn der größere Teil von dreihundert bis vierhundert Buren
drückte sich in dein die herrlichste Deckung bietenden Flußbette herum..

Unser kleines Kommando ging durch die Drift auf das südliche Ufer bis
zu einem. Kopfe vor. Von dort ans sahen wir ans die langen Linien der
flußanfwürts marschierenden englischen Jnfnntericmasscn. Als die Engländer
in ihrer linken Flanke unser auf kaum 800 Meter abgegebnes Feuer erhielten,
entwickelte sich sofort ein Teil der Infanterie gegen unsre Stellung. Bei Ge¬
legenheit dieses Scharmützels wurde ich zum erstenmal über die Rücksichts¬
losigkeit und geringe Kameradschaft der Buren erbittert. Wir hatten die an¬
rückenden feindlichen Schützen nnter heftiges Feuer genommen, als mir plötzlich
auffällt, daß ich neben mir keine Schüsse mehr fallen höre. Ich sehe mich um
und finde mich noch ganz allein auf dem Kopje; die Kameraden waren, ohne
mich davon in Kenntnis zu setzen, aufgesessen und abgerückt. Die Gefahr des
Gefangenwerdens sofort erkennend, springe ich zurück, eile im Sturmschritt den


Galopp bis zum nächsten rückwärts liegenden Hanse. Ein Schlag auf den Hals
des Pferdes, es steht sofort still, man springt ab und schießt auf die wohl
auch schon von andrer Seite in das Dorf gedrungnen Feinde. Dann geht es
wieder auf das Pferd hinauf und weiter, immer hinauf und hinab, wo sich
eine Gelegenheit bietet, einen guten Schuß anzubringen, an Hausenten, Mauern
und dergleichen. Diese Art des Kampfes in dem Orte selbst hatte etwas auf¬
regendes und wildes, wenigstens steht es mir so in Erinnerung. Hinter dem
letzten Hause des Dorfes ging es mit äußerster Anstrengung des Pferdes unter
heftigem Verfolgungsfeuer zum nächsten Kopfe, dort wurde» wir heftig aber
vollständig wirkungslos mir von der Artillerie beschossen.

Hinter dem Kopfe sammelte Oven Tom unser Kommando; wir waren immer
noch mit ihm einundzwanzig Mann, hatten also niemand verloren. Im Schritt
ging es dann auf immer matter werdendem Pferde nördlich nach Rondaveldrift
und dnrch die Furt über den Moddcrflnß. Hinter einem am Flußufer liegenden
Kopfe verbrachten wir die Nacht vom 15. zum 16. Februar so ermattet, daß
wir, obgleich uoch seit frühstem Morgen nüchtern, doch nichts zu essen ver¬
mochten. Meine Stimmung war schlecht. Wir hörten zwar, daß unser Lager
bei Magersfontein endlich aufgebrochen aber nicht weit genug zurückgegangen
sei, uns die Aussicht auf ein Durchkommen zu eröffnen. Nach wenig Meilen
hatte es wieder Halt gemacht, während unsre Hauptmacht immer noch die
Magcrsfonteiner Stellung hielt. Auf die Nachricht eines Rapportgüngers,
die weiter rückwärts von uns liegende Klipdrift sei in Gefahr, von den Eng¬
ländern besetzt zu werden, ordnete Oven Tour aus eigner Initiative an, der
Besetzung dieses Modderflnßübergangs zuvorzukommen. Wir beschleunigten
unsern Ritt, erfuhren jedoch an der Drift angekommen, daß die ganze Kavallerie
des Generals French am Tage vorher die Drift passiert habe und, wie sich
später bestätigte, auf Kimbcrleh weiter gegangen sei. Die Furt selbst fanden
wir gegen die nachrückende feindliche Infanterie von Leuten des Lagers besetzt;
aber nur ein Teil von vierzig bis fünfzig Mann schien die Verteidigung ernst
zu nehmen, denn der größere Teil von dreihundert bis vierhundert Buren
drückte sich in dein die herrlichste Deckung bietenden Flußbette herum..

