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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

in Deutschland noch nicht genügend berichtet worden ist. Da der Kongreß als
"international" bezeichnet worden ist, so haben wir ja das Recht, uns damit zu
beschäftigen. Denn dann werden die von dieser außerordentlich geschickt agierenden
Internationale veranlaßten Wirkungen doch auch in Deutschland herauskommen.
Neulich war an dieser Stelle von der vielleicht seligen Lukardis die Rede, inzwischen
besitzt das glückliche Bayern schon die selige Crescenzia Heß von Kcmfbeuren, die
Cisterzienser machen in ihrer Chronik vom November für die selige Emeline von
Boulaucourt Propaganda -- für die, die sich noch "der lieben Emeline" aus der
Schweizerfamilie erinnern, hat die fromme Cisterzieuserin trotz ihres zum bloßen
Vergnügen getragnen Eisenstachelgürtels, über den ihr Fleisch hinübergewachsen
war, schon durch die Erinnerung an "setz dich, liebe Emeline, nah, recht nah zu
mir" etwas Freundliches. Man könnte vom zwanzigsten Jahrhundert ausrufen:
"Es ist eine Freude zu leben!" wenn man nicht mit voller Lungenkrnft schreien
müßte: "Ist denn kein Hütten da?" -- Doch hören wir den ernsten Bericht der
Rsvus ebiötigune: Die Klerikalen, die die religiösen Verfolgungen unsrer Zeit nie
genug beklagen können, haben nichtsdestoweniger in Lyon in vollkommner Ungestört¬
heit einen internationalen Kongreß zu Ehren der heiligen Jungfrau organisieren
können. Der Kongreß vereinigte eine Anzahl hervorragender Prälaten, darunter
die Kardinäle Coulliö, Perrand und Langünieux, und mehr als hundert Reden
und Berichte wurden vorgetragen. Mgr. Tonchet, Bischof von Orleans, sprach als
Hauptredner über das Thema: "SupoiFisssa K8 vnivoisas! Alle Kreaturen sind von
dir übertroffen!" Maria ist die neue Eva, geschaffen im Zustande der Gnade,
worin dann das Privilegium der unbefleckten Empfängnis begründet ist; alle natür¬
lichen und übernatürlichen Eigenschaften waren ihr eigen usw. Wie jeder Kongreß
hat auch der Marianische Wünsche geäußert, zunächst: "Der Kongreß drückt den
Wunsch aus, daß, nachdem sich das Menschengeschlecht dem heiligen Herzen Jesu
geweiht hat, das Weltall sich der Jungfrau als "Königin der Welt" weihe, und
daß ein Fest eingesetzt werde, das mit eignem Rituell jährlich als Fest der Welt¬
herrschaft Mariens gefeiert werden solle." (Im katholischen Deutschland hat man
eigentlich Marientage genug.) Als zweite Forderung wurde die Aufnahme einer
Anrufungsformel für Maria als "Königin des Purgatoriums" in die Litanei aus¬
gestellt. Es ist ganz selbstverständlich, daß das zwanzigste Jahrhundert das Jahr¬
hundert Mariens sein soll -- es giebt aber Menschen, die glauben, daß das
zwanzigste Jahrhundert das des menschlichen Kulturfortschritts, das der Vereinigung
der sozialen Gegensätze, das der Fürsorge für die Armen und Unglücklichen, das
der geistigen Befreiung sein sollte! -- und daß Frankreich das Reich Mariens ist.
In diesen Manifestationen liegt ein Symptom religiöser Zersetzung, das doch der
Aufmerksamkeit denkender Menschen nicht entgehn sollte. Hätte Mgr. Touchet
den Hirtenbrief gelesen und überdacht, den der Bischof von Tournay vor zwei
Jahrhunderten unter dem Titel: "Heilsame Mahnung der Jungfrau an ihre indis¬
kreten Verehrer" Veröffentlicht hatte, so hätte er seinen Enthusiasmus doch wohl etwas
gezügelt. Solange der französische Klerus gallikanisch blieb, leistete er der mario-
latrischen Pression des ultramontan gewordnen Jesuitismus Widerstand. In dem
Jahrhundert, wo die historische Kritik ihre Lebensfähigkeit und ihren Wahrheits¬
trieb gezeigt hat, findet sich ein Klerus, der in einer Unklugheit, deren Schuld nicht
hoch angesehen werden kann, aus der demütigen und heiligen Mutter Christi "eine
durch eine unermeßliche Distanz über allen andern Geschöpfen thronende Erscheinung"
macht. So nannte sie der Bischof von Orleans, und es findet sich ein Kongreß
von Priestern, der sie zur Königin der Welt und des Purgatoriums weiht.
