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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Die industriellen Monopole in den vereinigten Staaten

zu weit gingen, da z. B. jede siegreiche Konkurrenz doch eigentlich schon eine
Einschränkung des Handels bedeutet. Die Gerichtshöfe haben deshalb bei
ihren Entscheidungen immer den gemäßigter" Standpunkt festgehalten, daß ein
Monopol -- sei es ein beabsichtigtes oder ein thatsächliches -- vorliegen müsse,
ehe eine industrielle Vereinigung für gesetzwidrig erklärt werden könne. Damit
war jedoch nicht viel zu erreichen, denn kluge Leute werden ihre Absicht, ein
Monopol zu errichten, in dem Gründnngsstntnt ihrer Vereinigung niemals
aussprechen. Ein thatsächliches Monopol aber könnte nicht auf das Gebiet
eines Einzelstants beschränkt sein und würde eben dadurch dessen gesetzlicher
Einwirkung entzogen.

2, Die Regelung des Eisenbahnwesens blieb bis 1887 ausschließlich der
Legislatur des Einzelstaats überlassen, wo die betreffende Linie oder Teilstrecke
lag. In jedem Staat wurde auch eine Kommission eingesetzt mit der Aufgabe,
die technische und wirtschaftliche Handhabung des Betriebs zu kontrollieren und
darüber zu wachen, daß die vorhandnen gesetzlichen Bestimmungen beobachtet
wurden. Aber die meisten dieser Kommissionen haben den Eisenbahnen gegen¬
über keinerlei Zwangsmittel. (Nur in einigen Staaten des Westens, besonders
Illinois, wo die Bahnen erst später gebaut worden sind, hat man aus den
Übeln Erfahrungen der östlichen Staaten gelernt und ein strengeres Kontrolle
system eingeführt.) Wenn die Kommissionen technische Mängel entdecken oder
finden, daß die Tarifsätze zu hoch sind, so machen sie die betreffende Eisen¬
bahngesellschaft darauf aufmerksam und teilen die gerügten Thatsachen in ihren
jährlichen Kommissionsberichten mit. Der Grundgedanke dieses Systems ist
die Öffentlichkeit. Die Kommission repräsentiert die aufgeklärte öffentliche
Meinung und vermag weiter nichts zu thun, als etwaige Beschwerden an¬
zunehmen, sie zu untersuchen und das Ergebnis der Untersuchung bekannt zu
machen.

Die Mängel dieser Organisation, namentlich ihre Unfähigkeit, die xools
und die cliserimmations (ungesetzliche Tarifbegüustiguugen einzelner großer
Versender) zu beseitigen, führte endlich zu einem Eingreifen der Bundesregierung.
Diese stützt sich bei ihrem Vorgehn darauf, daß die Regelung jedes Verkehrs
(Beförderung von Personen oder Gütern), der über die Grenzen eines Einzel¬
staats hinausgeht, der Kompetenz des Kongresses unterliegt. Im Jahre 1887
wurde demgemäß die Interswte On>nun<zrov-Akte erlassen, die bei den Eisen¬
bahnen alle xools und gesetzwidrigen äisoriinirmtions verbietet. Zugleich wurde
eine Art Tribunal von fünf Mitgliedern, die InteiÄste Lamme-roh OommisÄon,
eingesetzt, um die Ausführung des Gesetzes zu sichern. Da aber auch dieser
Kommission bei ihren Anordnungen kein andres Zwangsmittel zu Gebote steht
als die Berufung an die öffentliche Meinung, so hat sie im ganzen noch
wenig ersprießliches geleistet. Sie hat die xools nicht zu unterdrücken ver¬
mocht, und auch die ckiMriiriinMons wuchern heimlich fort, wenn auch nur in
der Form von Frachtabzügen (Rabatten), falschen Klassifikationen, ungenauen
Wiegen usw,


Die industriellen Monopole in den vereinigten Staaten

zu weit gingen, da z. B. jede siegreiche Konkurrenz doch eigentlich schon eine
Einschränkung des Handels bedeutet. Die Gerichtshöfe haben deshalb bei
ihren Entscheidungen immer den gemäßigter« Standpunkt festgehalten, daß ein
Monopol — sei es ein beabsichtigtes oder ein thatsächliches — vorliegen müsse,
ehe eine industrielle Vereinigung für gesetzwidrig erklärt werden könne. Damit
war jedoch nicht viel zu erreichen, denn kluge Leute werden ihre Absicht, ein
Monopol zu errichten, in dem Gründnngsstntnt ihrer Vereinigung niemals
aussprechen. Ein thatsächliches Monopol aber könnte nicht auf das Gebiet
eines Einzelstants beschränkt sein und würde eben dadurch dessen gesetzlicher
Einwirkung entzogen.

2, Die Regelung des Eisenbahnwesens blieb bis 1887 ausschließlich der
Legislatur des Einzelstaats überlassen, wo die betreffende Linie oder Teilstrecke
lag. In jedem Staat wurde auch eine Kommission eingesetzt mit der Aufgabe,
die technische und wirtschaftliche Handhabung des Betriebs zu kontrollieren und
darüber zu wachen, daß die vorhandnen gesetzlichen Bestimmungen beobachtet
wurden. Aber die meisten dieser Kommissionen haben den Eisenbahnen gegen¬
über keinerlei Zwangsmittel. (Nur in einigen Staaten des Westens, besonders
Illinois, wo die Bahnen erst später gebaut worden sind, hat man aus den
Übeln Erfahrungen der östlichen Staaten gelernt und ein strengeres Kontrolle
system eingeführt.) Wenn die Kommissionen technische Mängel entdecken oder
finden, daß die Tarifsätze zu hoch sind, so machen sie die betreffende Eisen¬
bahngesellschaft darauf aufmerksam und teilen die gerügten Thatsachen in ihren
jährlichen Kommissionsberichten mit. Der Grundgedanke dieses Systems ist
die Öffentlichkeit. Die Kommission repräsentiert die aufgeklärte öffentliche
Meinung und vermag weiter nichts zu thun, als etwaige Beschwerden an¬
zunehmen, sie zu untersuchen und das Ergebnis der Untersuchung bekannt zu
machen.