Unser kleines Kommando ging durch die Drift auf das südliche Ufer bis
zu einem. Kopfe vor. Von dort ans sahen wir ans die langen Linien der
flußanfwürts marschierenden englischen Jnfnntericmasscn. Als die Engländer
in ihrer linken Flanke unser auf kaum 800 Meter abgegebnes Feuer erhielten,
entwickelte sich sofort ein Teil der Infanterie gegen unsre Stellung. Bei Ge¬
legenheit dieses Scharmützels wurde ich zum erstenmal über die Rücksichts¬
losigkeit und geringe Kameradschaft der Buren erbittert. Wir hatten die an¬
rückenden feindlichen Schützen nnter heftiges Feuer genommen, als mir plötzlich
auffällt, daß ich neben mir keine Schüsse mehr fallen höre. Ich sehe mich um
und finde mich noch ganz allein auf dem Kopje; die Kameraden waren, ohne
mich davon in Kenntnis zu setzen, aufgesessen und abgerückt. Die Gefahr des
Gefangenwerdens sofort erkennend, springe ich zurück, eile im Sturmschritt den


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[0280] Galopp bis zum nächsten rückwärts liegenden Hanse. Ein Schlag auf den Hals des Pferdes, es steht sofort still, man springt ab und schießt auf die wohl auch schon von andrer Seite in das Dorf gedrungnen Feinde. Dann geht es wieder auf das Pferd hinauf und weiter, immer hinauf und hinab, wo sich eine Gelegenheit bietet, einen guten Schuß anzubringen, an Hausenten, Mauern und dergleichen. Diese Art des Kampfes in dem Orte selbst hatte etwas auf¬ regendes und wildes, wenigstens steht es mir so in Erinnerung. Hinter dem letzten Hause des Dorfes ging es mit äußerster Anstrengung des Pferdes unter heftigem Verfolgungsfeuer zum nächsten Kopfe, dort wurde» wir heftig aber vollständig wirkungslos mir von der Artillerie beschossen. Hinter dem Kopfe sammelte Oven Tom unser Kommando; wir waren immer noch mit ihm einundzwanzig Mann, hatten also niemand verloren. Im Schritt ging es dann auf immer matter werdendem Pferde nördlich nach Rondaveldrift und dnrch die Furt über den Moddcrflnß. Hinter einem am Flußufer liegenden Kopfe verbrachten wir die Nacht vom 15. zum 16. Februar so ermattet, daß wir, obgleich uoch seit frühstem Morgen nüchtern, doch nichts zu essen ver¬ mochten. Meine Stimmung war schlecht. Wir hörten zwar, daß unser Lager bei Magersfontein endlich aufgebrochen aber nicht weit genug zurückgegangen sei, uns die Aussicht auf ein Durchkommen zu eröffnen. Nach wenig Meilen hatte es wieder Halt gemacht, während unsre Hauptmacht immer noch die Magcrsfonteiner Stellung hielt. Auf die Nachricht eines Rapportgüngers, die weiter rückwärts von uns liegende Klipdrift sei in Gefahr, von den Eng¬ ländern besetzt zu werden, ordnete Oven Tour aus eigner Initiative an, der Besetzung dieses Modderflnßübergangs zuvorzukommen. Wir beschleunigten unsern Ritt, erfuhren jedoch an der Drift angekommen, daß die ganze Kavallerie des Generals French am Tage vorher die Drift passiert habe und, wie sich später bestätigte, auf Kimbcrleh weiter gegangen sei. Die Furt selbst fanden wir gegen die nachrückende feindliche Infanterie von Leuten des Lagers besetzt; aber nur ein Teil von vierzig bis fünfzig Mann schien die Verteidigung ernst zu nehmen, denn der größere Teil von dreihundert bis vierhundert Buren drückte sich in dein die herrlichste Deckung bietenden Flußbette herum.. Unser kleines Kommando ging durch die Drift auf das südliche Ufer bis zu einem. Kopfe vor. Von dort ans sahen wir ans die langen Linien der flußanfwürts marschierenden englischen Jnfnntericmasscn. Als die Engländer in ihrer linken Flanke unser auf kaum 800 Meter abgegebnes Feuer erhielten, entwickelte sich sofort ein Teil der Infanterie gegen unsre Stellung. Bei Ge¬ legenheit dieses Scharmützels wurde ich zum erstenmal über die Rücksichts¬ losigkeit und geringe Kameradschaft der Buren erbittert. Wir hatten die an¬ rückenden feindlichen Schützen nnter heftiges Feuer genommen, als mir plötzlich auffällt, daß ich neben mir keine Schüsse mehr fallen höre. Ich sehe mich um und finde mich noch ganz allein auf dem Kopje; die Kameraden waren, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen, aufgesessen und abgerückt. Die Gefahr des Gefangenwerdens sofort erkennend, springe ich zurück, eile im Sturmschritt den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/280>, abgerufen am 22.07.2024.