Und doch wissen diese Kardinäle, Bischöfe und Gelehrten des Katholizismus, was
von den historischen Zeugnissen über die Jungfrau Maria in den Evangelien ent-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

in Deutschland noch nicht genügend berichtet worden ist. Da der Kongreß als
„international" bezeichnet worden ist, so haben wir ja das Recht, uns damit zu
beschäftigen. Denn dann werden die von dieser außerordentlich geschickt agierenden
Internationale veranlaßten Wirkungen doch auch in Deutschland herauskommen.
Neulich war an dieser Stelle von der vielleicht seligen Lukardis die Rede, inzwischen
besitzt das glückliche Bayern schon die selige Crescenzia Heß von Kcmfbeuren, die
Cisterzienser machen in ihrer Chronik vom November für die selige Emeline von
Boulaucourt Propaganda — für die, die sich noch „der lieben Emeline" aus der
Schweizerfamilie erinnern, hat die fromme Cisterzieuserin trotz ihres zum bloßen
Vergnügen getragnen Eisenstachelgürtels, über den ihr Fleisch hinübergewachsen
war, schon durch die Erinnerung an „setz dich, liebe Emeline, nah, recht nah zu
mir" etwas Freundliches. Man könnte vom zwanzigsten Jahrhundert ausrufen:
„Es ist eine Freude zu leben!" wenn man nicht mit voller Lungenkrnft schreien
müßte: „Ist denn kein Hütten da?" — Doch hören wir den ernsten Bericht der
Rsvus ebiötigune: Die Klerikalen, die die religiösen Verfolgungen unsrer Zeit nie
genug beklagen können, haben nichtsdestoweniger in Lyon in vollkommner Ungestört¬
heit einen internationalen Kongreß zu Ehren der heiligen Jungfrau organisieren
können. Der Kongreß vereinigte eine Anzahl hervorragender Prälaten, darunter
die Kardinäle Coulliö, Perrand und Langünieux, und mehr als hundert Reden
und Berichte wurden vorgetragen. Mgr. Tonchet, Bischof von Orleans, sprach als
Hauptredner über das Thema: „SupoiFisssa K8 vnivoisas! Alle Kreaturen sind von
dir übertroffen!" Maria ist die neue Eva, geschaffen im Zustande der Gnade,
worin dann das Privilegium der unbefleckten Empfängnis begründet ist; alle natür¬
lichen und übernatürlichen Eigenschaften waren ihr eigen usw. Wie jeder Kongreß
hat auch der Marianische Wünsche geäußert, zunächst: „Der Kongreß drückt den
Wunsch aus, daß, nachdem sich das Menschengeschlecht dem heiligen Herzen Jesu
geweiht hat, das Weltall sich der Jungfrau als »Königin der Welt« weihe, und
daß ein Fest eingesetzt werde, das mit eignem Rituell jährlich als Fest der Welt¬
herrschaft Mariens gefeiert werden solle." (Im katholischen Deutschland hat man
eigentlich Marientage genug.) Als zweite Forderung wurde die Aufnahme einer
Anrufungsformel für Maria als „Königin des Purgatoriums" in die Litanei aus¬
gestellt. Es ist ganz selbstverständlich, daß das zwanzigste Jahrhundert das Jahr¬
hundert Mariens sein soll — es giebt aber Menschen, die glauben, daß das
zwanzigste Jahrhundert das des menschlichen Kulturfortschritts, das der Vereinigung
der sozialen Gegensätze, das der Fürsorge für die Armen und Unglücklichen, das
der geistigen Befreiung sein sollte! — und daß Frankreich das Reich Mariens ist.
In diesen Manifestationen liegt ein Symptom religiöser Zersetzung, das doch der
Aufmerksamkeit denkender Menschen nicht entgehn sollte. Hätte Mgr. Touchet
den Hirtenbrief gelesen und überdacht, den der Bischof von Tournay vor zwei
Jahrhunderten unter dem Titel: „Heilsame Mahnung der Jungfrau an ihre indis¬
kreten Verehrer" Veröffentlicht hatte, so hätte er seinen Enthusiasmus doch wohl etwas
gezügelt. Solange der französische Klerus gallikanisch blieb, leistete er der mario-
latrischen Pression des ultramontan gewordnen Jesuitismus Widerstand. In dem
Jahrhundert, wo die historische Kritik ihre Lebensfähigkeit und ihren Wahrheits¬
trieb gezeigt hat, findet sich ein Klerus, der in einer Unklugheit, deren Schuld nicht
hoch angesehen werden kann, aus der demütigen und heiligen Mutter Christi „eine
durch eine unermeßliche Distanz über allen andern Geschöpfen thronende Erscheinung"
macht. So nannte sie der Bischof von Orleans, und es findet sich ein Kongreß
von Priestern, der sie zur Königin der Welt und des Purgatoriums weiht.