Die Mängel dieser Organisation, namentlich ihre Unfähigkeit, die xools
und die cliserimmations (ungesetzliche Tarifbegüustiguugen einzelner großer
Versender) zu beseitigen, führte endlich zu einem Eingreifen der Bundesregierung.
Diese stützt sich bei ihrem Vorgehn darauf, daß die Regelung jedes Verkehrs
(Beförderung von Personen oder Gütern), der über die Grenzen eines Einzel¬
staats hinausgeht, der Kompetenz des Kongresses unterliegt. Im Jahre 1887
wurde demgemäß die Interswte On>nun<zrov-Akte erlassen, die bei den Eisen¬
bahnen alle xools und gesetzwidrigen äisoriinirmtions verbietet. Zugleich wurde
eine Art Tribunal von fünf Mitgliedern, die InteiÄste Lamme-roh OommisÄon,
eingesetzt, um die Ausführung des Gesetzes zu sichern. Da aber auch dieser
Kommission bei ihren Anordnungen kein andres Zwangsmittel zu Gebote steht
als die Berufung an die öffentliche Meinung, so hat sie im ganzen noch
wenig ersprießliches geleistet. Sie hat die xools nicht zu unterdrücken ver¬
mocht, und auch die ckiMriiriinMons wuchern heimlich fort, wenn auch nur in
der Form von Frachtabzügen (Rabatten), falschen Klassifikationen, ungenauen
Wiegen usw,


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[0636] Die industriellen Monopole in den vereinigten Staaten zu weit gingen, da z. B. jede siegreiche Konkurrenz doch eigentlich schon eine Einschränkung des Handels bedeutet. Die Gerichtshöfe haben deshalb bei ihren Entscheidungen immer den gemäßigter« Standpunkt festgehalten, daß ein Monopol — sei es ein beabsichtigtes oder ein thatsächliches — vorliegen müsse, ehe eine industrielle Vereinigung für gesetzwidrig erklärt werden könne. Damit war jedoch nicht viel zu erreichen, denn kluge Leute werden ihre Absicht, ein Monopol zu errichten, in dem Gründnngsstntnt ihrer Vereinigung niemals aussprechen. Ein thatsächliches Monopol aber könnte nicht auf das Gebiet eines Einzelstants beschränkt sein und würde eben dadurch dessen gesetzlicher Einwirkung entzogen. 2, Die Regelung des Eisenbahnwesens blieb bis 1887 ausschließlich der Legislatur des Einzelstaats überlassen, wo die betreffende Linie oder Teilstrecke lag. In jedem Staat wurde auch eine Kommission eingesetzt mit der Aufgabe, die technische und wirtschaftliche Handhabung des Betriebs zu kontrollieren und darüber zu wachen, daß die vorhandnen gesetzlichen Bestimmungen beobachtet wurden. Aber die meisten dieser Kommissionen haben den Eisenbahnen gegen¬ über keinerlei Zwangsmittel. (Nur in einigen Staaten des Westens, besonders Illinois, wo die Bahnen erst später gebaut worden sind, hat man aus den Übeln Erfahrungen der östlichen Staaten gelernt und ein strengeres Kontrolle system eingeführt.) Wenn die Kommissionen technische Mängel entdecken oder finden, daß die Tarifsätze zu hoch sind, so machen sie die betreffende Eisen¬ bahngesellschaft darauf aufmerksam und teilen die gerügten Thatsachen in ihren jährlichen Kommissionsberichten mit. Der Grundgedanke dieses Systems ist die Öffentlichkeit. Die Kommission repräsentiert die aufgeklärte öffentliche Meinung und vermag weiter nichts zu thun, als etwaige Beschwerden an¬ zunehmen, sie zu untersuchen und das Ergebnis der Untersuchung bekannt zu machen. Die Mängel dieser Organisation, namentlich ihre Unfähigkeit, die xools und die cliserimmations (ungesetzliche Tarifbegüustiguugen einzelner großer Versender) zu beseitigen, führte endlich zu einem Eingreifen der Bundesregierung. Diese stützt sich bei ihrem Vorgehn darauf, daß die Regelung jedes Verkehrs (Beförderung von Personen oder Gütern), der über die Grenzen eines Einzel¬ staats hinausgeht, der Kompetenz des Kongresses unterliegt. Im Jahre 1887 wurde demgemäß die Interswte On>nun<zrov-Akte erlassen, die bei den Eisen¬ bahnen alle xools und gesetzwidrigen äisoriinirmtions verbietet. Zugleich wurde eine Art Tribunal von fünf Mitgliedern, die InteiÄste Lamme-roh OommisÄon, eingesetzt, um die Ausführung des Gesetzes zu sichern. Da aber auch dieser Kommission bei ihren Anordnungen kein andres Zwangsmittel zu Gebote steht als die Berufung an die öffentliche Meinung, so hat sie im ganzen noch wenig ersprießliches geleistet. Sie hat die xools nicht zu unterdrücken ver¬ mocht, und auch die ckiMriiriinMons wuchern heimlich fort, wenn auch nur in der Form von Frachtabzügen (Rabatten), falschen Klassifikationen, ungenauen Wiegen usw,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/636>, abgerufen am 20.06.2024.