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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Händler und das Auswärtige Amt und schließlich das Staatsoberhaupt bei den
Unterhandlungen mit den auswärtigen Regierungen in hohem Grade gelähmt
und gehindert.

In der Kölnischen Zeitung konnte man allerdings vor kurzem lesen, daß
die "maßgebenden Mitglieder der Reichsregierung" (?), wie seit Monaten be¬
kannt sei, überzeugt wären, daß es für das Zustandekommen der Handelsver¬
träge von großem Vorteil sein würde, wenn die Erhöhungen der Getreidezölle,
die "diese Regierungskreise" unter allen Umständen im Interesse der deutschen
Landwirtschaft für notwendig hielten und durchführen wollten, von vornherein
im Zolltarif als "Mindestzoll" gesetzlich festgelegt würden, denn je klarer den
auswärtigen Regierungen gemacht werde, daß bei den Handelsvertragsverhand-
lungeu der Versuch, an diesen Mindestzöllen etwas abzubröckeln, vollständig
aussichtslos sei, umso rascher und zuverlässiger werde eine Grundlage für die
übrigen Zollverhandlungen gegeben sein. Aber das ist denn doch angesichts
der nach der Denkschrift des Zentralverbands im Auslande gemachten Er¬
sahrungen und bei der ganzen heutigen Sachlage im Reiche und bei seinen
Gegenkontrahenten ein sehr schlechter, sehr doktrinärer, an den Haaren herbei-
gezvgner Trost. Daß unser Auswärtiges Amt den ausländischen Regierungen
ganz klar macht, daß unter die vom Kaiser als notwendig erkannte Höhe der
landwirtschaftlichen Notstandszölle nicht heruntergegangen werden wird, versteht
sich von selbst, aber dazu bedarf es doch nicht eines gesetzgeberischen Aktes,
der unter bestimmter Benennung des Zollsatzes den Kaiser und seine Unter¬
händler von vornherein in dieser bisher bei uns ungewöhnlichen Weise bindet.
Glaubt man denn, daß das Ausland nicht weiß, daß ein solcher Akt, ebenso
wie er entstanden sein würde, auch in Dentschland durch die Gesetzgebung
wieder beseitigt werde" könnte, wenn es darauf ankäme? Glaubt man, daß
das Ausland vor dem Majoritätsbeschluß des Reichstags uach einer Agitation,
wie wir sie jetzt in der Agrarzollfrage erleben, mehr Respekt haben wird als
vor den bestimmten Erklärungen des verfassungsmäßig zum Vertragsschluß be¬
rufnen Monarchen? Glaubt man denn nicht, daß nach allem, was bisher vor¬
gekommen ist, ans die fremden Staatsmänner diese bei uns ungewöhnliche
gesetzliche Festlegung von Minimaltarifen im Generaltarif auch den Eindruck
machen kann, daß die Regierung vielleicht nur einer gerade jetzt übermächtigen
Partcipression nachgäbe und sich durch die Neichstagsmehrheit die Hände binden
lasse, und daß deshalb die ausländischen Regierungen nur umsomehr Chancen
hätten bei hartnäckigem Widerstand und, Wenns sein müßte, bei einem Zoll¬
krieg? Es sollte uns doch wundern, wenn die Weisheit der Kölnischen Zeitung
im Auswärtigen Amt ihren Ursprung genommen hätte. Es war dort sonst
nicht üblich, dem Wille" und der nicht angezweifelten Vollmacht des Kaisers
erst Festigkeit und Geltung zu verschaffen durch eine aä Koo herbeigeführte
vorgreifende Willenskundgebung der jeweiligen Reichstagsmehrheit. Gerade im
Auswärtigen Amt kann man doch eine solche präventive Bindung der Aktions-
freiheit des Monarchen im Verhandeln mit den: Auslande mir unter ganz be-


Händler und das Auswärtige Amt und schließlich das Staatsoberhaupt bei den
Unterhandlungen mit den auswärtigen Regierungen in hohem Grade gelähmt
und gehindert.