Und doch wissen diese Kardinäle, Bischöfe und Gelehrten des Katholizismus, was
von den historischen Zeugnissen über die Jungfrau Maria in den Evangelien ent-


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[0060] Maßgebliches und Unmaßgebliches in Deutschland noch nicht genügend berichtet worden ist. Da der Kongreß als „international" bezeichnet worden ist, so haben wir ja das Recht, uns damit zu beschäftigen. Denn dann werden die von dieser außerordentlich geschickt agierenden Internationale veranlaßten Wirkungen doch auch in Deutschland herauskommen. Neulich war an dieser Stelle von der vielleicht seligen Lukardis die Rede, inzwischen besitzt das glückliche Bayern schon die selige Crescenzia Heß von Kcmfbeuren, die Cisterzienser machen in ihrer Chronik vom November für die selige Emeline von Boulaucourt Propaganda — für die, die sich noch „der lieben Emeline" aus der Schweizerfamilie erinnern, hat die fromme Cisterzieuserin trotz ihres zum bloßen Vergnügen getragnen Eisenstachelgürtels, über den ihr Fleisch hinübergewachsen war, schon durch die Erinnerung an „setz dich, liebe Emeline, nah, recht nah zu mir" etwas Freundliches. Man könnte vom zwanzigsten Jahrhundert ausrufen: „Es ist eine Freude zu leben!" wenn man nicht mit voller Lungenkrnft schreien müßte: „Ist denn kein Hütten da?" — Doch hören wir den ernsten Bericht der Rsvus ebiötigune: Die Klerikalen, die die religiösen Verfolgungen unsrer Zeit nie genug beklagen können, haben nichtsdestoweniger in Lyon in vollkommner Ungestört¬ heit einen internationalen Kongreß zu Ehren der heiligen Jungfrau organisieren können. Der Kongreß vereinigte eine Anzahl hervorragender Prälaten, darunter die Kardinäle Coulliö, Perrand und Langünieux, und mehr als hundert Reden und Berichte wurden vorgetragen. Mgr. Tonchet, Bischof von Orleans, sprach als Hauptredner über das Thema: „SupoiFisssa K8 vnivoisas! Alle Kreaturen sind von dir übertroffen!" Maria ist die neue Eva, geschaffen im Zustande der Gnade, worin dann das Privilegium der unbefleckten Empfängnis begründet ist; alle natür¬ lichen und übernatürlichen Eigenschaften waren ihr eigen usw. Wie jeder Kongreß hat auch der Marianische Wünsche geäußert, zunächst: „Der Kongreß drückt den Wunsch aus, daß, nachdem sich das Menschengeschlecht dem heiligen Herzen Jesu geweiht hat, das Weltall sich der Jungfrau als »Königin der Welt« weihe, und daß ein Fest eingesetzt werde, das mit eignem Rituell jährlich als Fest der Welt¬ herrschaft Mariens gefeiert werden solle." (Im katholischen Deutschland hat man eigentlich Marientage genug.) Als zweite Forderung wurde die Aufnahme einer Anrufungsformel für Maria als „Königin des Purgatoriums" in die Litanei aus¬ gestellt. Es ist ganz selbstverständlich, daß das zwanzigste Jahrhundert das Jahr¬ hundert Mariens sein soll — es giebt aber Menschen, die glauben, daß das zwanzigste Jahrhundert das des menschlichen Kulturfortschritts, das der Vereinigung der sozialen Gegensätze, das der Fürsorge für die Armen und Unglücklichen, das der geistigen Befreiung sein sollte! — und daß Frankreich das Reich Mariens ist. In diesen Manifestationen liegt ein Symptom religiöser Zersetzung, das doch der Aufmerksamkeit denkender Menschen nicht entgehn sollte. Hätte Mgr. Touchet den Hirtenbrief gelesen und überdacht, den der Bischof von Tournay vor zwei Jahrhunderten unter dem Titel: „Heilsame Mahnung der Jungfrau an ihre indis¬ kreten Verehrer" Veröffentlicht hatte, so hätte er seinen Enthusiasmus doch wohl etwas gezügelt. Solange der französische Klerus gallikanisch blieb, leistete er der mario- latrischen Pression des ultramontan gewordnen Jesuitismus Widerstand. In dem Jahrhundert, wo die historische Kritik ihre Lebensfähigkeit und ihren Wahrheits¬ trieb gezeigt hat, findet sich ein Klerus, der in einer Unklugheit, deren Schuld nicht hoch angesehen werden kann, aus der demütigen und heiligen Mutter Christi „eine durch eine unermeßliche Distanz über allen andern Geschöpfen thronende Erscheinung" macht. So nannte sie der Bischof von Orleans, und es findet sich ein Kongreß von Priestern, der sie zur Königin der Welt und des Purgatoriums weiht. Und doch wissen diese Kardinäle, Bischöfe und Gelehrten des Katholizismus, was von den historischen Zeugnissen über die Jungfrau Maria in den Evangelien ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/60>, abgerufen am 29.06.2024.