In der Kölnischen Zeitung konnte man allerdings vor kurzem lesen, daß
die „maßgebenden Mitglieder der Reichsregierung" (?), wie seit Monaten be¬
kannt sei, überzeugt wären, daß es für das Zustandekommen der Handelsver¬
träge von großem Vorteil sein würde, wenn die Erhöhungen der Getreidezölle,
die „diese Regierungskreise" unter allen Umständen im Interesse der deutschen
Landwirtschaft für notwendig hielten und durchführen wollten, von vornherein
im Zolltarif als „Mindestzoll" gesetzlich festgelegt würden, denn je klarer den
auswärtigen Regierungen gemacht werde, daß bei den Handelsvertragsverhand-
lungeu der Versuch, an diesen Mindestzöllen etwas abzubröckeln, vollständig
aussichtslos sei, umso rascher und zuverlässiger werde eine Grundlage für die
übrigen Zollverhandlungen gegeben sein. Aber das ist denn doch angesichts
der nach der Denkschrift des Zentralverbands im Auslande gemachten Er¬
sahrungen und bei der ganzen heutigen Sachlage im Reiche und bei seinen
Gegenkontrahenten ein sehr schlechter, sehr doktrinärer, an den Haaren herbei-
gezvgner Trost. Daß unser Auswärtiges Amt den ausländischen Regierungen
ganz klar macht, daß unter die vom Kaiser als notwendig erkannte Höhe der
landwirtschaftlichen Notstandszölle nicht heruntergegangen werden wird, versteht
sich von selbst, aber dazu bedarf es doch nicht eines gesetzgeberischen Aktes,
der unter bestimmter Benennung des Zollsatzes den Kaiser und seine Unter¬
händler von vornherein in dieser bisher bei uns ungewöhnlichen Weise bindet.
Glaubt man denn, daß das Ausland nicht weiß, daß ein solcher Akt, ebenso
wie er entstanden sein würde, auch in Dentschland durch die Gesetzgebung
wieder beseitigt werde» könnte, wenn es darauf ankäme? Glaubt man, daß
das Ausland vor dem Majoritätsbeschluß des Reichstags uach einer Agitation,
wie wir sie jetzt in der Agrarzollfrage erleben, mehr Respekt haben wird als
vor den bestimmten Erklärungen des verfassungsmäßig zum Vertragsschluß be¬
rufnen Monarchen? Glaubt man denn nicht, daß nach allem, was bisher vor¬
gekommen ist, ans die fremden Staatsmänner diese bei uns ungewöhnliche
gesetzliche Festlegung von Minimaltarifen im Generaltarif auch den Eindruck
machen kann, daß die Regierung vielleicht nur einer gerade jetzt übermächtigen
Partcipression nachgäbe und sich durch die Neichstagsmehrheit die Hände binden
lasse, und daß deshalb die ausländischen Regierungen nur umsomehr Chancen
hätten bei hartnäckigem Widerstand und, Wenns sein müßte, bei einem Zoll¬
krieg? Es sollte uns doch wundern, wenn die Weisheit der Kölnischen Zeitung
im Auswärtigen Amt ihren Ursprung genommen hätte. Es war dort sonst
nicht üblich, dem Wille» und der nicht angezweifelten Vollmacht des Kaisers
erst Festigkeit und Geltung zu verschaffen durch eine aä Koo herbeigeführte
vorgreifende Willenskundgebung der jeweiligen Reichstagsmehrheit. Gerade im
Auswärtigen Amt kann man doch eine solche präventive Bindung der Aktions-
freiheit des Monarchen im Verhandeln mit den: Auslande mir unter ganz be-


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[0108] Händler und das Auswärtige Amt und schließlich das Staatsoberhaupt bei den Unterhandlungen mit den auswärtigen Regierungen in hohem Grade gelähmt und gehindert. In der Kölnischen Zeitung konnte man allerdings vor kurzem lesen, daß die „maßgebenden Mitglieder der Reichsregierung" (?), wie seit Monaten be¬ kannt sei, überzeugt wären, daß es für das Zustandekommen der Handelsver¬ träge von großem Vorteil sein würde, wenn die Erhöhungen der Getreidezölle, die „diese Regierungskreise" unter allen Umständen im Interesse der deutschen Landwirtschaft für notwendig hielten und durchführen wollten, von vornherein im Zolltarif als „Mindestzoll" gesetzlich festgelegt würden, denn je klarer den auswärtigen Regierungen gemacht werde, daß bei den Handelsvertragsverhand- lungeu der Versuch, an diesen Mindestzöllen etwas abzubröckeln, vollständig aussichtslos sei, umso rascher und zuverlässiger werde eine Grundlage für die übrigen Zollverhandlungen gegeben sein. Aber das ist denn doch angesichts der nach der Denkschrift des Zentralverbands im Auslande gemachten Er¬ sahrungen und bei der ganzen heutigen Sachlage im Reiche und bei seinen Gegenkontrahenten ein sehr schlechter, sehr doktrinärer, an den Haaren herbei- gezvgner Trost. Daß unser Auswärtiges Amt den ausländischen Regierungen ganz klar macht, daß unter die vom Kaiser als notwendig erkannte Höhe der landwirtschaftlichen Notstandszölle nicht heruntergegangen werden wird, versteht sich von selbst, aber dazu bedarf es doch nicht eines gesetzgeberischen Aktes, der unter bestimmter Benennung des Zollsatzes den Kaiser und seine Unter¬ händler von vornherein in dieser bisher bei uns ungewöhnlichen Weise bindet. Glaubt man denn, daß das Ausland nicht weiß, daß ein solcher Akt, ebenso wie er entstanden sein würde, auch in Dentschland durch die Gesetzgebung wieder beseitigt werde» könnte, wenn es darauf ankäme? Glaubt man, daß das Ausland vor dem Majoritätsbeschluß des Reichstags uach einer Agitation, wie wir sie jetzt in der Agrarzollfrage erleben, mehr Respekt haben wird als vor den bestimmten Erklärungen des verfassungsmäßig zum Vertragsschluß be¬ rufnen Monarchen? Glaubt man denn nicht, daß nach allem, was bisher vor¬ gekommen ist, ans die fremden Staatsmänner diese bei uns ungewöhnliche gesetzliche Festlegung von Minimaltarifen im Generaltarif auch den Eindruck machen kann, daß die Regierung vielleicht nur einer gerade jetzt übermächtigen Partcipression nachgäbe und sich durch die Neichstagsmehrheit die Hände binden lasse, und daß deshalb die ausländischen Regierungen nur umsomehr Chancen hätten bei hartnäckigem Widerstand und, Wenns sein müßte, bei einem Zoll¬ krieg? Es sollte uns doch wundern, wenn die Weisheit der Kölnischen Zeitung im Auswärtigen Amt ihren Ursprung genommen hätte. Es war dort sonst nicht üblich, dem Wille» und der nicht angezweifelten Vollmacht des Kaisers erst Festigkeit und Geltung zu verschaffen durch eine aä Koo herbeigeführte vorgreifende Willenskundgebung der jeweiligen Reichstagsmehrheit. Gerade im Auswärtigen Amt kann man doch eine solche präventive Bindung der Aktions- freiheit des Monarchen im Verhandeln mit den: Auslande mir unter ganz be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/108>, abgerufen am 03.07.2024.